Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez (PSOE)
APA/AFP/Thomas Coex
Spaniens Koalitionspoker

Sanchez’ Einigung mit Separatisten steht

Spanien bekommt aller Voraussicht nach eine neue Regierung unter Beteiligung der katalanischen Separatisten. Die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sanchez einigte sich am Donnerstag mit der Separatistenpartei Junts per Catalunya auf ein entsprechendes Übereinkommen. Ein entscheidender Teil der Vereinbarung hatte schon im Vorfeld für große Aufregung gesorgt.

Nicht in Spanien, sondern in der belgischen Hauptstadt Brüssel trat der hohe PSOE-Funktionär und Unterhändler Santos Cerdan am Donnerstag vor die Presse und verkündete die Einigung mit der katalanischen Junts. Der Ort kam nicht von ungefähr. Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont war vor sechs Jahren nach Belgien geflohen. Er wollte damit nach einem gescheiterten Abspaltungsversuch Kataloniens der Verfolgung durch die spanischen Behörden entgehen.

In Zukunft wird Puigdemont nun wohl wieder unbehelligt nach Spanien zurückkehren können. Teil der Vereinbarung zwischen PSOE und Junts ist eine Amnestie für zahlreiche – womöglich sogar Tausende – katalanische Separatisten, die 2017 in die versuchte Abspaltung der Region verwickelt waren. Führungspolitiker der Junts und andere katalanische Aktivisten waren von der spanischen Justiz angeklagt und teils zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Junts sicherte Sanchez nun im Gegenzug die Unterstützung bei der Bildung einer neuen Regierung zu.

PSOE-Funktionär und Unterhändler Santos Cerdan
Reuters/Yves Herman
PSOE-Unterhändler Cerdan verkündete am Donnerstag die Einigung mit Junts

Puigdemont will über neues Referendum verhandeln

Das Amnestiegesetz, das die Rückkehr von Puigdemont nach Spanien möglich machen würde, soll im spanischen Parlament verabschiedet werden, sobald Sanchez dort als Regierungschef gewählt ist. Das könnte schon nächste Woche der Fall sein. Cerdan sagte in Brüssel, die Vereinbarung sei nicht nur ein Abkommen, um die Regierung einzusetzen. „Das ist eine Vereinbarung für die Legislatur von vier Jahren“, so der Sozialdemokrat.

Puigdemont kündigte am Donnerstag bereits an, wieder über eine neue Volksabstimmung zur Unabhängigkeit Kataloniens verhandeln zu wollen. „Unsere Unterstützung für den Haushalt und die wichtigsten Gesetze der Sozialdemokraten wird von ständigen Verhandlungen abhängen, die zu Ergebnissen führen müssen“, sagte der im Exil lebende Politiker.

Entscheidender Schritt zu neuer Sanchez-Regierung

Der Weg von Sanchez für eine weitere Amtszeit als spanischer Ministerpräsident scheint mit der Vereinbarung weitgehend geebnet. Der Sozialdemokrat, der seit 2018 an der Spitze Spaniens steht, braucht zwar noch die Unterstützung einer kleinen baskischen Partei – der Nationalpartei des Baskenlands (PNV), mit der noch verhandelt wird.

Anders als bisher mit Junts gilt hier ein Abkommen aber als eher unproblematisch. Es wird nun erwartet, dass Unterhauspräsidentin Francina Armengol (PSOE) die Abstimmung im Unterhaus über Sanchez als Regierungschef für nächste Woche ansetzt.

Heftiger Widerstand gegen Amnestiepläne

Die Einigung für eine Regierungsbeteiligung von Junts dürfte Sanchez’ politische Arbeit allerdings kaum leichter machen. EU-Justizkommissar Didier Reynders bat bereits am Mittwoch die spanische geschäftsführende Regierung um Informationen zu dem Vorhaben. Er sprach von „ernsthafter Sorgen“, die hinsichtlich der geplanten Amnestie geäußert worden seien. Die EU stand bei der Auseinandersetzung zwischen Madrid und Barcelona im Jahr 2017 nicht aufseiten der Katalanen. In Brüssel war befürchtet worden, dass es zu weitere Separationsbestrebungen in anderen Ländern kommen könnte.

Das Amnestiegesetz ist in Spanien höchst umstritten und löste bereits heftige Proteste unter anderem in der Hauptstadt Madrid aus. Für Sonntag hat Oppositionsführer Alberto Nunez Feijoo von der konservativen Volkspartei PP zu landesweiten Protesten aufgerufen. Er bezeichnete die Amnestiepläne als „größten Anschlag auf den Rechtsstaat“, andere PP-Vertreter sprachen von einer „Demütigung“ der Spanierinnen und Spanier.

Proteste in Madrid
Reuters/Susana Vera
In Spanien demonstrierten in den vergangene Tagen Zehntausende gegen die Amnestiepläne

Die Sprecherin der rechtspopulistischen Vox in Madrid, Rocio Monasterio, warf Sanchez am Donnerstag gar einen „Staatsstreich“ vor. Anhänger und Politiker von Vox veranstalten seit Tagen Protestkundgebungen vor den Parteizentralen der Sozialdemokraten. Dabei war es in Madrid auch zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen.

Wahl ergab keine klaren Verhältnisse

Der bisherige Regierungschef Sanchez war mit der Regierungsbildung beauftragt worden, nachdem der Konservative Alberto Nunez Feijoo damit gescheitert war. Die Wahl im Juli hatte zu unklaren Mehrheitsverhältnissen im spanischen Parlament geführt. Die konservative PP wurde zwar stärkste Kraft, konnte aber nicht genug Unterstützer für eine Regierungsmehrheit finden.

Auch für Sanchez gestaltete sich die Mehrheitsfindung in der Folge schwierig. Sicher war dem Sozialdemokraten zunächst nur die Unterstützung des linksgerichteten Bündnisses Sumar, für eine Regierungsbildung benötigt er jedoch auch die Unterstützung der sieben Abgeordneten von Puigdemonts Unabhängigkeitsbefürwortern. Die sind ihm nun sicher – und eine Neuwahl im Jänner scheint erst einmal vom Tisch. Eine solche würde nötig werden, wenn bis zum 27. November keine Regierungsmehrheit im Parlament gefunden würde.