Einsatzkräfte am Flughafen von Hamburg
Reuters/Fabian Bimmer
Geiselnahme

Betrieb auf Hamburger Flughafen eingestellt

Dramatische Szenen auf dem Hamburger Flughafen: Am Samstagabend ist ein bewaffneter Mann auf das Vorfeld des Airports eingedrungen. Er hat seine Tochter als Geisel dabei. Tausende Menschen wurden in Sicherheit gebracht, alle Passagiere aus den Maschinen geholt. Die Verhandlungen mit dem Geiselnehmer laufen.

Der Bewaffnete durchbrach nach Angaben der deutschen Bundespolizei am Samstagabend gegen 20.00 Uhr mit einem Auto ein Tor und fuhr auf das Vorfeld des Airports. Dort schoss er in die Luft und warf „eine Art Molotowcocktail“ aus dem Wagen. Der Mann hatte seine vierjährige Tochter im Auto mit – der Geiselnahme war laut Polizei offenbar ein Sorgerechtsstreit mit der Mutter vorausgegangen.

Der Flughafen wurde sofort weiträumig gesperrt, die beiden Terminals geräumt. Alle Passagiere und Passagierinnen in den Flugzeugen wurden aus den Maschinen geholt und in einem nahe gelegenen Flughafenhotel untergebracht. Insgesamt 3.200 Passagiere seien betroffen gewesen, sagte ein Polizeisprecher.

Flugbetrieb eingestellt

Am Sonntag in der Früh gab der Flughafen bekannt, dass der Flugbetrieb wegen der Geiselnahme auf unbestimmte Zeit eingestellt bleibe. „Es kommt zu Flugstreichungen und Verzögerungen über den gesamten Tag“, teilte der Flughafen weiter mit. Die Polizei bitte die Fluggäste, vorerst nicht zum Flughafen anzureisen.

Die Airport-Sprecherin sagte, von der offiziellen Sperre des Flughafens um 20.24 Uhr bis Betriebsschluss um 23.00 Uhr wären normalerweise sechs Starts und 21 Landungen erwartet worden. Für den Sonntag waren ursprünglich insgesamt 286 Flüge mit rund 34.500 Passagieren geplant.

„Beängstigend“, „gruselig“ – so schilderten Passagiere, die aus ihren Maschinen geholt wurden, ihre Eindrücke. Eine junge Frau, die am Samstagabend nach Mallorca fliegen wollte, sagte der dpa: Sie habe ein Feuer gesehen und erst gedacht, das werde schnell wieder gelöscht. Dann habe sie gehört, es gebe einen Amoklauf. Tatsächlich hatte der bewaffnete Mann bei seiner Fahrt auf dem Flughafen Brandflaschen geworfen, die auf dem Vorfeld Feuer auslösten.

Einsatzkräfte am Flughafen von Hamburg
picturedesk.com/Bodo Marks
Der Flughafen wurde geräumt, die Menschen aufgefordert, nicht anzureisen

Kontakt mit Geiselnehmer

Die Hamburger Polizei verhandelte die ganze Nacht auf Türkisch mit dem vermutlich 35-jährigen Mann. „Wir setzen hier auf eine Verhandlungslösung“, hieß es. Das Kind ist nach Einschätzung der Polizei körperlich unversehrt. „Wir gehen im Moment davon aus, dass es dem Kind körperlich gut geht. Das sagt uns der Blickkontakt, den wir im Moment haben, und die Telefonate mit dem Täter, da ist das Kind im Hintergrund zu hören“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün. „Wie es seelisch aussieht, darüber mag ich nicht spekulieren“, so Levgrün.

Geiselnahme auf Hamburger Flughafen

Auf dem Hamburger Flughafen hat ein bewaffneter Mann am Samstag mit seinem Auto ein Tor durchbrochen und auf dem Vorfeld Brandsätze aus dem Wagen geworfen. In dem Fahrzeug befindet sich auch seine vierjährige Tochter.

Ehefrau alarmierte Polizei

Die Ehefrau des Mannes, die sich in Stade bei Hamburg aufgehalten haben soll, hatte sich zuvor wegen möglicher Kindesentziehung bei der Landespolizei gemeldet, wie der Sprecher der Polizei sagte. „Wir gehen derzeit davon aus, dass ein Sorgerechtsstreit Hintergrund des Einsatzes ist“, twitterte die Hamburger Polizei kurz vor Mitternacht.

„Die Mutter möchte natürlich so schnell es geht zu ihrem Kind“, sagte der Leiter des Kriseninterventionsteams des DRK Hamburg, Malte Stüben, am Sonntagmittag. Die Mutter stehe in Kontakt mit dem DRK und befinde sich auch auf dem Flughafen. Wegen der noch laufenden Geiselnahme könne ein direkter Kontakt mit dem Vater derzeit nicht gewährleistet werden. „Das heißt, wir halten die Situation gemeinsam mit der Mutter aus und gucken, was die Mutter jetzt braucht, um das für sie einigermaßen erträglich zu machen“, sagte Stüben. Das könnten ganz banale Dinge wie Essen und Trinken sein, aber auch Gespräche mit einer Psychologin.

Einsatzkräfte am Flughafen von Hamburg
picturedesk.com/Bodo Marks
Auf dem Flughafen wurde ein Großaufgebot der Polizei aufgefahren

Man gehe davon aus, dass der Vater der Mutter das Kind „weggenommen“ und möglicherweise unter Gewalteinwirkung in das Auto gesetzt habe, bevor er nach Hamburg und dort auf das Rollfeld des Flughafens gefahren ist, sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage. Die Polizei hatte kurz vor Mitternacht keine Erkenntnisse, dass jemand verletzt worden ist. Das gelte auch für den Täter und das Kind, das er bei sich habe.

Schon zuvor Sicherheitsvorfälle

Bereits im Oktober war der Hamburger Flughafen gesperrt worden, damals allerdings wegen einer Anschlagsdrohung auf eine Maschine von Teheran nach Hamburg.

Im Juli hatten Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ den Hamburger Flughafen für Stunden lahmgelegt. Der Flugbetrieb musste für mehrere Stunden aus Sicherheitsgründen eingestellt werden. Tausende Passagiere, darunter viele Familien mit Kindern, waren betroffen. Damals hatte es Forderungen nach einer Verstärkung der Sicherheit gegeben.

Der Flughafen Hamburg sah am Sonntag keine Versäumnisse bei der Sicherung des Geländes. Sie entspreche „allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils“, so eine Flughafensprecherin. Dennoch könne bei der Größe des Flughafens – sie entspreche fast 800 Fußballfeldern – nicht ausgeschlossen werden, „dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann“.