Novemberpogrome: Auftakt zu Gedenken mit Kranzniederlegung

Zum 85. Mal jährt sich heute die Nacht auf den 10. November 1938, als Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und Juden und Jüdinnen misshandelt worden sind.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP)
ORF

Die vorangegangene Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung durch das NS-Regime schlug in offenen Terror, systematische Verfolgung und Vertreibung um. Zum Auftakt des Gedenktags legten
Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) an der Schoah-Namensmauern-Gedenkstätte in Wien-Alsergrund einen Kranz nieder.

Van der Bellen: „Niemals wieder“ aktueller denn je

Die vergangenen Tage und Wochen hätten gezeigt, dass der Grundsatz „Niemals wieder“ aktueller sei denn je, so Van der Bellen auf Twitter (X). „Wir sind alle gefordert, ihn mit Inhalt zu füllen. (…) Wenn Österreich das ‚Niemals wieder‘ ernst meint, muss es das zeigen. Nicht irgendwann, sondern jetzt.“

Nehammer bezeichnete auf Twitter (X) den Kampf gegen Antisemitismus als „gemeinsame Aufgabe und Verantwortung“: „‚Nie wieder‘" ist jetzt.“ Kogler mahnte, das „dunkelste Kapitel unserer Geschichte“ dürfe nie vergessen werden.

SPÖ-Chef Babler bei Kranzniederlegung

Auch andere Regierungsmitglieder, darunter Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), waren dabei, ebenso Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und SPÖ-Chef Andreas Babler.

Babler bezeichnete in einer Aussendung das Gedenken an die Novemberpogrome, das heuer im Schatten des großangelegten Hamas-Angriffs auf Israel steht, als Auftrag für die Sozialdemokratie, gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus und Hass einzutreten. „Wir stehen gemeinsam und solidarisch mit Israel und mit allen Jüdinnen und Juden gegen den Terror und gegen jeden Antisemitismus.“ Die Zunahme antisemitischer Vorfälle sei alarmierend.

Blimlinger erinnert an antisemitische Grundstimmung

Als Basis für die „brandschatzenden, gewalttätigen Gruppen“ habe die antisemitische Grundstimmung in Österreich gedient, erinnerte Eva Blimlinger (Grüne), Sprecherin für Vergangenheitspolitik, an diese Nacht vor 85 Jahren.

„So wichtig das Gedenken an das Novemberpogrom ist, so notwendig ist ein aktives Vorgehen in der Gegenwart gegen jede Art von Antisemitismus in all seinen Formen“, sagte Blimlinger.

NEOS: „Müssen wehrhaft sein“

Erschüttert vom vorhandenen antisemitischen Potenzial zeigte sich auch Kardinal Christoph Schönborn: „Als Christen können wir dazu nicht schweigen. Wir stehen ganz klar auf der Seite unserer jüdischen Mitmenschen. Die Achtung der Menschenwürde ist unteilbar“ – mehr dazu in religion.ORF.at.

„Wir müssen wehrhaft sein“, forderte NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger, „entschlossen und geschlossen überall dort, wo unsere Art und Weise zu leben angegriffen wird.“ Die eigene Vergangenheit lehre eine „fundamentale Verantwortung, für die Sicherheit, Freiheit und Unversehrtheit von Jüdinnen und Juden weltweit einzustehen“, so Meinl-Reisinger.

Zeitzeuge spricht im Parlament

Auch im Parlament wird der Novemberpogrome gedacht. Der 95-jährige Holocaust-Überlebende Benno Kern ist eingeladen, von den damaligen Geschehnissen sprechen. Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, wird eine Rede halten.

Die Jugend der IKG veranstaltet am Abend einen Gedenkmarsch „Light of Hope“ („Licht der Hoffnung“). Das Gedenken und Einstehen gegen Antisemitismus sei nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel notwendiger denn je.

Antisemitismus, der nicht „importiert“ ist

Das Gedenken an die Novemberpogrome kann als Anlass dienen, an jene Form des Antisemitismus zu erinnern, die nicht „importiert“ ist. Denn obwohl es statistisch signifikanten muslimischen und linken Antisemitismus gibt, ist über die Jahre die Mehrzahl der gemeldeten Vorfälle rechtsextrem motiviert. Ein junger ehemaliger Rechtsextremist erzählt im Topos-Interview, wie er als Jugendlicher in die Szene gerutscht ist.

Mehr dazu in topos.ORF.at