Signa-Logo auf einem Baukran neben der „Lamarr“-Baustelle in Wien
ORF/Christian Öser
Insolvenzgefahr

Benkos Signa im Sog der Ungewissheit

Die schlechten Nachrichten für die Signa-Gruppe rund um Firmengründer Rene Benko reißen nicht ab, ebenso wenig die Unsicherheiten, wie es mit dem Immobilienkonzern weitergehen soll. Benko stellt Bedingungen für seinen von Investoren geforderten Rückzug, die Verhandlungen ziehen sich. Die US-Ratingagentur Fitch hat unterdessen die Bonitätsnote für eine der Signa-Beteiligungsfirmen auf „hochriskant“ herabgestuft. Und in Deutschland wächst die Unruhe nach dem Baustopp des prestigeträchtigen Elbtowers in Hamburg.

Seit Beginn dieser Woche reicht es für die Signa Development AG, eine von vier Immobilienbeteiligungsfirmen Benkos, bei Fitch nur noch für die Bonitätsnote „CCC“ („substantial risks“). Das bedeutet, dass „nur bei günstiger Entwicklung keine Ausfälle zu erwarten“ sind. Zuvor hatte es noch für ein „B-“ gereicht. Als Begründung für die Herabstufung nannte die Ratingagentur die Zahlen aus dem Zwischenbericht des Unternehmens per 30. Juni 2023. Darin gab das Unternehmen bekannt, dass „es vor Herausforderungen steht, auch im Hinblick auf seine Liquiditätslage“.

Der Schwesterkonzern Signa Prime Selection erlitt bereits 2022 einen Milliardenverlust, weil im Bau befindliche Immobilien abgewertet werden mussten. Beim Hamburger Elbtower und anderen Projekten kam es inzwischen zu einem Baustopp. Zudem strich Signa laut „Handelsblatt“ Finanzzusagen für einige seiner Internetstores in der Beteiligungssparte Signa Retail, was unter anderem bei der Tochter Tennis-Point zu einem Insolvenzantrag führte.

Zukunft des Signa-Konzerns unklar

Die Zukunft der schlingernden Signa-Gruppe rund um Firmengründer Rene Benko steht derzeit in den Sternen. Der von Signa-Holding-Mitgesellschafter Hans Peter Haselsteiner am Freitag angekündigte Rückzug von Benko ist weiterhin offen. Investoren und Gesellschafter beraten, wie viel Kapital nötig ist, um das Unternehmen zu stabilisieren. Wie hoch der Schuldenstand genau ist, ist unklar.

Gefahr der „gegenseitigen Kontaminierung“

Zwar besitze die von Fitch nunmehr als hochriskant eingestufte Signa Development mit einem Anlagevermögen von rund drei Milliarden Euro nicht den gleichen Umfang an Projekten wie die Signa Prime Selection, die auf rund 20 Mrd. Euro komme. Doch „unbezahlte Lieferanten und Bankfinanzierer“ könnten die Signa-Gesellschaften „gegenseitig kontaminieren und stören“, warnte die Ratingagentur. Sie sieht ein „Risiko“, dass Signa Development eigene Finanzmittel an andere Teile der Signa-Gruppe weitergeleitet hat.

Grafik zur Signa-Holding
Grafik: APA/ORF; Quelle: Unternehmen/Handelsblatt

Am Konzern Signa Development sei laut einer Liste von Mitte Juli 2023 nicht allein Benkos Signa Holding beteiligt, sondern auch weitere prominente Firmen und Unternehmer, schrieb das „Handelsblatt“. Aktionäre waren zu diesem Zeitpunkt unter anderem die Familienprivatstiftung des österreichischen Industriellen und Ex-STRABAG-Chefs Haselsteiner, Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, die Union Investment, die RAG-Stiftung, Roland Berger und Ex-Metro-Chef Erwin Conradi.

Haselsteiner war es auch, der am Freitag im Ö1-Mittagsjournal erklärt hatte, dass Benko – wie von einigen Signa-Mitgesellschaftern schriftlich gefordert – bereit sei, seine Stimmrechte an den deutschen Sanierungsexperten Arndt Geiwitz zu übertragen und diesen als Generalbevollmächtigten einzusetzen. „Er (Benko, Anm.) möchte nur von seiner Seite her wissen, ob die Gesellschafter mit einer solchen weitgehenden Lösung auch bereit wären, einen Beitrag zu leisten zur Sanierung der Gruppe“, sagte Haselsteiner.

Uneinigkeit über Benkos Bedingungen

An diesen Bedingungen dürfte es sich nun spießen. Aufseiten der Signa-Investoren gäbe es noch keine Übereinkunft über ein gemeinsames Vorgehen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. So sollen einige Investoren wie der deutsche Unternehmensberater Roland Berger und Fressnapf-Gründer Torsten Toeller eine Verkaufsoption für ihre Anteile haben und sich nun auszahlen lassen wollen. Inwieweit das derzeit überhaupt möglich ist, ist jedoch unklar. Laut Medienberichten soll der Kapitalbedarf bis Jahresende bis zu 400 Mio. Euro betragen.

Wendelin Wiedeking
APA/AFP/Thomas Kienzle
Wendelin Wiedeking zog bereits 2016 die Reißleine bei Signa – nun nannte er den Grund

Einer der bekanntesten Aktionäre der Signa-Gruppe war Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking – doch das ist schon länger her. Wie er dem „Handelsblatt“ am Dienstag sagte, habe er bisher über seinen Ausstieg bei Gruppe geschwiegen, nun nenne er „einen brisanten Grund“. „Ich bin 2016 bei Signa als Aktionär ausgeschieden, weil die Zahlen, die mir vorgelegt wurden, nicht mit dem übereinstimmten, was uns Benko in den Sitzungen vorgetragen hat.“ Nach Angaben von Wiedeking gegenüber dem „Handelsblatt“ habe er Benko direkt auf die widersprüchlichen Zahlen angesprochen. „Er konnte das auch nicht erklären“, sagte Wiedeking.

Unterdessen wächst auch in Deutschland die Unruhe wegen des bröckelnden Signa-Imperiums. Nicht nur der Baustopp des prestigeträchtigen Elbtowers in Hamburg wirft Fragen auf, auch in Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt und München sind Signa-Projekte am Wackeln. Auch in Wien errichtet Signa derzeit einige große Immobilienprojekte. Einen Baustopp gibt es derzeit nicht – mehr dazu in wien.ORF.at.

Grafik zeigt ausgewählte Standorte von Signa-Gebäuden
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Deutschland drängt auf Antworten

Die Stadt Hamburg, deren Bausenatorin bereits mit dem Abriss des Elbtowers gedroht hat, drängt Signa zur Eile, wie das Ö1-Mittagsjournal am Dienstag berichtete. Das Hochhaus am östlichen Rand der Hamburger HafenCity, einem der größten europäischen Stadtentwicklungsprojekte, soll mit 65 Etagen und 245 Meter Höhe das dritthöchste Hochhaus Deutschlands werden. Am 27. Oktober wurden die Bauarbeiten allerdings bei hundert Meter Höhe vorerst eingestellt.

Andreas Kleinau, Geschäftsführer der HafenCity, sagte gegenüber Ö1: „Meine Erwartungshaltung ist, dass Signa zu den Verträgen steht, genauso wie die Freie Hansestadt Hamburg zu diesen Verträgen steht, und damit unverzüglich weiterbaut.“ Auch in Düsseldorf, wo der Umbau des Traditionskaufhauses Carsch stockt, ruft Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) nach Tempo: „Jetzt versuchen wir, von der Signa zu erfahren, wie genau der Sachstand ist und wann es weitergehen kann. Das fordern wir auch dringend ein, denn das ist eine hochsensible Baustelle bei uns im Stadtgebiet.“

Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Gerrit Heinemann warnte aber davor, sich Hoffnungen auf eine rasche Lösung zu machen. Gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal sagte er: „Wenn es zu einer Insolvenz kommen sollte, dann kann das sehr lange dauern, weil das ein sehr großes Firmengeflecht ist und die Gefahr besteht, dass diese Bauprojekte vielleicht sogar mehrere Jahre stillstehen. Und das Stadtbild verschandeln. Das ist ein Desaster.“