UNO-Chef Antonio Guterres
Reuters/Navesh Chitrakar
Israel vs. Hamas

UNO-Chef erneuert Aufruf zu Waffenruhe

Mitten in den bisher vergeblichen Bemühungen von US-Außenminister Antony Blinken um eine humanitäre Feuerpause im Israel-Hamas-Krieg hat UNO-Chef Antonio Guterres seine Forderung nach einem Waffenstillstand erneuert und zugleich die sofortige Freilassung aller von der Hamas gefassten Geiseln gefordert. Auch die Vertreter der arabischen Länder forderten am Samstag einen sofortigen Waffenstillstand. Am Abend deutete US-Präsident Joe Biden Fortschritte bei Gesprächen für eine humanitäre Feuerpause an.

„Alle, die Einfluss haben, müssen diesen nutzen, um die Einhaltung der Kriegsregeln sicherzustellen, das Leid zu beenden und ein Übergreifen des Konflikts zu verhindern“, schrieb Guterres am Samstag auf Twitter (X). Bereits am Freitag machte er in einer Erklärung auf die dramatische Lage im Gazastreifen aufmerksam. Dort sei es „nirgendwo sicher“.

Es fehle an Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten. Auch der Treibstoff für die Versorgung der Krankenhäuser und Wasserwerke gehe zur Neige. Guterres berichtete von einer Zunahme von Krankheiten und Atemwegserkrankungen vor allem bei Kindern. Der Zivilbevölkerung werde Hilfe verweigert.

Guterres forderte auch die sofortige und bedingungslose Freilassung der in Gaza festgehaltenen Geiseln: „Ich vergesse nicht die Terroranschläge, die die Hamas in Israel verübt hat, und die Tötung, Verstümmelung und Entführung, auch von Frauen und Kindern.“

Hamas stoppt Ausreise aus Gazastreifen

Laut US-Angaben flohen bereits rund 800.000 Menschen vom Norden in den Süden, bis zu 400.000 Menschen halten sich demzufolge noch immer im Norden auf. Die Hamas stoppte indes die Ausreise von Ausländern und Palästinensern mit doppelter Staatsbürgerschaft aus dem Gazastreifen nach Ägypten.

Ausreise für Verletzte gestoppt

Das Ringen um eine Feuerpause und Geiselfreilassung geht weiter – die Hamas hat weiterhin mehr als 240 Geiseln in ihrer Gewalt. Währenddessen ist die Ausreise für Verletzte und Ausländerinnen und Ausländer aus Gaza gestoppt worden.

Grund sei die Weigerung Israels, verletzte Palästinenser in ägyptische Krankenhäuser bringen zu lassen, wie ein Vertreter der Grenzübergangsverwaltung am Samstag der Nachrichtenagentur AFP sagte. „Kein ausländischer Passinhaber darf den Gazastreifen verlassen, bevor die Verletzten, die aus den Krankenhäusern im nördlichen Gazastreifen evakuiert werden müssen, zum Rafah-Terminal transportiert werden können“, sagte der Beamte. Nach US-Angaben hat die Hamas versucht, über den zeitweise geöffneten Grenzübergang Rafah eigene Kämpfer aus dem Gazastreifen auszuschleusen.

Die Öffnung des einzigen nicht von Israel kontrollierten Grenzübergangs am Gazastreifen geht auf eine von Katar in Abstimmung mit den USA vermittelte Vereinbarung zwischen Ägypten, der Hamas und Israel zurück. In den vorherigen Kriegswochen war lediglich Hilfskonvois die Durchfahrt genehmigt worden.

Blinkens Ringen um humanitäre Feuerpause

Um eine weitere Eskalation des Israel-Hamas-Krieges zu verhindern, ist US-Außenminister Blinken derzeit erneut in der Region unterwegs. Seine Bemühungen um eine humanitäre Feuerpause stoßen beim israelischen Premier Benjamin Netanjahu auf Ablehnung, solange die mehr als 240 Geiseln nicht befreit sind. Die Vertreter arabischer Staaten, die Blinken am Samstag in Amman in Jordanien traf, pochen hingegen auf einen sofortigen Waffenstillstand. Biden beantwortete eine Frage von Journalisten, ob es Fortschritte auf dem Weg zu einer humanitären Feuerpause gebe, mit Ja. Weitere Details nannte er aber nicht.

Die USA sind jedenfalls gegen einen Waffenstillstand: „Ein sofortiger Waffenstillstand würde der Hamas lediglich die Möglichkeit geben, sich neu zu formieren und das zu wiederholen, was sie am 7. Oktober getan hat“, argumentierte Blinken in seiner Reaktion auf die Forderung der arabischen Vertreter.

Der jordanische König Abdullah II und Kronprinz Hussein bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in Amman
Reuters/Royal Hashemite Court
Blinken traf am Samstag den jordanischen König Abdullah II. und Kronprinz Hussein in der jordanischen Hauptstadt Amman

Diskussion über Zukunft von Gazastreifen „verfrüht“

Die Außenminister von Jordanien, Saudi-Arabien, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten sowie ein Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) verwiesen auf eine führende Rolle der USA bei den Bemühungen, den Krieg in Gaza zu beenden.

Der jordanische Außenminister Ajman Safadi warf Israel vor, Kriegsverbrechen zu begehen. Blinken bekräftigte erneut „Israels Recht, sich selbst zu verteidigen“. Es sei aber auch wichtig, „wie Israel das tut“. Katar richtete Blinken aus, dass die fortdauernde Bombardierung des Gazastreifens die Bemühungen um die von der Hamas verschleppten Geiseln erschwere. Katar nimmt eine Schlüsselrolle bei den Gesprächen über eine Freilassung der Geiseln ein.

Blinken wie auch arabische Vertreter sprachen sich für eine Zweistaatenlösung aus. Es habe Einigkeit geherrscht bei dem Treffen, dass nach dem Ende des Gaza-Krieges der Status der Hamas nicht der gleiche wie vor den Kämpfen sein könne, so der US-Außenminister. Der ägyptische Außenminister Sameh Schukri gab auch zu verstehen, dass eine Diskussion über eine Zukunft des Gazastreifens „verfrüht“ sei.

Angriff auf Schule und Krankenwagen

Entsetzt zeigte sich Guterres über den Angriff auf einen Krankenwagenkonvoi vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt. Die Bilder seien erschütternd. Ärzte ohne Grenzen sprach von einem „neuen Tiefpunkt in einer endlosen Reihe von skrupelloser Gewalt“, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verurteilte den Angriff. Der israelische UNO-Botschafter Gilad Erdan warf Guterres vor, dass er „völlig die Tatsache ignoriert, dass die Hamas Krankenwagen absichtlich für Terrorziele missbraucht“.

Israel bestätigte einen Luftangriff auf einen Krankenwagen vor dem Al-Schifa-Krankenhaus, der von einer „Terrorzelle“ der Hamas genutzt worden sei. Nach israelischen Angaben wurden bei dem Angriff mehrere Terroristen getötet. Nach palästinensischen Angaben starben bei dem Angriff 13 Menschen, 26 weitere seien verletzt worden. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Angriff auf eine Schule im Flüchtlingsviertel Dschablaja im Gazastreifen
Reuters
Laut israelischen Angaben wurde die Schule im Flüchtlingsviertel Dschabalja nicht gezielt angegriffen

Nach Angaben des UNO-Palästinenserhilfswerks wurde am Samstag auch eine Schule im Flüchtlingsviertel Dschabalja getroffen. Es gebe Berichte über 20 Tote durch Angriffe. Von palästinensischer Seite war die Rede von einem israelischen Angriff. Das israelische Militär erklärte einer vorläufigen Untersuchung zufolge, die Anlage nicht gezielt angegriffen zu haben. Es sei jedoch möglich, dass eine Explosion auf diesem Gelände Folge eines israelischen Angriffs auf ein anderes Ziel gewesen sei. Die Untersuchung des Vorfalls dauere an.

Die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA berichtete am Samstag zudem, bei einem israelischen Angriff auf das Flüchtlingslager al-Maghasi im Gazastreifen seien 51 Menschen gestorben. Unter den Opfern seien viele Frauen und Kinder, hieß es. Der Bericht konnte nicht unabhängig überprüft werden. Ein israelischer Militärsprecher sagte, es werde geprüft, ob die Armee zu dem Zeitpunkt in dem Gebiet im Einsatz war.

BBC: Verstärkte Luftangriffe rund um Al-Kuds-Spital

Auch am Samstag gingen die Kämpfe weiter. Laut BBC gibt es fünf Gebiete, in denen gekämpft werde. Das auffälligste sei im Nordwesten, wo Dutzende von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen von Israel aus entlang der Küste in den Gazastreifen eingedrungen und Richtung Gaza-Stadt vorgedrungen seien. Dem Bericht zufolge haben sich die israelischen Luftangriffe rund um das Al-Kuds-Krankenhaus verstärkt, in dem sich Vertriebene aufhalten sollen.

Der israelische TV-Journalist Nir Dvori berichtete neben israelischen Soldaten am Samstag aus einem weitgehend zerstörten Gebiet in Gaza-Stadt. „Hier auf den Straßen zu gehen, die Straßen in der Stadt Gaza waren, man kann die Zerstörung durch die Bombardierungen sehen, was hier die D9 (Planierraupen, Anm.) gemacht haben, ist einfach unbeschreiblich“, sagte Dvori beim Fernsehsender Channel 12.

Nach Angaben der Hamas vom Samstag werden 60 Geiseln aufgrund der israelischen Luftangriffe vermisst. Knapp zwei Dutzend seien unter Trümmern gefangen. Diese Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar.