Straße mit Tempo 30
ORF/Viviane Koth
KFV-Messungen

70 Prozent zu schnell in Tempo-30-Zonen

Viele Gemeinden wollen Tempo 30, zumindest in besonders schutzwürdigen Bereichen wie vor Schulen. Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) fahren aber mehr als 70 Prozent aller Pkw-Lenkerinnen und -Lenker in Tempo-30-Zonen zu schnell. Das KFV fordert trotzdem möglichst breitflächig ein 30-km/h-Tempolimit im Ortsgebiet. Das Kuratorium schlägt dafür eine „Regelumkehr“ vor.

Neben den offiziellen Geschwindigkeitsmessungen durch die Polizei prüft auch das KFV, ob die Tempolimits eingehalten werden. 23 Millionen derartige Messungen mittels Seitenradargeräten seien es pro Jahr, hieß am Dienstag in einer Aussendung. Bei den eigenen Messungen ergab sich, dass 72 Prozent der Pkws in Tempo-30-Zonen zu schnell unterwegs waren – in Wien sind es sogar 74 Prozent – mehr dazu in wien.ORF.at.

Laut KFV wurden im Jahr 2022 in Österreich 6,12 Millionen Geschwindigkeitsüberschreitungen angezeigt bzw. als Organstrafverfügungen geahndet – ein neuer Rekord.

Laut KFV aber langsamer Rückgang

Jedoch legen die KFV-Geschwindigkeitsmessungen an insgesamt 230 Messstellen eine verbesserte Verkehrsdisziplin der Bevölkerung nahe: „Seit Beginn unserer Erhebungen im Jahr 1984 ist die Anzahl der freifahrenden Pkws, die die jeweiligen Tempolimits von 30 km/h, 50 km/h und 70 km/h überschreiten, zwar langsam, aber stetig gesunken“, konstatierte Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV, zu den primär im Ortsgebiet und auf herkömmlichen Freilandstraßen durchgeführten Messungen.

Dort gibt es auch die mit Abstand meisten Verkehrsunfälle: 2022 ereigneten sich rund 65 Prozent aller Verkehrsunfälle mit Toten oder Verletzten im Ortsgebiet, 30 Prozent auf sonstigen Freilandstraßen, die restlichen fünf Prozent auf Autobahnen.

KFV für Regelumkehr

„Eine sehr effektive Maßnahme zur Reduktion der Unfallrisiken wäre aus Sicht des KFV eine Regelumkehr im Ortsgebiet. Das bedeutet: 30 km/h als generelles Tempolimit im Ortsgebiet, und nur, wenn es die Verkehrssicherheit zulässt, kann die zulässige Höchstgeschwindigkeit von den zuständigen Behörden auf 50 km/h erhöht werden“, schlug Robatsch daher vor.

Ebenso tritt das KFV dafür ein, Geschwindigkeitsüberschreitungen in das Vormerksystem zu nehmen und den Führerschein bereits bei geringeren Überschreitungen als bisher zu entziehen. Derzeit sei das im Ortsgebiet erst dann der Fall, wenn man um 40 km/h zu schnell fährt. In Tempo-30-Zonen werde der Führerschein also derzeit erst ab 70 km/h entzogen, hieß es vom KFV.

Mehrheit für erleichterte Einführung

Im August hatte eine Umfrage im Auftrag der Zeitschrift „profil“ ergeben, dass 57 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher für eine leichtere Einführung von Tempo 30 sind. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte der ÖVP davor einen Gesetzesvorschlag übermittelt. Laut diesem soll der Gemeinderat in „besonders sensiblen Zonen“, also etwa in der Nähe von Kindergärten und Pflegeeinrichtungen, künftig selbst Tempo 30 festlegen können.

Auch im restlichen Ortsgebiet soll die Einführung nach Wunsch von Gewessler deutlich leichter werden. Die Frage „Sollten Gemeinden leichter eigenständig – also ohne Genehmigungsverfahren – 30-km/h-Tempolimits im Ortsgebiet einführen können?“, beantworteten 57 Prozent mit „Ja, auf jeden Fall“ (26 Prozent) oder „Eher ja“ (31 Prozent).

Ebenfalls abgefragt wurde das Wahlverhalten. Nur unter FPÖ-Wählerinnen und -Wählern gab es eine Mehrheit gegen die Pläne, am deutlichsten sprachen sich Grünen-Wähler dafür aus, berichtete das „profil“.

Forderung von Städtebund und vielen Gemeinden

Davor hatte eine gemeinsame Initiative des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ), des Städtebundes und von mehr als 200 Gemeinden und Städten genau das gefordert. Sie hatte beklagt, dass derzeit die Straßenverkehrsordnung (StVO) Gemeinden und Städte behindere, „wenn sie im Sinne der Verkehrssicherheit und örtlichen Lebensqualität Tempo 30 umsetzen möchten“. Laut der Initiative wurde im Vorjahr in Österreich im Schnitt alle 20 Minuten ein Mensch bei einem Verkehrsunfall im Ortsgebiet verletzt.