SPÖ-Parteichef Andreas Babler
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SPÖ-Parteitag

Erste Feuerprobe für Babler

SPÖ-Parteichef Andreas Babler muss sich nach dem holprigen letzten Parteitag im Mai erstmals alleine vor den rund 600 Parteidelegierten beweisen. Nach 158 Tagen im Amt stehen auf dem Parteitag am Samstag und Sonntag in der Grazer Messe Babler, sein Team und Programmatisches zur Abstimmung. Die SPÖ hofft auf Geschlossenheit, doch Anlass für neue Kontroversen gibt es einige.

Am Samstagvormittag erfolgte der Auftakt zum zweitägigen Parteitag, am ersten Tag steht der Parteichef selbst zur Debatte. Nachdem sich Babler im Mai erst im Nachspiel gegen Kontrahenten Hans Peter Doskozil für die Spitze der SPÖ durchgesetzt hatte, werden nun erneut alle Augen auf das Ergebnis gerichtet sein.

Babler müsste wohl ein besseres Ergebnis schaffen, als es seiner Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner bei deren letzten Antreten 2021 gelungen ist – das waren 75,3 Prozent. Interessant wird, wie die Kandidaten aus Wien bzw. dem Burgenland bei der Wahl zu Präsidium und Vorstand abschneiden. Beiden Lagern könnten empfindliche Streichungen drohen.

Grafik zeigt alle SPÖ-Vorsitzenden seit 1945
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Dissens mit Wien und Eisenstadt

Die Landesparteichefs Michael Ludwig und neuerlich Doskozil treten gleich gar nicht an – Ludwigs Rückzug aus dem Parteipräsidium hatte vor Kurzem für Aufsehen gesorgt und erneut Spekulationen über ein Zerwürfnis mit Babler angeheizt.

Doskozil wiederum machte seine Ankündigung, nicht mehr öffentlich gegen die Partei auszuteilen, nicht wahr. Jüngster Anlass war die Listenerstellung der SPÖ für die anstehende EU-Wahl 2024. Denn Doskozils bevorzugter Kandidat, Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos, erhielt dabei nur den siebenten Listenplatz, der wenig Erfolgsaussicht hat. Doskozil zieh die SPÖ, es mangle an Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Den Parteitag lässt Doskozil nun komplett aus und widmet sich Veranstaltungen zum burgenländischen Landesfeiertag.

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler im Rahmen eines außerordentlichen Bundesparteitages der SPÖ in Linz
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Die Freundschaft hielt nicht lange. Nach dem Abstimmungsdesaster gab es Burgfrieden. Nun herrschen wieder Dissonanzen vor.

Ludwig hatte sich gegen Bablers Pläne für eine Statutenänderung gestellt. Nach Bablers Ansicht soll es einen neuen Modus zur Wahl der Parteispitze geben: Die Basis soll abstimmen, sollten sich mehr als ein Kandidat oder eine Kandidatin für das Amt bewerben. Auch die Möglichkeit einer Abwahl über die Mitglieder während einer laufenden Amtsperiode soll es geben.

Arbeitszeit, Millionärssteuer und Mittagessen

Programm und Forderungen für den Parteitag umfassen 320 Seiten, sie reichen von einer Verkürzung der Arbeitszeit über eine sechste Urlaubswoche für alle bis hin zu einem Antiteuerungspaket.

Interview mit SPÖ-Chef Babler

Wenige Tage vor dem Bundesparteitag wächst in der SPÖ die Nervosität. SPÖ-Chef Andreas Babler nimmt zur Stimmung in der Partei Stellung und zieht Bilanz über seine bisherigen Erfolge und Misserfolge als Parteivorsitzender.

Überraschend ist, dass die SPÖ im ersten der insgesamt zwölf Leitanträge beim Prestigeprojekt Arbeitszeitverkürzung auf eine konkrete Forderung nach einer 32-Stunden-Woche verzichtet. Stattdessen wirbt sie nun für einen Pilotversuch, die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu senken. Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder verwies auf erfolgreiche Versuche etwa in Irland und Großbritannien. Unternehmen sollen zunächst freiwillig mitmachen und finanziell und organisatorisch unterstützt werden.

Sandra Breiteneder (SPÖ), SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler und Klaus Seltenheim (SPÖ)
APA/Helmut Fohringer
Babler mit seiner Bundesgeschäftsführung, bestehend aus Klaus Seltenheim und Sandra Breiteneder

Ein weitere Forderung ist die Jobgarantie – ein von der öffentlichen Hand gefördertes Beschäftigungsmodell für ältere Arbeitslose und für benachteiligte Menschen. Dazu kommen die Forderungen im Gesundheits- und Pflegebereich. Medizinstudienplätze sollen bei Bevorzugung jener, die sich danach verpflichten, dem öffentlichen Gesundheitssystem zur Verfügung zu stehen, verdoppelt werden. Zur Bekämpfung der Teuerung fordert die SPÖ zudem, „leistbares“ Leben in der Verfassung zu verankern – das stieß selbst innerhalb der Partei nicht ungeteilt auf Gegenliebe.

Weitere Punkte betreffen die Forderungen nach Millionärs- und Erbschaftssteuer, die die SPÖ nun schon seit Wochen auch mit Plakaten bewirbt. Zudem wird ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz ab dem ersten Lebensjahr gefordert, ein warmes, gesundes und kostenloses Mittagessen in allen Bildungseinrichtungen, die Einführung einer Kindergrundsicherung, ein Verbot von Privatjets und die Wiedereinführung der abschlagsfreien „Hacklerregelung“.

Eher klein gehalten ist die Flüchtlingsfrage, die in das Europakapitel integriert ist. Unter anderem spricht sich die SPÖ für legale Fluchtwege in die EU aus. Das Kaiser/Doskozil-Papier mit Aufnahmezentren an den EU-Außengrenzen behält seine Gültigkeit.

Nahost-Haltung zwischen Kreisky, Vranitzky und SJ

Gestreift wurde bei einem Pressegespräch am Mittwoch in Wien auch die Eskalation im Nahen Osten. Bablers künftige Stellvertreterin Julia Herr skizzierte die Linie der SPÖ einerseits in der Tradition Franz Vranitzkys mit dem Selbstbestimmungsrecht Israels, andererseits in jener Bruno Kreiskys, der immer wieder auf das Leiden der Palästinenser hingewiesen habe. Zuletzt lieferten die Parteijugendorganisationen in Wien-Alsergrund sowie Vorarlberg Anlass zur Kritik.

Die Sozialistische Jugend (SJ) Vorarlberg teilte ein Statement der laut Eigendefinition marxistischen Strömung „Der Funke“ mit dem Titel „Nieder mit der Heuchelei – für die Verteidigung von Gaza“. Die SJ Alsergrund ist Mitglied beim „Funken“ und nahm an einer Demonstration der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ teil. Vorarlbergs SPÖ-Landesparteivorstand beschloss, ein Schiedsgericht einzusetzen, das Konsequenzen bis hin zum Parteiausschluss der Vorarlberger SJ-Vorsitzenden und ihres Landessekretärs prüfen soll. Ähnliches droht auch der Führung der SJ Alsergrund.

Kleingärten als Elefant im Raum

Der Sonntag steht dann im Zeichen der EU-Wahl. Abgesegnet wird dabei die Kandidatenliste, die Andreas Schieder und Evelyn Regner anführen.

Vorschau auf SPÖ-Parteitag

Vor dem SPÖ-Bundesparteitag am Samstag in Graz ist die Spannung bei den Sozialdemokraten groß. SPÖ-Chef Andreas Babler wird sich der Wahl der Basis stellen. Stimmungsbarometer war die Bundeskonferenz der SPÖ-Frauen am Freitag.

Über Listen, Anträge und Köpfe werden rund 600 Delegierte sowie 400 Gäste in der Grazer Messe abstimmen. Ob auch die Causa Kleingärten Thema sein werden, bleibt abzuwarten. Durch Umwidmungen von Parzellen und die folgende Wertsteigerung sollen SPÖ-Funktionärinnen und -Funktionäre profitiert haben. Die SPÖ Wien sah nach einer internen Prüfung keine Verstöße, der Ärger aber war auch an der Basis spürbar. Babler versprach hier Aufarbeitung und Transparenz: „Es muss alles auf den Tisch gelegt werden.“

Daran erinnerte Babler auch zuletzt wieder die ÖVP, die die Grabenkämpfe in der SPÖ prolongiert sah. „Andreas Babler treibt seine Partei in die politische Bedeutungslosigkeit“, so ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker etwa mit Verweis auf die unterschiedlichen Linien Doskozils und Bablers in Sachen Migration.

Die FPÖ kritisierte Babler für seine Haltung in der Migrationsfrage. FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte Doskozil zudem auf, dort einen Antrag auf Ausschluss von Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer aus der SPÖ zu stellen, sei dieser doch Aufsichtsratschef diverser Signa-Gesellschaften von Rene Benko.