Ein Mann hört sich auf einem Smartphone die Rede von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah an
Reuters/Amr Alfiky
Hisbollah-Chef

Hasstiraden, aber keine Kriegserklärung

Der Führer der radikalislamischen Schiitenmiliz Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat sich am Freitag erstmals seit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel öffentlich zu Wort gemeldet. In einer Rede verherrlichte er den Angriff. Die Ankündigung eines noch stärkeren Eingreifens der Hisbollah in den Krieg blieb aber aus. Die USA mahnten indes Israel, die Zivilbevölkerung in Gaza bei seinen Angriffen auf Hamas-Ziele zu schonen. Israels Premier Benjamin Netanjahu lehnt Feuerpausen weiter ab – erst müsse die Hamas alle Geiseln freilassen.

„Alle Optionen an der libanesischen Front bleiben offen“, sagte Nasrallah. Eine Eskalation sei eine „realistische Möglichkeit“, alles hänge davon ab, wie der Krieg im Gazastreifen weiter verlaufen werde. In seiner Rede verherrlichte er den Hamas-Angriff auf Israel, bei dem am 7. Oktober 1.400 Menschen ermordet und etwa 240 in den Gazastreifen verschleppt wurden.

An der libanesisch-israelischen Grenze kommt es seither immer wieder zu Gefechten zwischen der vom Iran unterstützten Hisbollah und israelischen Truppen. Im Vorfeld von Nasrallahs Rede war befürchtet worden, der Milizenführer könnte Israel den Krieg erklären. Konkret mit einem großflächigen Angriff auf Israel drohte Nasrallah nicht. Er betonte, der Angriff der Hamas auf Israel sei „zu 100 Prozent palästinensisch“ gewesen. Für die gegenwärtige Lage im Gazastreifen machte Nasrallah die USA verantwortlich.

Hisbollah-Chef meldet sich zu Wort

Erstmals seit dem Terror vom 7. Oktober hat sich Hassan Nasrallah, Chef der Schiitenmiliz Hisbollah, zu Wort gemeldet. Die befürchtete Eskalation, eine offene Kriegserklärung an Israel, ist dabei ausgeblieben.

Israel: Bisher 12.000 Ziele in Gaza angegriffen

Seit dem Terrorangriff der Hamas attackierte Israel nach eigenen Angaben über 12.000 Ziele im Gazastreifen. Den israelischen Streitkräften zufolge sollen dabei bereits zahlreiche hochrangige Hamas-Kommandeure getötet und Waffenlager und Raketenarsenale zerstört worden sein. Am Donnerstag hatte die israelische Armee gemeldet, Gaza-Stadt umzingelt zu haben.

El-Gawhary (ORF) über die Nasrallah-Rede

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat am Freitag die Angriffe der Hamas auf Israel gutgeheißen. Eine offene Kriegserklärung an Israel ist ausgeblieben. ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary berichtet.

Bei Angriffen sollen laut dem Gesundheitsministerium von Gaza seit 7. Oktober bisher 9.000 Menschen getötet worden sein. Die Angaben der Behörde, die der regierenden Hamas unterstellt ist, sind von unabhängiger Seite schwer überprüfbar.

Nasrallah: Angriff zu „100 Prozent palästinensisch“

Ein Sieg der Hamas im Gazastreifen über Israel sei auch im Interesse arabischer Nachbarländer, so Nasrallah: „Der Sieg Gazas heute liegt auch im nationalen Interesse Ägyptens, Jordaniens und Syriens.“ Vor allem liege ein Sieg der Hamas „im nationalen Interesse des Libanons“.

Der Terrorangriff am 7. Oktober sei „zu 100 Prozent palästinensisch“ gewesen und vor der „Achse des Widerstands“ geheim gehalten worden, so Nasrallah. Die angesprochene „Achse des Widerstandes“ umfasst neben der Hisbollah Milizen im Irak, in Syrien und die Huthi-Rebellen im Jemen.

„Die Tatsache, dass niemand davon wusste, beweist, dass diese Schlacht ausschließlich palästinensischer Natur ist“, sagte Nasrallah. Zuvor hatte es die Vermutung gegeben, dass die Hamas bei ihrem Großangriff auf Israel von außen – etwa durch Teheran und die Hisbollah – unterstützt wurde.

USA: Zivilbevölkerung schonen

US-Außenminister Antony Blinken forderte Israel am Freitag auf, bei seinen Vergeltungsangriffen in Gaza die Zivilbevölkerung zu schonen. Die israelische Regierung habe zwar das Recht, „alles Mögliche zu tun“, um eine Wiederholung des Angriffs vor vier Wochen zu verhindern, sagte Blinken. Zugleich sei es aber wichtig, alles dafür zu tun, dass Zivilpersonen nicht ins Kreuzfeuer gerieten und geschützt seien.

„Israel hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, sich zu verteidigen“, sagte er bei einem Treffen mit Präsident Jizchak Herzog in Tel Aviv. Gleichzeitig rief der US-Außenminister Israel auf, „denjenigen Hilfe zu bringen, die sie verzweifelt benötigen“. Einen generellen Waffenstillstand lehnt die US-Regierung derzeit jedoch ab. Sie argumentiert, das würde nur der Hamas in die Hände spielen und der Gruppe Zeit geben, sich neu aufzustellen für weitere Attacken.

US-Außenminister Antony Blinken und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu
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Israels Premier Netanjahu (rechts) und US-Außenminister Blinken in Tel Aviv

Gespräche über Treibstofflieferungen

Blinken betonte, er habe mit den israelischen Politikern über „konkrete Schritte“ zur Besserung der humanitären Lage gesprochen. „Wir haben Mechanismen ermittelt, die es ermöglichen, Treibstoff in Krankenhäuser und andere Bedarfsstellen im Süden zu bringen.“ Die USA teilten jedoch Israels Bedenken „in Bezug auf eine massive Abzweigung von Treibstoff im nördlichen Gazastreifen“.

UNO-Organisationen zufolge wird die Lieferung von Treibstoff dringend benötigt, um etwa Generatoren von Krankenhäusern zu betreiben. Israel fürchtet hingegen, dass die islamistische Hamas den Treibstoff für militärische Zwecke missbrauchen könnte.

Netanjahu: Feuerpausen erst bei Geiselfreilassungen

Blinken traf bei seinem Besuch auch Regierungschef Netanjahu. Dieser lehnte Feuerpausen im Gaza-Krieg abermals ab, solange die islamistische Hamas nicht die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln freilasse. Nach jüngsten israelischen Angaben wurden beim Terrorangriff der Hamas über 240 Menschen aus Israel in den Gazastreifen verschleppt.

„Wir werden nicht aufhören, bis wir den Sieg errungen und unsere definierten Ziele erreicht haben: die Beseitigung der Hamas, die Rückkehr unserer Geiseln und die Wiederherstellung der Sicherheit für unsere Kinder und Bürger“, sagte Netanjahu nach dem Treffen. „Ich habe deutlich gemacht, dass wir mit Volldampf weitermachen und dass Israel jede temporäre Feuerpause ablehnt, die nicht die Freilassung der entführten Israelis beinhaltet.“

Blinken warnt Iran und Hisbollah

Blinken warnte außerdem den Iran und die Hisbollah davor, eine weitere Front zu öffnen. „Wir setzen uns dafür ein, Aggressionen von jedweder Seite abzuschrecken“, sagte er. Er verwies auch auf die Stationierung mehrerer Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer. „Wir müssen weiterhin eine Eskalation dieses Konflikts verhindern.“ Ob die USA im Falle der Eröffnung einer zweiten Front auch selbst in den Konflikt eingreifen werden, sagte er nicht. Solange es die Vereinigten Staaten gebe, werde Israel nicht allein sein.