Rettungswagen warten an der Grenze
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Gazastreifen

Internationales Ringen um Hilfe für Zivilisten

Der Mittwoch hat im Gazastreifen eine neue große Fluchtbewegung in Gang gebracht. Weitere Zehntausende Menschen flohen vom Norden in den Süden des Gazastreifens. Die israelische Armee sprach davon, dass die Terrororganisation Hamas „die Kontrolle im Norden verloren“ habe. Doch auch im Süden ist die humanitäre Lage äußerst prekär. Hilfsgüter kommen nur langsam an – trotz verstärkter internationaler Bemühungen.

Wenn derzeit Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangen, dann nur über den Grenzübergang Rafah. Am Mittwoch war laut US-Angaben der Übergang, der Ägypten mit dem Gazastreifen verbindet, erneut geschlossen worden. Ausschlaggebend dafür seien Sicherheitsgründe, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums, ohne Details zu nennen. Die USA, Ägypten und Israel arbeiteten aber daran, den Übergang wieder zu öffnen.

Über Rafah konnten zuletzt zum einen ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus dem Gazastreifen ausreisen. Zum anderen wurden über den Übergang Hilfslieferungen in den Gazastreifen gebracht. So konnte etwa ein von WHO und dem UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) organisierter Konvoi mit medizinischen Gütern in den Küstenstreifen fahren. Er soll laut Angaben von WHO und UNRWA am Mittwoch das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt erreicht haben.

Gaza: Tausende fliehen Richtung Süden

Tausende weitere palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten sind am Mittwoch aus dem heftig umkämpften Norden des Gazastreifens in Richtung Süden geflohen. Während die israelische Armee nach eigenen Angaben ihren Bodeneinsatz weiter vorantrieb, wurden die internationalen Rufe nach temporären Feuerpausen lauter. Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, war am Mittwoch am Grenzübergang Rafah von Ägypten nach Gaza.

Heftige Kämpfe im Norden

Das Krankenhaus hatte sich zuletzt zu einem der Brennpunkte des Krieges entwickelt. Laut dem israelischen Militär befindet sich die Hauptkommandozentrale der Hamas in und unter dem Krankenhauskomplex. Israel beschuldigt die Terrororganisation, Patienten und medizinisches Personal als ziviles Schutzschild zu missbrauche. Die Hamas und das Krankenhauspersonal bestreiten diese Behauptung. Noch immer sollen dort Tausende Menschen Schutz suchen.

Das Al Schifa Krankenhaus in Gaza-Stadt
Reuters
Das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt entwickelte sich zuletzt zu einem der Brennpunkte des Krieges

Gaza-Stadt ist derzeit Ort besonders heftiger Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der Terrororganisation Hamas. Laut der israelischen Armee ist Gaza-Stadt seit Tagen eingekesselt. Die israelischen Streitkräfte würden auch bereits „im Herzen von Gaza-Stadt“ operieren, so der israelische Verteidigungsminister Joav Galant. Erklärtes Ziel Israels ist die Zerschlagung der Hamas, die am 7. Oktober einen Terrorangriff auf Israel ausgeführt hatte. Ungefähr 1.400 Menschen wurden dabei getötet, mehr als 240 Menschen wurden in den Gazastreifen entführt. Die meisten der Opfer waren Zivilisten.

Palästinenserinnen und Palästinenser fliehen vom Norden Gazas in den Süden
AP/Hatem Moussa
Tausende Menschen flohen allein am Mittwoch – oftmals zu Fuß – in den Süden des Gazastreifens

Die israelische Armee reagierte mit fortlaufenden Luftschlägen, seit vergangener Woche ist auch eine Bodenoffensive in vollem Gang. Insgesamt sollen seit Kriegsbeginn laut Angaben des israelischen Militärs mehr als 14.000 Ziele angegriffen worden sein. Dabei seien über 4.000 Waffen zerstört worden. Viele seien in Moscheen, Kindergärten und Wohngebieten versteckt gewesen. Die israelische Armee sieht darin einen "Beweis für den zynischen Missbrauch von Zivilisten als menschliche Schutzschilde durch die Hamas“.

Laut Militärangaben ist mittlerweile eine ganze Division von Reservisten an der Bodenoffensive beteiligt. Es sei das erste Mal seit dem Libanon-Krieg 1982, dass eine so große Einheit – eine Division umfasst gewöhnlich mindestens 10.000 Soldaten – im Einsatz sei. Die 252. Division, die seit Samstag im Norden des Gazastreifens agiere, umfasse vier Infanteriebrigaden und eine Panzerbrigade. Außer der Division seien noch weitere Truppen beteiligt.

Die Armee gab am Mittwoch erneut ein Zeitfenster bis zum frühen Nachmittag an, um Menschen die Durchfahrt auf einer Verbindungsstraße Richtung Süden zu ermöglichen. Am Abend stellte ein Armeesprecher weitere örtlich begrenzte Feuerpausen als Fluchtfenster in Aussicht.

Verstärkter Ruf nach Feuerpausen

Auf mehr will sich die israelische Regierung derzeit aber nicht einlassen, wenngleich der internationale Druck für längere Feuerpausen zuletzt erneut stärker wurde. So verurteilten am Mittwoch die G-7-Außenminister zum Abschluss ihres Treffens in Tokio erneut „unmissverständlich die Terroranschläge der Hamas“ vom 7. Oktober. Und sie betonten das Recht Israels, sich „im Einklang mit dem Völkerrecht zu verteidigen“.

Zugleich forderten sie aber „humanitäre Pausen“. Solche Pausen sowie „Korridore“ seien nötig, um die Lieferung von Hilfsgütern und eine Geiselfreilassung zu ermöglichen, hieß es in dem Abschlussdokument des Treffens. Auch bei einem Telefonat von US-Präsident Joe Biden mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei es um „taktische Pausen“ aus humanitären Gründen und Geiselbefreiungen gegangen, hieß es am Mittwoch von US-Seite.

Wie am Donnerstag aus informierten Kreisen verlautete, laufen derzeit Verhandlungen unter Vermittlung Katars und in Absprache mit den USA, bei denen die Freilassung von zehn bis 15 Geiseln im Gegenzug für eine 48 bis 72 Stunden lange „humanitäre Pause“ ermöglicht werden könnte.

Italien schickt Marineschiff mit Krankenhaus

Israel hat im Mittelmeer auch eine Seeblockade um den Gazastreifen eingerichtet. Dennoch wollen mehrere Länder auch über diesen Weg Hilfe in den Gazastreifen bringen. So kündigte Italien am Mittwoch an, das italienische Marineschiff „Vulcano“ vor die Küste Gazas zu schicken. Das Schiff ist mit einem Krankenhaus und Operationssälen ausgerüstet und soll Verwundete aus dem Gazastreifen aufnehmen.

Italien schickt Marineschiff

Das Marineschiff „Vulcano“ ist laut dem italienischen Verteidigungsminister auf dem Weg vor die Küste Gazas. Es soll Verletzte aus dem Gazastreifen aufnehmen.

Zugleich solle ein Feldlazarett im Einvernehmen mit den Palästinensern direkt nach Gaza geschickt werden, erklärte der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto aus den Reihen der Regierungspartei Fratelli d’Italia.

Auch die Niederlande kündigten an, ein Marineschiff in den östlichen Teil des Mittelmeers zu schicken. Auch dieses Schiff soll für humanitäre Hilfe im Gazastreifen eingesetzt werden. Das teilte Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren in Den Haag mit. Zypern bemüht sich ebenfalls um die Einrichtung eines internationalen Korridors für Hilfsgüter über das Meer.

Hilfskonferenz in Frankreich

Frankreich wiederum organisiert am Donnerstag eine internationale Hilfskonferenz, um humanitäre Unterstützung für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu mobilisieren. Bei dem Treffen mit Vertretern von Staaten und Hilfsorganisationen geht es nach Angaben des Elysee-Palastes darum, sich für die Einhaltung internationalen Rechts in dem Küstenstreifen und einen verstärkten humanitären Zugang einzusetzen.

Hilfe in den Bereichen Wasser, Gesundheit, Energie und Ernährung soll die Menschen erreichen können. Auf der Konferenz werden neue Finanzzusagen für die Unterstützung der Bevölkerung in Gaza erwartet, Frankreich stellte diese bereits in Aussicht.

Zu dem Treffen unter Leitung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron werden unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel, der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammed Schtajjeh, sowie der zypriotische Präsident Nikos Christodoulidis erwartet. Für China wird der Sondergesandte für den Nahen Osten, Zhai Jun, zu dem Treffen kommen. China wolle sich für eine Feuerpause, einen Waffenstillstand und eine Zweistaatenlösung stark machen, hieß es in Peking.