Zerstörung nach Luftangriffen in Gaza
Reuters/Mutasem Murtaja
US-Angaben

Noch 400.000 Menschen im Norden Gazas

Nach Angaben des US-Sondergesandten David Satterfield halten sich immer noch bis zu 400.000 Menschen im Norden des Gazastreifens auf. Die israelische Armee nannte den Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen am Samstag erneut ein Zeitfenster für die Flucht in den Süden des Küstengebietes. Das Ringen um eine Feuerpause und Geiselfreilassung geht unterdessen im Hintergrund weiter – die Hamas hat weiterhin mehr als 200 Geiseln in ihrer Gewalt.

Vor Journalistinnen und Journalisten sagte der US-Sondergesandte Satterfield heute Früh (Ortszeit) in der jordanischen Hauptstadt Amman, dass 800.000 bis eine Million Menschen bereits weiter in den Süden gezogen seien, während sich nach wie vor 350.000 bis 400.000 Menschen im Norden der Enklave befinden würden.

Zudem verkündete er, dass es Abmachungen gebe, um mehr Treibstoff in den Gazastreifen zu bringen, wenn dieser zur Neige gehe. Israel hat seit Beginn des Krieges am 7. Oktober keine Treibstofflieferungen in den Gazastreifen zugelassen und auch die Stromversorgung unterbrochen, was UNO-Organisationen wegen der dadurch unzureichenden Grundversorgung kritisierten.

In dem Gespräch mit Reportern in Jordanien sagte Satterfield laut BBC-Bericht: „Das UNRWA (UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, Anm.) hat Zugang zu den Treibstoffdepots im Gazastreifen für Hilfstransporte, Entsalzungsanlagen und Krankenhäuser im Süden des Gazastreifens.“ Die USA gingen davon aus, dass Treibstoff herbeigeschafft werde, wenn die Reserven in Gaza zur Neige gingen, und dass es dafür einen „vereinbarten Mechanismus“ gebe.

Blinken lobt Arbeit von UNRWA

Auch US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich vor einem Treffen mit mehreren arabischen Staaten und einem Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation in Amman gegenüber Medien und lobte die „außergewöhnliche Arbeit“ des UNRWA. Dieses sei ein „Rettungsanker in Gaza“. Es beherbergt nach eigenen Angaben fast 700.000 Menschen in Schulen und weiteren Einrichtungen im Gazastreifen. Seit dem 7. Oktober wurden 72 der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getötet.

Zerstörung nach Luftangriffen in Gaza
Reuters/Mohammed Al-Masri
Israels Militär bekämpft derzeit vor allem im Norden die Einrichtungen der islamistischen Hamas

Israel nennt neues Zeitfenster

Die israelische Armee nannte den Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen am Samstag unterdessen erneut ein Zeitfenster für die Flucht in den Süden des Küstengebiets. Einwohnerinnen und Einwohner hätten von 13.00 bis 16.00 Uhr Ortszeit (12.00 bis 15.00 Uhr MEZ) Zeit, um eine sichere Fluchtroute zu nutzen, schrieb ein israelischer Armeesprecher auf Twitter (X) in arabischer Sprache rund eine Stunde vor Beginn des Zeitfensters. Die Armee veröffentlichte auch eine Karte mit der ausgewiesenen Straße.

Am vergangenen Wochenende hatte das Militär eine neue Phase im Krieg gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas eingeläutet und seine Einsätze auf dem Boden ausgeweitet. Israels Armee hatte die Menschen im Norden bereits mehrfach aufgefordert, in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens zu fliehen. Das haben nach Militärangaben bereits mindestens rund 700.000 Menschen getan. Die Vereinten Nationen sprechen sogar von 1,4 Millionen Binnenflüchtlingen. Insgesamt leben in dem dicht besiedelten Gebiet mehr als 2,2 Millionen Menschen.

Das Militär bekämpft derzeit vor allem im Norden die Einrichtungen der islamistischen Hamas. Doch auch im Süden kam es bereits zu israelischen Luftangriffen. Nach Darstellung der Armee gibt es dort in den für die Zivilbevölkerung ausgewiesenen Gebieten ausschließlich gezielte Attacken auf Führer der Hamas. Der Bereich sei keine „sichere Zone“, aber sichererer „als jeder andere Ort in Gaza“.

Israel meldet wieder Schlag gegen Hamas

Dutzende Hamas-Kämpfer sind laut Israel bei einem weiteren Angriff im Gazastreifen getötet worden. Eine Feuerpause ist für den israelischen Premier Benjamin Netanjahu nicht denkbar, solange die 241 israelischen Geiseln nicht freigelassen werden.

Bericht: Ausreise von verletzten Palästinensern gestoppt

Die Ausreise von verletzten Palästinensern sowie von Ausländern und Palästinensern mit doppelter Staatsbürgerschaft aus dem Gazastreifen wurde unterdessen offensichtlich am Samstag gestoppt. Eine dem ägyptischen Roten Halbmond nahe stehende Quelle bestätigte der dpa, Mitarbeiter des palästinensischen Roten Halbmonds seien von den Behörden angewiesen worden, den Transport verwundeter Palästinenser vorerst einzustellen.

Es müssten zunächst erst sichere Wege für die Durchfahrten von Krankenwagen aus dem Gazastreifen zum Grenzübergang Rafah zu Ägypten geschaffen werden. Auch aus Sicherheitskreisen in Gaza hieß es, dass Ausländer den Gazastreifen nicht verlassen werden, ehe nicht die Verwundeten nach Ägypten gebracht werden können.

Am Freitagabend hatte ein hochrangiger Beamter des Weißen Hauses angekündigt, derzeit würden „ernsthafte Gespräche“ über eine Feuerpause geführt und betonte gleichzeitig, dass es bisher keine Vereinbarung für eine solche gebe. „Wir tun das Möglichste, um sicherzugehen, dass alle Geiseln aller Nationalitäten aus Gaza herauskommen“, betonte der Beamte vor Journalisten und Journalistinnen. In Gesprächen mit der Hamas sei bisher aber noch keine Lösung gefunden worden.

Zerstörung nach Luftangriffen in Gaza
Reuters/Mohammed Salem
Zerstörung nach Luftangriffen in Gaza

Netanjahu: Keine Feuerpause ohne Geiselfreilassung

Bei dem Großangriff auf Israel am 7. Oktober hatte die radikalislamische Hamas nach israelischen Angaben 1.400 Menschen getötet und rund 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hatte zuvor mehrfach erklärt, sie unterstütze keinen Waffenstillstand und forderte stattdessen „humanitäre Pausen“. US-Außenminister Blinken hatte sich zuletzt vergeblich für eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen eingesetzt.

Eine humanitäre Feuerpause mache es möglich, Vorkehrungen zur Erhöhung der Sicherheit der Zivilisten und Zivilistinnen zu treffen und erleichtere Hilfslieferungen, sagte Blinken am Freitag. Es war sein zweiter Israel-Besuch binnen weniger Wochen. Zudem betonte er, der einzige Weg, um dauerhafte Sicherheit in Israel gewährleisten zu können, sei eine Zweistaatenlösung. Diese sieht die Gründung eines palästinensischen Staates vor, der friedlich mit Israel koexistiert.

Israels Regierungschef Netanjahu erklärte hingegen, Israel lehne eine vorübergehende Feuerpause ab, die „nicht eine Freilassung unserer Geiseln beinhaltet“. Israelischen Angaben zufolge befinden sich aktuell 241 Geiseln in den Händen der Hamas. Wie die USA sieht auch Israel eine generelle Waffenruhe kritisch. Ihrer Ansicht nach würde ein Waffenstillstand der dort herrschenden Hamas ermöglichen, sich neu zu organisieren.

Von der israelischen Armee angegriffenen Krankenwagen
Reuters/Anas al-Shareef
Vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt wurde ein Krankenwagen angegriffen

„Dutzende Terroristen“ getötet, Angriff auf Krankenwagen

Israel setzte unterdessen seine Angriffe im Gazastreifen fort. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben bei einem weiteren Bodeneinsatz im Gazastreifen „Dutzende Terroristen“ getötet. Es habe am Vortag zahlreiche Versuche der Hamas gegeben, die israelischen Truppen aus Tunnelschächten und militärischen Einrichtungen im nördlichen Gazastreifen anzugreifen, teilte die Armee am Samstagmorgen mit. Die Soldaten hätten Terroristen getötet, Waffen der Hamas gefunden und Tunnelschächte freigelegt, die für Terrorzwecke genutzt würden.

Israelische Panzer hätten im Norden des Gazastreifens drei Beobachtungsposten der Hamas zerstört und bei Gefechten mit 15 Terroristen mehrere von ihnen getötet, hieß es weiter. In der Nacht habe die israelische Armee zudem im südlichen Gazastreifen eine gezielte Razzia durchgeführt, um Gebäude zu räumen und Sprengsätze zu entschärfen. Während des Einsatzes seien die Truppen auf eine „Terrorzelle“ gestoßen, die aus einem Tunnelschacht gekommen sei. Die Truppen hätten auf die Terroristen gefeuert und sie getötet, hieß es.

Angriff auf Krankenwagen in Gaza

Israel hat einen Angriff auf einen Krankenwagen vor einem Krankenhaus in Gaza-Stadt bestätigt. Die Hamas hätte diesen genutzt, hieß es.

Die israelische Armee bestätigte aber auch einen Luftangriff auf einen Krankenwagen vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, der von einer „Terrorzelle“ der Hamas genutzt worden sei. Laut dem Roten Halbmond handelte es sich um einen Konvoi von fünf Krankenwagen. Die UNO verurteilte den Angriff auf den Krankenwagen scharf. „Ich bin entsetzt“, erklärte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und fügte hinzu, die Bilder der „auf der Straße vor dem Krankenhaus verstreuten Leichen“ seien „herzzerreißend“.

Der Angriff auf den Krankenwagen geschah nach palästinensischen Angaben vor dem Eingang des Al-Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza. 13 Menschen seien dabei getötet, 26 weitere verletzt worden – die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.