Blick von einem Pinienwald auf ein vorbeifliegendes Flugzeug
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Studie

Große Lücke bei nachhaltigem Kerosin

Um die globalen CO2-Emissionen zu reduzieren, braucht es auch im Luftverkehr Alternativen zum sehr klimaschädlichen Kerosin. Abhilfe schaffen sollen dabei Sustainable Aviation Fuels (SAF), also nachhaltige Kraftstoffe, mit denen herkömmliche Flugzeuge betankt werden können. Doch nun könnte ein Versorgungsengpass drohen. Denn einer Studie zufolge braucht die Luftfahrtindustrie schon bis 2030 doppelt so viel SAF, wie derzeit produziert werden kann.

46 Millionen Tonnen an nachhaltigem Kerosin könnte die Branche weltweit bereits 2030 benötigen, um regulatorischen Anforderungen sowie eigenen Zielen auf dem Weg zum Netto-Null-Emissionsziel gerecht zu werden. Beim aktuellen Ausbautempo der dafür notwendigen Infrastruktur und Raffinerien können 2030 nach Berechnungen der International Air Transport Association (IATA) allerdings höchstens 24 Mio. Tonnen SAF produziert werden.

Das entspricht einer Lücke von 22 Mio. Tonnen SAF – also fast 50 Prozent des Bedarfs. Um diese Lücke zu schließen und ihre Klimaziele noch zu erreichen, müsste die Branche einer am Montag veröffentlichten Untersuchung des Beratungsunternehmens PwC zufolge bis 2030 mindestens 100 Milliarden Euro in SAF investieren. Bis 2035 steigt der Investitionsbedarf auf 215 Mrd. Euro an, bis 2050 liegt er bei mehr als 1.000 Mrd. Euro.

Den größten Bedarf stellt dabei die die APAC-Region (Asien-Pazifik). Werden dort unter den aktuellen Gegebenheiten bis 2030 25 Mio. Tonnen benötigt, wären es 2040 bereits 109 und 2050 gar 200 Mio. Tonnen SAF. In der EU wären es bis 2030 sieben, bis 2040 25 und bis 2050 40 Mio. Tonnen.

Ein Flugzeug wird betankt
IMAGO/Markus van Offern
Um den globalen Bedarf an SAF zu decken, müssen der Studie zufolge bis 2030 mindestens 100 Milliarden Euro investiert werden

Biologische und synthetische Kraftstoffe

Mit zwei Prozent im Jahr 2022 hat der Luftverkehr zwar einen relativ geringen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen. Jedoch ist er einer der Sektoren, in denen die Dekarbonisierung am schwierigsten ist.

2022 haben die 184 Mitgliedsstaaten der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) der Vereinten Nationen in einer Erklärung ein globales Ziel verabschiedet, das bis 2050 Netto-Null-CO2-Emissionen im internationalen Luftverkehr vorsieht, um das 1,5-Grad-Temperaturziel des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen von Paris zu unterstützen.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzen viele Airlines auf SAF. Dabei handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für biologische und synthetische Kraftstoffe, mit denen auch herkömmliche Flugzeuge betankt werden können. Damit lassen sich zwischen 66 und 94 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. SAF können beispielsweise aus Bioabfällen und Speiseölresten gewonnen werden, aber auch auf Wasserstoffbasis hergestellt werden.

Verpflichtende Quote in der EU

Benötigt werden solche nachhaltigen Kraftstoffe vor allem auch, um regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Im Rahmen der Gesetzesinitiative „ReFuelEU Aviation“ muss in der EU getankter Flugtreibstoff ab 2025 einen Anteil von zwei Prozent an nachhaltigen Kraftstoffen enthalten, der über die Jahre stetig wächst. Ab 2030 müssen es sechs Prozent sein und ab 2050 70 Prozent. Japan schreibt im Vergleich dazu für 2030 eine Quote von zehn Prozent vor.

Der Studie zufolge müssten außerdem 100 bis 200 SAF-Raffinerien ihren Betrieb bis 2030 aufnehmen, um die Zielvorgaben zu erreichen. „Grünes Kerosin ist aktuell die einzige wirtschaftlich sinnvolle Technologie, um klimafreundlicheres Fliegen zu ermöglichen“, wurde PwC-Partner Simon Treis in einer Mitteilung zitiert. Allerdings hinke die Branche beim Ausbau der Infrastruktur und beim Hochfahren der Produktionskapazitäten hinter den eigenen Ansprüchen und regulatorischen Vorschriften hinterher.

Fabrikbaustelle in Cartagena
Reuters/Jon Nazca
Um die Zielvorgaben zu erreichen, muss die Luftfahrtbranche vor allem in Infrastruktur investieren und Produktionen ankurbeln

Die auf dem globalen Markt verfügbare SAF-Menge ist aktuell äußerst gering. Nur rund 0,1 Prozent des weltweit benötigten Treibstoffbedarfs der Branche können derzeit mit SAF abgedeckt werden. Weltweit gab es 2022 nach aktuellen Angaben der IATA nur rund 240.000 Tonnen SAF bei einem Gesamttreibstoffbedarf der Branche von 254 Mio. Tonnen Kerosin.

AUA will zukünftig mehr auf SAF setzen

Bei der AUA und beim Mutterkonzern Lufthansa Group soll SAF in Zukunft verstärkt zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen, wie Anna Pachinger, die bei der AUA für Nachhaltigkeitsthemen zuständig ist, auf ORF.at-Anfrage mitteilte. Das aktuell verfügbare und von der Lufthansa Group eingesetzte SAF wird aus biogenen Reststoffen, beispielsweise aus gebrauchten Speiseölen, hergestellt.

2022 hat die AUA zudem erstmals lokal produziertes SAF der OMV auf dem Flughafen Wien-Schwechat eingesetzt. Insgesamt haben die Airlines der Lufthansa Group 2022 rund 13.000 Tonnen SAF eingesetzt, was 0,2 Prozent des gesamten Treibstoffbedarfs (7,6 Mio. Tonnen) ausgemacht hat. Bis 2030 will man diese Zahl auf bis zu eine Million Tonnen erhöhen.

„Die größten Herausforderungen liegen aktuell in Preis und Verfügbarkeit von SAF“, so Pachinger. Aktuell zahle man für SAF aus biogenen Reststoffen drei- bis fünfmal so viel wie für herkömmlichen Treibstoff. Zudem sieht sie eine „drohende Wettbewerbsverzerrung“ durch ungleiche Belastungen für EU-Airlines im Vergleich zu Nicht-EU-Fluggesellschaften. Hier bedarf es einer „gezielten Förderstrategie der Politik, um die Mengen für die SAF-Beimischungsquoten und darüber hinaus erfüllen zu können“.

Emissionen nach Pandemie wieder im Steigen

Wie wichtig nachhaltige Alternativen sind, zeigt auch ein Blick auf die seit dem Pandemieende gestiegenen CO2-Emissionen im globalen Flugverkehr. Diese stiegen bis 2022 auf fast 80 Prozent ihres Höchststands vor der CoV-Pandemie im Jahr 2019.

Nachdem die direkten CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe von 1990 bis 2019 um durchschnittlich 2,3 Prozent pro Jahr zugenommen hatten, sanken sie vor dem Hintergrund der Pandemie von mehr als 1.000 Mio. Tonnen CO2 im Jahr 2019 auf weniger als 600 Mio. Tonnen CO2 im Jahr 2020.

Als sich die Nachfrage von Fluggästen 2022 erholte, stiegen die Emissionen in allen Regionen mit Ausnahme von China (wegen der Null-Covid-Politik) und Russland (wegen der Invasion in der Ukraine) wieder auf fast 800 Mio. Tonnen CO2 an.

Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass 2025 das Niveau von 2019 übertroffen wird, was allerdings dem Netto-Null-CO2-Emissionziel widersprechen würde, die steigenden Emissionen bis 2030 unter 1.000 Mio. Tonnen CO2 zu senken.