US-Außenminister Antony Blinken
Reuters/Alaa Al Sukhni
Israel, Jordanien, Türkei

Blinkens schwierige Nahost-Mission

Bei seinem zweiten Nahost-Besuch seit dem Großangriff der Hamas am 7. Oktober bemüht sich US-Außenminister Antony Blinken in Gesprächen in Israel und mit Vertretern arabischer Staaten, eine weitere Eskalation des Krieges zwischen Israel und der Hamas zu verhindern – eine schwierige Mission. Während Israel eine auch von den USA geforderte humanitäre Feuerpause ablehnt, fordern die Vertreter arabischer Staaten einen sofortigen Waffenstillstand.

Nach dem Treffen mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu am Freitag traf Blinken am Samstag Vertreter arabischer Staaten. Die Außenminister von Jordanien, Saudi-Arabien, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten sowie ein Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) stimmten vor dem Treffen am Samstag in Amman in Jordanien ihre Position zur Eskalation zwischen Israel und der Hamas ab.

Sie forderten gegenüber dem US-Außenminister einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Lieferung humanitärer Hilfen. Die USA setzen sich für eine humanitäre Feuerpause ein, die vom israelischen Premier Netanjahu ohne Befreiung der Geiseln dezidiert abgelehnt wird.

US-Außenminister Antony Blinken bei einer Pressekonferenz mit dem ägyptischen Außenminister Sameh Shoukry und dem stellvertretenden jordanischen Premierminister und Außenminister Ayman Safadi
Reuters/Alaa Al Sukhni
Blinken (rechts), Schukri (links) und Safadi (Mitte) bei der Pressekonferenz nach dem gemeinsamen Treffen in Amman

Blinken ist aber gegen einen Waffenstillstand: „Ein sofortiger Waffenstillstand würde der Hamas lediglich die Möglichkeit geben, sich neu zu formieren und das zu wiederholen, was sie am 7. Oktober getan hat.“ Bei dem Großangriff auf Israel am 7. Oktober hatte die radikalislamische Hamas nach israelischen Angaben 1.400 Menschen getötet und rund 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Arabische Länder: Führende Rolle bei USA

Der jordanische Außenminister Ajman Safadi warf Israel vor, Kriegsverbrechen zu begehen. Blinken bekräftigte erneut „Israels Recht, sich selbst zu verteidigen“. Es sei aber auch wichtig, „wie Israel das tut“. Katar richtete Blinken aus, dass die fortdauernde Bombardierung des Gazastreifens die Bemühungen um die von der Hamas verschleppten Geiseln erschwere. Katar nimmt eine Schlüsselrolle bei den Gesprächen über eine Freilassung der Geiseln ein.

Die Länder des Nahen Ostens haben eine wesentliche Rolle gespielt, um die Ausweitung des Israel-Hamas-Konflikts zu verhindern, sagte Blinken. Doch die arabischen Vertreter wiesen eine allzu große Rolle für sie selbst zurück. Blinken habe eine führende Rolle bei den Bemühungen, den Krieg in Gaza zu beenden, hieß es etwa aus Jordanien.

USA: Einig, dass Status quo mit Hamas nicht bleiben kann

Das sehen auch die Vereinigten Arabischen Emirate so, die zudem einen neuen Ansatz zur Lösung des Konflikts fordern und die führende Rolle der USA in der Region davon abhängig machen. Die israelische Politik der Eindämmung und Eingrenzung des Konflikts mit den Palästinensern der vergangenen zwei Jahrzehnte sei gescheitert.

Blinken wie auch arabische Vertreter sprachen sich für eine Zweistaatenlösung aus. Es habe Einigkeit geherrscht bei dem Treffen, dass nach dem Ende des Gaza-Krieges der Status der Hamas nicht der gleiche wie vor den Kämpfen sein könne, so der US-Außenminister. Der ägyptische Außenminister Sameh Schukri gab er auch zu verstehen, dass eine Diskussion über eine Zukunft des Gazastreifens „verfrüht“ sei.

Nächster Stopp Türkei

Nach Angaben von Blinken ist bei dem Treffen in Amman auch über Wege gesprochen worden, die Hilfslieferungen in den Gazastreifen auszuweiten. Derzeit würden etwa 100 Lastwagen pro Tag die Grenze passieren, das sei zu wenig.

Blinken will am Sonntag in die Türkei weiterreisen, und es sei wahrscheinlich, dass er am Montag mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammentreffen werde. Erdogan folgte am Samstag dem Beispiel Jordaniens und gab bekannt, dass die Türkei den Botschafter in Israel aufgrund der Situation im Gazastreifen abberufen habe.

Aufnahme aus dem südisrealischen Grenzort Sderot zeigen Rauchschwaden über dem Gazastreifen
APA/AFP/Yuri Cortez
Auch am Samstag wurden die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen fortgesetzt

USA: Bis zu 400.000 noch im Norden des Gazastreifens

Am Samstag gewährte die israelische Armee Zivilisten und Zivilistinnen im Gazastreifen erneut ein Zeitfenster für die Flucht in den Süden des Küstengebiets. Nach US-Angaben flohen bereits rund 800.000 Menschen vom Norden in den Süden, bis zu 400.000 Menschen halten sich demzufolge noch immer im Norden auf. Die Vereinten Nationen sprechen sogar von 1,4 Millionen Binnenflüchtlingen. Insgesamt leben in dem dicht besiedelten Gebiet mehr als 2,2 Millionen Menschen.

Das Militär bekämpft derzeit vor allem im Norden die Einrichtungen der islamistischen Hamas. Doch auch im Süden kam es bereits zu israelischen Luftangriffen. Nach Darstellung der Armee gibt es dort in den für die Zivilbevölkerung ausgewiesenen Gebieten ausschließlich gezielte Attacken auf Führer der Hamas. Der Bereich sei keine „sichere Zone“, aber sichererer „als jeder andere Ort in Gaza“.

Israel bestätigt Angriff auf Krankenwagen

Die israelische Armee setzte ihren Bodeneinsatz im Gazastreifen fort. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben bei einem weiteren Bodeneinsatz „Dutzende Terroristen“ getötet. Auch Beobachtungsposten der Hamas seien zerstört worden.

Die israelische Armee bestätigte aber auch einen Luftangriff auf einen Krankenwagen vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, der von einer „Terrorzelle“ der Hamas genutzt worden sei. Laut dem Roten Halbmond handelte es sich um einen Konvoi von fünf Krankenwagen. Die UNO verurteilte den Angriff auf den Krankenwagen scharf. „Ich bin entsetzt“, erklärte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und fügte hinzu, die Bilder der „auf der Straße vor dem Krankenhaus verstreuten Leichen“ seien „herzzerreißend“.

Angriff auf Krankenwagen in Gaza

Israel hat einen Angriff auf einen Krankenwagen vor einem Krankenhaus in Gaza-Stadt bestätigt. Die Hamas hätte diesen genutzt, hieß es.

Der Angriff auf den Krankenwagen geschah nach palästinensischen Angaben vor dem Eingang des Al-Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza. 13 Menschen seien dabei getötet, 26 weitere verletzt worden – die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

UNO: Schule getroffen

Nach Angaben des UNO-Palästinenserhilfswerks wurde am Samstag auch eine Schule im Flüchtlingsviertel Dschablaja getroffen. Diese habe als Unterkunft für Familien auf der Flucht gedient. Es gebe Berichte über 20 Tote durch Angriffe. Der genaue Hintergrund war unklar. Von palästinensischer Seite war die Rede von einem israelischen Angriff.

Das israelische Militär erklärte einer vorläufigen Untersuchung zufolge, die Anlage nicht gezielt angegriffen zu haben. Es sei jedoch möglich, dass eine Explosion auf diesem Gelände Folge eines israelischen Angriffs auf ein anderes Ziel gewesen sei. Die Untersuchung des Vorfalls dauere an.

Bericht: Ausreise von verletzten Palästinensern gestoppt

Die Ausreise von verletzten Palästinensern sowie von Ausländern und Palästinensern mit doppelter Staatsbürgerschaft aus dem Gazastreifen wurde unterdessen offensichtlich am Samstag gestoppt. Eine dem ägyptischen Roten Halbmond nahe stehende Quelle bestätigte der dpa, Mitarbeiter des palästinensischen Roten Halbmonds seien von den Behörden angewiesen worden, den Transport verwundeter Palästinenser vorerst einzustellen.

Es müssten zunächst erst sichere Wege für die Durchfahrten von Krankenwagen aus dem Gazastreifen zum Grenzübergang Rafah zu Ägypten geschaffen werden. Auch aus Sicherheitskreisen in Gaza hieß es, dass Ausländer den Gazastreifen nicht verlassen werden, ehe nicht die Verwundeten nach Ägypten gebracht werden können.