Ein Asylbewerber auf einer Bank
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Deutschland

Kompromiss bei Asylpaket erzielt

Die Einigung auf ein Asylpaket in Deutschland ist nach monatelangem Streit und stundenlangen Verhandlungen zwischen Ländern und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Nacht auf Dienstag gelungen. Neu festgelegt wurde die Verteilung der Flüchtlingskosten. Es sind Leistungseinschränkungen für Asylwerber geplant. Zudem will Deutschland weiter an Kontrollen an mehreren Landesgrenzen, darunter auch zu Österreich, festhalten.

Betroffen sind auch die Grenzen zur Schweiz, zu Tschechien und Polen. „Diese Binnengrenzkontrollen werden aufrechterhalten“, hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. Die Kontrollen gegen Schleuserkriminalität sollten eigentlich Mitte November auslaufen.

Deutschland verzeichnet derzeit einen starken Anstieg bei Asylanträgen. Allein bis September dieses Jahres wurden nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Deutschland 233.744 Erstanträge auf Asyl gestellt und somit deutlich mehr als im gesamten Vorjahr. Zudem hat Deutschland mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, die kein Asyl beantragen müssen. Es brauche „klare und zielgerichtete Maßnahmen gegen unkontrollierte Zuwanderung“, so die deutsche Regierung.

Asylverfahren außerhalb der EU prüfen

Scholz sprach nach der Einigung von einem „historischen Moment“. Sicher war eine Einigung nicht. Die CDU/CSU-geführten Länder waren unerwartet mit mehr Forderungen zur Begrenzung von Migration vorgeprescht. Nun soll auch geprüft werden, ob Asylverfahren außerhalb der EU möglich sind. Das hatten von der Union geführte Länder gefordert – auch das grün regierte Bundesland Baden-Württemberg war auf diese Position eingeschwenkt.

Deutscher Kanzler Olaf Scholz
Reuters/Liesa Johannssen
Scholz verhandelte stundenlang mit den Vertretern der Länder

Eigentlich war Scholz dem aus juristischen Bedenken skeptisch gegenübergestanden, änderte aber offenbar während des Bund-Länder-Treffens seine Meinung. Schon die „Ampelkoalition“ aus SPD, Grünen und FDP sieht in ihrem Koalitionsvertrag eine Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten „in Ausnahmefällen“ vor. Medienberichten zufolge ist diese Prüfung noch nicht abgeschlossen.

Migrationsabkommen für Abschiebungen

Offen ist weiterhin, welche Transit- oder Drittstaaten für die Prüfung des Schutzstatus von Geflüchteten infrage kommen. Die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention sollen in jedem Fall geachtet werden, sieht das Beschlusspapier nach der Bund-Länder-Einigung vor.

Die Weigerung vieler Herkunftsländer, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen, sei „eine der größten Hürden“ für mehr Abschiebungen abgelehnter Asylwerber, heißt es in dem Beschluss. Ziel müsse deshalb sein, mit solchen Ländern Migrationsabkommen zu schließen. Anreiz sollen dabei Angebote zur legalen Einwanderung von Arbeits- und Fachkräften sein.

Entgegen den Plänen der Regierung, den Familiennachzug auszuweiten, kommt es dazu nun nicht. Allerdings ist in dem Beschlusspapier auch nicht von Einschränkungen die Rede, die von den Ländern gefordert worden waren.

Leistungen sollen gekürzt werden

Die größten Auseinandersetzungen gab es über die Finanzierung. Länder und Kommunen hatten einen höheren Anteil des Bundes für die Asylkosten gefordert. Geworden ist es ein Kompromiss. Zu den für 2024 zugesagten 1,25 Milliarden Euro stimmte Scholz einer zusätzlichen Summe von 7.500 Euro pro Asylwerber zu – gefordert worden waren 10.500 Euro. Mit steigenden Zahlen von Geflüchteten gibt es daher auch mehr Geld. Dieses „atmende“ System hatten die Länder gefordert.

Deutschland verschärft Migrationspolitik

Die Einigung auf ein Asylpaket in Deutschland ist nach monatelangem Streit und stundenlangen Verhandlungen zwischen Ländern und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Nacht auf Dienstag gelungen. Neu festgelegt wurde die Verteilung der Flüchtlingskosten. Es sind Leistungseinschränkungen für Asylwerber geplant. Zudem will Deutschland weiter an Kontrollen an mehreren Landesgrenzen, darunter auch zu Österreich, festhalten.

Zugleich sollen Leistungen gekürzt werden. Bisher erhalten Asylwerber nach 18 Monaten Leistungen, die der Höhe der regulären Sozialhilfe entsprechen, künftig soll das erst nach drei Jahren erfolgen. In den ersten Monaten haben Asylwerber Anspruch auf eine Unterkunft, Nahrung, Kleidung sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgüter und eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung. Auch Barauszahlungen an Asylwerber sollen mit einer Bezahlkarte stärker eingeschränkt werden.

Asylverfahren beschleunigen

In jedem Fall sollen Asylverfahren beschleunigt werden. Die erste Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge soll innerhalb von sechs Monaten erfolgen, eine erstinstanzliche Gerichtsentscheidung innerhalb weiterer sechs Monate. Entscheidungen und Verfahren bei Asylwerbern aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent sollen jeweils innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden.

Vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels setzt Deutschland für diejenigen, die bereits da sind und eine gesicherte Bleibeperspektive haben, auf einen schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt. Zudem soll die Möglichkeit, Asylwerber für gemeinnützige Arbeiten einzusetzen, „in breiterem Maße genutzt werden“.

Einigung für CDU nicht ausreichend

„Es ist ein kleiner Schritt“, bewertete CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die Bund-Länder-Vereinbarung als unzureichend, um die illegale Migration nach Deutschland einzudämmen. „Das ist alles zu weich.“ Asylwerber sollten erst dann auf die Kommunen verteilt werden, wenn ein Bleiberecht bestehe. Die CSU fordert eine Flüchtlingsobergrenze von 100.000 Menschen. Die AfD sprach von „fast panikhaften Versuchen“ von Union und SPD, sich bei der Migration auf öffentlicher Bühne zu einigen. Das sei den Wahlerfolgen der AfD geschuldet.

„Großer Schritt“ für Grüne, Grüne Jugend kritisch

Die Grünen sehen in der Einigung für die Kommunen einen „großen Schritt nach vorne“. Es gebe nun „deutlich mehr Planungssicherheit und deutlich mehr Geld“, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour im ARD-„Morgenmagazin“. Die Ergebnisse legten „wichtige Grundlagen“, so Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Die Grüne Jugend übte allerdings Kritik an der Einigung: „Die vorgesehenen Asylrechtsverschärfungen sind eine Katastrophe und reihen sich in den migrationspolitischen Rechtsruck ein.“

Zufrieden zeigte sich die FDP vor allem in Bezug auf die Finanzierung der Migrationskosten. Die geplante Einschränkung der Leistungen für Asylwerber könne zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro führen, so Finanzminister Christian Lindner (FDP).