Der israelische Premier Benjamin Netanjahu
Reuters/Abis Sultan
Atombombensager

Netanjahu weist Minister in Schranken

Ein Minister der rechts-religiösen israelischen Regierung hat mit einem Interview für Empörung gesorgt. Amichai Elijahu hatte den Einsatz einer Atombombe im Krieg gegen die Hamas als „eine Option“ bezeichnet. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte umgehend und wies den Minister für das Kulturerbe in die Schranken.

Elijahu hatte am Sonntag auf die Frage während eines Interviews mit dem Radiosenders Kol Barama, ob man eine Atombombe auf den Gazastreifen werfen sollte, geantwortet: „Das ist eine der Optionen.“ Im Krieg würden alle einen Preis bezahlen, sagte Elijahu außerdem auf die Frage des Interviewers zum Schicksal der Geiseln im Falle eines Atombombenabwurfs.

Die israelische Regierungsspitze distanzierte sich klar von den Äußerungen des Ministers der rechtsextremen Regierungspartei Otzma Jehudit. Elijahu werde „bis auf Weiteres“ von allen Kabinettssitzungen ausgeschlossen, teilte das Büro von Regierungschef Netanjahu mit. Ob er auch eine Entlassung in Erwägung zieht, war jedoch unklar.

Die Äußerungen des Ministers entsprächen „nicht der Realität“, wurde Netanjahu zitiert. Er betonte, Israel und seine Streitkräfte handelten „im Einklang mit den höchsten Standards des Völkerrechts, um zu vermeiden, dass Unschuldige zu Schaden kommen“. Israel werde „das auch weiterhin tun, bis wir siegen“, so Netanjahu.

Empörung in Israels Regierung

Ein Forum, das die Angehörigen der in den Gazastreifen Verschleppten sowie der Vermissten vertritt, bezeichnete Elijahus Äußerungen als „rücksichtslos und grausam“. Das Forum erklärte, dass nicht nur das Völkerrecht, sondern auch „Prinzipien der menschlichen Moral“ strikt gegen einen Einsatz von „Massenvernichtungswaffen“ sprächen.

Der israelische Premier Benjamin Netanjahu in der Knesset in Jerusalem
Reuters/Ronen Zvulun
Netanjahu betonte, dass Israels Armee „im Einklang mit den höchsten Standards des Völkerrechts“ handeln würde

Auch Verteidigungsminister Joav Galant verurteilte die „haltlosen und unverantwortlichen Äußerungen“ Elijahus. „Gut, dass das nicht die Leute sind, die für Israels Sicherheit zuständig sind“, schrieb er auf Twitter (X). Elijahu ist weder Teil des Sicherheitskabinetts noch des Kriegskabinetts und gilt nicht als einflussreich. Der Oppositionsführer Benni Ganz bezeichnete die Äußerungen als schädlich: „Was schlimmer ist: Sie haben den Schmerz der Familien der Geiseln noch verstärkt.“

Die Arabische Liga erklärte in einer Stellungnahme: „Die rassistischen Äußerungen des israelischen Ministers Elijahu sind entlarvend. Er gibt nicht nur zu, dass sie eine Atomwaffe besitzen, sondern bestätigt auch die Realität der abscheulichen rassistischen Haltung der Israelis gegenüber dem palästinensischen Volk.“ Saudi-Arabien forderte die sofortige Entlassung des Ministers. Das jordanische Außenministerium verurteilte die Äußerungen ebenfalls scharf.

Elijahu will Gazastreifen zurückerobern

Elijahu reagierte auf die Empörung mit der Aussage, seine Äußerung zur Atombombe sei „metaphorisch“ gemeint gewesen. Israel verpflichte sich, „alles in seiner Möglichkeit Stehende zu tun, um die Geiseln heil nach Hause zu bringen“. Gleichzeitig fügte er hinzu: „Eine starke und unverhältnismäßige Antwort auf den Terrorismus ist definitiv erforderlich, die den Nazis und ihren Anhängern klarmacht, dass sich Terrorismus nicht lohnt.“

Elijahu sprach sich während des Interviews auch gegen die Einfuhr humanitärer Hilfe in den Gazastreifen aus. „Wir würden den Nazis auch keine humanitäre Hilfe geben“, sagte er. Es gebe keine unbeteiligten Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen. Elijahu befürwortete eine Wiedereroberung des 2005 geräumten Gebiets und die Rückkehr israelischer Siedlungen. Auf die Frage nach dem Schicksal der palästinensischen Bevölkerung sagte er: „Sie können nach Irland oder in die Wüste gehen, die Monster aus Gaza sollen selbst eine Lösung finden.“

Israel hat den Besitz von Atomwaffen nie offiziell bestätigt. Das Internationale Friedensforschungsinstitut in Stockholm (Sipri) schätzt indes, dass Israel 90 nukleare Sprengköpfe besitzt.

„Terroristen im Nahkampf eliminieren“

Israel setzte unterdessen seinen Krieg gegen die Hamas am Wochenende mit Luftangriffen und dem Vorrücken von Bodentruppen im Gazastreifen fort. Die Streitkräfte seien weiter dabei, „Terroristen im Nahkampf zu eliminieren“ und Hamas-Stellungen aus der Luft anzugreifen, teilte die Armee am Sonntag mit. Die Hamas warf Israel vor, erneut ein Flüchtlingslager bombardiert zu haben, dabei seien 45 Menschen getötet worden.

Flüchtlingslager getroffen

In der Nacht auf Sonntag gab es wieder gegenseitige Angriffe von Israel und der Hamas. Die Hamas meldete erneut israelische Raketen auf ein Flüchtlingslager im Gazastreifen. Die Angaben blieben unbestätigt.

Seit Beginn des israelischen Einsatzes von Bodentruppen im Gazastreifen vor rund zehn Tagen bombardierte Israel nach eigenen Angaben mehr als 2.500 „Terrorziele“ in dem Palästinensergebiet. In der Nacht auf Sonntag sei auch ein „Militärstützpunkt“ der Hamas getroffen worden, gab die Armee bekannt. Israels Verteidigungsminister Joav Galant sprach von „schweren Kämpfen“, Truppen seien auch in Wohngebiete eingedrungen.

Tausende Tote seit Hamas-Angriff

Erklärtes Ziel der israelischen Armee ist es, die Hamas und ihre Stellungen, die teils unterirdisch in einem Tunnelsystem verborgen sind, komplett zu zerstören. Hunderte Kämpfer der Palästinenserorganisation, die den Gazastreifen beherrscht, hatten am 7. Oktober Israel überfallen und Gräueltaten vor allem an Zivilistinnen und Zivilisten verübt. Nach israelischen Angaben wurden bei dem Angriff 1.400 Menschen getötet und mehr als 240 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden seit Beginn der israelischen Bombardierungen des Gazastreifens vor rund einem Monat mehr als 9.770 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet, darunter 4.800 Kinder. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Weitere Hilfsgüter eingetroffen

In Gaza trafen unterdessen weitere 30 Lastwagen mit Hilfsgütern ein. Die Güter seien dort an Teams des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sowie des UNO-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) übergeben worden, teilte der palästinensische Rote Halbmond mit. Zudem habe der ägyptische Rote Halbmond Güter geliefert.

Israelischer Militäreinsatz in Gaza
Reuters/Israel Defense Forces
In den Trümmern von Gaza gibt es laut Israels Armee weiter „schwere Kämpfe“

Das UNO-Welternährungsprogramms (WFP) forderte am Sonntag einen sicheren und erweiterten Zugang für humanitäre Hilfe. Der Bedarf an humanitären Hilfsgütern sei sprunghaft angestiegen, die kritischen Nahrungsmittelvorräte hätten einen gefährlichen Tiefstand erreicht, sagte WFP-Exekutivdirektorin Cindy McCain nach einem Besuch am Grenzübergang Rafah am Sonntag.