Frau mit Aktenordner in Werkstatt
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Arbeiten im Pensionsalter

Koalition einigt sich auf Anreize

Um Anreize für längeres Arbeiten zu schaffen, will die Koalition aus ÖVP und Grünen an mehreren Schrauben drehen. So soll sowohl das Arbeiten neben der Pension attraktiver werden als auch die reguläre Arbeit über das Pensionsalter hinaus. Die entsprechenden Pläne kündigte ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Dienstag gemeinsam mit ÖVP-Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec an.

Die Gesellschaft in Österreich wird zunehmend älter – das hat auch Folgen für den heimischen Arbeitsmarkt. Als ein Mittel, um auf die veränderte Demografie zu reagieren, gilt es, Menschen länger auf dem Arbeitsmarkt zu halten. Die Koalitionsparteien ÖVP und Grüne einigten sich dafür auf mehrere finanzielle Anreize, die noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden sollen.

Das betrifft einmal Menschen, die zusätzlich zu ihrer Pension weiterarbeiten. Laut ÖVP-Klubobmann Wöginger soll für sie der Dienstnehmeranteil der Pensionsversicherungsbeiträge bis zur doppelten Geringfügigkeitsgrenze entfallen. Das entspricht nach derzeitigem Stand etwa 1.000 Euro Zuverdienst, für den die Beiträge entfallen. Auf ein Jahr gerechnet würden sich arbeitende Pensionisten damit rund 1.200 Euro an Beiträgen ersparen, so Wöginger. Die Maßnahme soll vorerst auf zwei Jahre beschränkt werden und 2025 umfassend evaluiert werden.

Klubobmann der ÖVP August Wöginger und Bundesvorsitzende im Österreichischen Seniorenbund Ingrid Korosec
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Wöginger stellte mit Korosec die Pläne vor, auf die sich die Koalitionsparteien geeinigt haben

Zugleich wird der Bonus für jene Personen, die nach Erreichen des gesetzlichen Antrittsalters nicht in Pension gehen und weiterarbeiten, von 4,2 Prozent auf 5,1 Prozent pro Jahr erhöht. Nachdem der Malus für einen vorzeitigen Pensionsantritt bereits auf 5,1 Prozent erhöht worden sei, werde nun mit der Anhebung der Zuschläge für einen späteren Antritt das Bonus-Malus-System ausgeglichen. „Länger arbeiten zahlt sich aus“, so der ÖVP-Klubobmann.

Härtefallregel für Korridorpensionen

Eine Härtefallregel soll außerdem harte Konsequenzen bei einer geringen Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze bei Erwerbstätigkeit neben der Korridorpension verhindern. Zudem will die Regierung eine verbesserte Information von Personen vor ihrem Pensionsantritt gesetzlich verankern.

Einigung auf Anreize für längeres Arbeiten

Die Bundesregierung hat sich auf Anreize für längeres Arbeiten auch in der Pension geeinigt. Das soll das Pensionssystem entlasten – angedacht ist etwa, die Abgaben zu senken.

Parallel dazu will die Regierung weiter an der Attraktivierung der Vollzeitarbeit arbeiten. So soll es künftig für Teilzeitbeschäftigte einen Rechtsanspruch auf eine rechtzeitige Information geben, wenn im Betrieb Vollzeitstellen ausgeschrieben werden. Wenn das nicht geschieht und daher keine Bewerbung auf die Vollzeitstelle möglich ist, sollen die Arbeitnehmer Schadenersatz in Höhe von 100 Euro geltend machen können.

Initiativanträge noch für November angekündigt

Die Initiativanträge der Regierungsparteien sollen laut Wöginger noch im November in den Nationalrat eingebracht werden und wenn möglich noch vor dem Jahreswechsel beschlossen werden. Eine Summe, wie hoch die entgangenen Beiträgen für die Pensionsversicherung sein werden, wollte er nicht nennen. „Es ist sichergestellt, dass die Mindereinnahmen durch Steuergelder ersetzt werden“, so Wöginger. Es würden derzeit Gespräche zwischen Finanzministerium und Sozialministerium laufen.

Seniorenbund und Pensionistenverband uneins

ÖVP-Seniorensprecherin Korosec sprach von „einem guten Tag für Pensionistinnen und Pensionisten“. Die Maßnahmen seien „ein erster Schritt, aber ein wichtiger Schritt“. Das Fallen der Pensionsversicherungsbeiträge sei eine Win-win-Situation sowohl für die Pensionisten als auch für den Arbeitsmarkt, auf dem die Fachkräfte fehlen, so Korosec.

Weniger begeistert zeigte sich dagegen der SPÖ-nahe Pensionistenverband. Präsident Peter Kostelka begrüßte zwar die Erhöhung des Bonus für einen späteren Pensionsantritt und die Härtefallregelung, kritisierte aber die Streichung der Pensionsbeiträge als „maximal zweitbeste“ Lösung. Wesentlich einfacher gewesen wären Steuerfreibeträge, die sich an der Höhe der geleisteten Sozialversicherungsbeiträge orientieren, so Kostelka in einer Aussendung.

Ministerien loben „ersten Schritt“

Positiv äußerte sich freilich das von Johannes Rauch (Grüne) geführte Sozialministerium. Die Maßnahmen seien ein Schritt, um das Arbeiten während der Pension und über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus attraktiver zu gestalten. „Die Übernahme der Dienstnehmerbeiträge durch den Bund gewährleistet, dass es hierbei zu keinen Verdrängungseffekten kommt und die Pensionsversicherung nicht nachhaltig belastet wird“, wurde zugleich in einer der APA übermittelten Stellungnahme betont.

Durch die verbesserten Informationen würden Versicherte besser über die Höhe ihrer Pension und die finanziellen Vorteile eines längeren Arbeitens aufgeklärt werden. Das wirke sich auch positiv auf das faktische Pensionsantrittsalter aus. Klar sei aber, dass es zusätzlich bessere Erwerbschancen für Frauen, Maßnahmen für Langzeitarbeitslose sowie Verbesserungen der Gesundheitsvorsorge brauche.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher sprach von „einem wichtigen ersten Schritt“. Um der demografischen Entwicklung bei gleichzeitigem Mehrbedarf an Arbeitskräften entgegenzuwirken, brauche es neben qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland vor allem auch die bestmögliche Nutzung des inländischen Potenzials. Dazu müsse das gesunde Arbeiten bis zum Erreichen des Regelpensionsalters und – für alle, die das wollen – auch darüber hinaus bestmöglich erleichtert werden, so Kocher.

Opposition bemängelt „kosmetische Maßnahmen“

Kritik kam dagegen von der Opposition. Es sei nicht zu erwarten, dass die Menschen dadurch tatsächlich länger im Erwerbsleben gehalten würden, meinte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Aussendung und forderte „echte Anreize“ und „keine teuren, kosmetischen Maßnahmen“. Konkret fordert NEOS eine deutliche Steuersenkung sowie eine echte Teil- beziehungsweise Flexipension nach schwedischem Vorbild.

Auch die FPÖ sprach von einer „Augenauswischerei“ und verlangte klar spürbare Steuererleichterungen. „Alles andere ist keine Motivation, länger arbeiten zu wollen. Wenn allerorts vom ‚Fachkräftemangel‘ gesprochen wird, muss es wohl dem Staat was wert sein, wenn über Jahrzehnte angesammeltes Wissen im Beruf weiter zur Verfügung steht“, so die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.

Die SPÖ warnte, dass die Maßnahmen lediglich zu einer Mehrklassengesellschaft auf dem Arbeitsmarkt führen werde, wo Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die noch nicht in Pension sind, teurer werden als Ältere. Vielmehr müssten die Berufsbedingungen so gestaltet werden, dass Menschen länger arbeiten können, um so das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche anzugleichen, so SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch.

IV vermisst strukturelle Reformen

Auch die Industriellenvereinigung (IV) beurteilte die Maßnahmen kritisch. Das Paket lasse „notwendige Schritte wie auch strukturelle Reformen für Anreize zur Mehrarbeit vermissen“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung.

Die Anhebung des Bonus sowie die Streichung des Dienstnehmeranteils der Pensionsversicherungsbeiträge für arbeitende Pensionistinnen und Pensionisten seien zwar „grundsätzlich positiv, aber erscheinen unzureichend, um das Ziel zu erreichen: arbeiten im Alter bzw. längeres Arbeiten tatsächlich zu attraktiveren“. Klar negativ beurteilte die IV „die Einführung neuer Strafsanktionen für Betriebe“.

AK: Unternehmen stärker in Pflicht nehmen

Arbeiterkammer (AK) und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) erklärten, sie würden natürlich Maßnahmen begrüßen, um Menschen eine gute Absicherung im Alter zu sichern. „Doch der heute präsentierte Maßnahmenkatalog zum Zuverdienst in der Pension hilft nur denjenigen, die gesund in den Ruhestand kommen“, so Ines Stilling, AK-Bereichsleiterin für Soziales. Auch Unternehmen müssten stärker in die Pflicht genommen werden, um einen längeren und gesunden Verbleib im Job auch tatsächlich zu ermöglichen.