Zerstörung nach Luftangriffen in Gaza
AP/Abed Khaled
Israel – Hamas

Ringen um Feuerpause und Geiselfreilassung

Vier Wochen nach dem Terrorangriff auf Israel hat die Hamas weiterhin mehr als 200 Geiseln in ihrer Gewalt. Im Hintergrund laufen Gespräche über deren Freilassung, bisher blieben sie erfolglos. Aus den USA hieß es, dass eine „sehr konsequente Pause“ der Kämpfe zwischen Israel und der Hamas nötig wäre. Israels Premier Benjamin Netanjahu verlangt aber zuerst die Freilassung der Geiseln. US-Außenminister Antony Blinken wird in Jordanien erwartet.

Am Freitagabend sagte ein hochrangiger Beamter des Weißen Hauses, derzeit würden „ernsthafte Gespräche“ über eine Feuerpause geführt und betonte gleichzeitig, dass es bisher keine Vereinbarung für eine solche gebe. „Wir tun das Möglichste, um sicherzugehen, dass alle Geiseln aller Nationalitäten aus Gaza herauskommen“, betonte der Beamte vor Journalisten und Journalistinnen.

In Gesprächen mit der Hamas sei bisher aber noch keine Lösung gefunden worden. Die Terrororganisation verlange, dass neben den ausländischen Geiseln auch verwundete Palästinenserinnen und Palästinenser aus Gaza ausreisen dürften. Eine Überprüfung der vorgelegten Liste habe aber ergeben, dass ein Drittel davon Mitglieder der Hamas seien. „Das war für Ägypten, für uns und für Israel einfach inakzeptabel.“

„NYT“: Schmuggel von verletzten Hamas-Kämpfern

US-Medien berichteten am Samstag, die Hamas versuche, verletzte Mitglieder ihres militärischen Arms über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten herauszuschmuggeln. Ausländerinnen und Ausländer hätten dadurch nur mit Verzögerung in Sicherheit gebracht werden können, schrieb die „New York Times“ („NYT“) unter Berufung auf einen hohen amerikanischen Regierungsbeamten. Der US-Offizielle sagte, dass die Hamas zuvor Israel, den Vereinigten Staaten und Ägypten wiederholt Listen verwundeter Palästinenserinnen und Palästinenser vorgelegt habe, die zusammen mit US-Bürgern und anderen Ausländern ausreisen sollten.

Nachprüfungen hätten aber ergeben, dass es sich bei vielen dieser Personen um Hamas-Kämpfer handelte. Das sei für die Vertreter Ägyptens, der USA und Israels inakzeptabel gewesen. Die Verhandlungen mit der Hamas seien laut US-Regierungsangaben indirekt geführt worden, nämlich mit Hilfe von Regierungsvertretern Katars. Schließlich habe die Hamas nachgegeben.

Netanjahu: Keine Feuerpause ohne Geiselfreilassung

Bei dem Großangriff auf Israel am 7. Oktober hatte die radikalislamische Hamas nach israelischen Angaben 1.400 Menschen getötet und rund 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hatte zuvor mehrfach erklärt, sie unterstütze keinen Waffenstillstand und forderte stattdessen „humanitäre Pausen“. US-Außenminister Blinken hatte sich zuletzt vergeblich für eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen eingesetzt.

US-Außenminister Antony Blinken und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu
IMAGO/ZUMA Wire/Amos Ben Gershom/Israel Gpox
Israels Premier Benjamin Netanjahu (rechts) und US-Außenminister Antony Blinken in Tel Aviv

Eine humanitäre Feuerpause mache es möglich, Vorkehrungen zur Erhöhung der Sicherheit der Zivilisten und Zivilistinnen zu treffen und erleichtere Hilfslieferungen, sagte Blinken am Freitag. Es war sein zweiter Israel-Besuch binnen weniger Wochen. Zudem betonte er, der einzige Weg, um dauerhafte Sicherheit in Israel gewährleisten zu können, sei eine Zweistaatenlösung. Diese sieht die Gründung eines palästinensischen Staates vor, der friedlich mit Israel koexistiert.

Israels Regierungschef Netanjahu erklärte hingegen, Israel lehne eine vorübergehende Feuerpause ab, die „nicht eine Freilassung unserer Geiseln beinhaltet“. Israelischen Angaben zufolge befinden sich aktuell 241 Geiseln in den Händen der Hamas. Wie die USA sieht auch Israel eine generelle Waffenruhe kritisch. Ihrer Ansicht nach würde ein Waffenstillstand der dort herrschenden Hamas ermöglichen, sich neu zu organisieren.

Von der israelischen Armee angegriffenen Krankenwagen
Reuters/Anas al-Shareef
Vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt wurde ein Krankenwagen angegriffen

„Dutzende Terroristen“ getötet, Angriff auf Krankenwagen

Israel setzte unterdessen seine Angriffe im Gazastreifen fort. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben bei einem weiteren Bodeneinsatz im Gazastreifen „Dutzende Terroristen“ getötet. Es habe am Vortag zahlreiche Versuche der Hamas gegeben, die israelischen Truppen aus Tunnelschächten und militärischen Einrichtungen im nördlichen Gazastreifen anzugreifen, teilte die Armee am Samstagmorgen mit. Die Soldaten hätten Terroristen getötet, Waffen der Hamas gefunden und Tunnelschächte freigelegt, die für Terrorzwecke genutzt würden.

Israelische Panzer hätten im Norden des Gazastreifens drei Beobachtungsposten der Hamas zerstört und bei Gefechten mit 15 Terroristen mehrere von ihnen getötet, hieß es weiter. In der Nacht habe die israelische Armee zudem im südlichen Gazastreifen eine gezielte Razzia durchgeführt, um Gebäude zu räumen und Sprengsätze zu entschärfen. Während des Einsatzes seien die Truppen auf eine „Terrorzelle“ gestoßen, die aus einem Tunnelschacht gekommen sei. Die Truppen hätten auf die Terroristen gefeuert und sie getötet, hieß es.

Angriff auf Krankenwagen in Gaza

Israel hat einen Angriff auf einen Krankenwagen vor einem Krankenhaus in Gaza-Stadt bestätigt. Die Hamas hätte diesen genutzt, hieß es.

Die israelische Armee bestätigte aber auch einen Luftangriff auf einen Krankenwagen vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, der von einer „Terrorzelle“ der Hamas genutzt worden sei. Laut dem Roten Halbmond handelte es sich um einen Konvoi von fünf Krankenwagen. Die UNO verurteilte den Angriff auf den Krankenwagen scharf. „Ich bin entsetzt“, erklärte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und fügte hinzu, die Bilder der „auf der Straße vor dem Krankenhaus verstreuten Leichen“ seien „herzzerreißend“.

Der Angriff auf den Krankenwagen geschah nach palästinensischen Angaben vor dem Eingang des Al-Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza. 13 Menschen seien dabei getötet, 26 weitere verletzt worden – die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Blinken in Jordanien

Seit Beginn des Krieges trafen im Gazastreifen 421 Lastwagen mit dringend benötigten Hilfslieferungen ein. Wie der palästinensische Rote Halbmond am Samstagmorgen mitteilte, seien am Freitagabend 47 Lastwagen mit humanitärer Hilfe auf der palästinensischen Seite des Grenzübergangs Rafah angekommen.

Sie enthielten Lebensmittel, Wasser, Hilfsgüter, Medikamente und medizinische Ausrüstung. Treibstoff sei bisher nicht eingetroffen. UNO-Angaben zufolge sind täglich 100 Lkw-Ladungen notwendig, um die mehr als zwei Millionen Menschen im umkämpften Gazastreifen mit dem Nötigsten zu versorgen.

US-Außenminister Blinken will laut jordanischen Angaben am Samstag in der dortigen Hauptstadt Amman mit Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Ägypten und anderen Ländern der Region über den Krieg in Nahost beraten. Jordanien wolle sich vor dem Treffen mit arabischen Staaten abstimmen, um „den israelischen Krieg gegen Gaza und die dadurch verursachte humanitäre Katastrophe zu beenden“, meldete die jordanische Nachrichtenagentur Petra am Freitagabend unter Berufung auf einen Sprecher des jordanischen Außenministeriums.