Ungarisches Parlamentsgebäude in Budapest
Getty Images/Wei Fang
EU-Beitritt

Ungarn lehnt Gespräche mit Ukraine ab

Die ungarische Regierung lehnt Verhandlungen zum Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union ab. Das erklärte der ungarische Kanzleiminister Gergely Gulyas am Donnerstag in Budapest. Die Ukraine erfülle die notwendigen Bedingungen für Verhandlungen nicht, sagte Gulyas. Das habe sie weder vor dem Krieg noch bis heute getan, so der Minister.

Ungarn biete der Ukraine zwar eine besondere Partnerschaft an, sehe jedoch keine Möglichkeit für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen. Die Europäische Union benötige eine neue Ukraine-Strategie, sagte der Minister hinsichtlich der Unterstützung der Ukraine. Die ungarische Regierung lehne die gemeinsame Kreditaufnahme auch weiterhin ab, wobei es einer anderen Lösung bedürfe, forderte Gulyas.

Die EU-Kommission hatte am Mittwoch in Brüssel ihre Erweiterungsberichte zu den Kandidatenländern vorgelegt. Sie empfahl den Start von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine sowie Moldawien. Die EU-Staats- und Regierungsspitzen müssen der Aufnahme von Verhandlungen noch zustimmen.

Der ungarische Premierminister Viktor Orban und der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj
Reuters/Ukrainian Presidential Press Service
Ungarns Premier Viktor Orban und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj: Budapest will Partnerschaft statt Beitritt

Weiter Streit über EU-Gelder

Bezüglich der von der EU-Kommission aufgrund von Rechtsstaatlichkeitsbedenken zurückgehaltenen Gelder für Ungarn sagte Gulyas, Brüssel versuche Budapest „erfolglos zu erpressen“. Er behauptete auch, dass die EU die Finanzmittel für Ungarn wegen eines möglichen EU-Beitritts der Ukraine zurückhalte.

Im Streit mit Ungarn um Verstöße gegen Rechtsstaatsprinzipien hält die EU-Kommission sämtliche Gelder aus dem EU-Kohäsionsfonds für das osteuropäische Land zurück. Insgesamt wurden im Dezember 2022 rund 22 Milliarden Euro eingefroren. Die EU-Kommission hatte Ungarn einen Katalog von Anforderungen geschickt, die es im Streit über Rechtsstaatsprinzipien erfüllen muss, bevor die EU-Gelder fließen können.

Von der Leyen: „Historischer Tag“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei der Veröffentlichung des Fortschrittsberichts von einem „historischen Tag“ gesprochen. Darin wird erfasst, wie weit die Ukraine bei der Umsetzung von sieben Reformauflagen gekommen ist. Vier dieser Auflagen erfüllt die Ukraine dem Bericht zufolge bereits.

Ursula von der Leyen (Präsidentin der Europäischen Kommission) und Oliver Varhelyi (Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik) bei einer Pressekonferenz in Brüssel
Reuters/Yves Herman
Von der Leyen und der aus Ungarn stammende Erweiterungskommissar Oliver Varhely legten den Fortschrittsbericht vor

Die EU verlangt von der Ukraine unter anderem eine stärkere Korruptionsbekämpfung, die Einhaltung von Standards im Kampf gegen Geldwäsche und ein Gesetz gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen. Zudem geht es beispielsweise um Medienfreiheit und den Schutz von nationalen Minderheiten.

Selenskyj begrüßt Entscheidung

Der ukrainische Präsident Selenskyj begrüßte die Empfehlung der Kommission. „Das ist ein starker und historischer Schritt, der den Weg für eine stärkere EU mit der Ukraine als Mitglied ebnet“, schrieb er auf Twitter (X). Die Ukraine werde den Reformpfad weitergehen.

Die Zustimmung der Staats- und Regierungsspitzen der EU-Staaten könnte damit wie von der Regierung in Kiew erhofft auf dem EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember erfolgen. Sollte die Ukraine bei den Reformen nicht vorankommen, riskiert sie, dass es Vetos gibt. Alle relevanten Entscheidungen zum Beitrittsprozess erfordern Einstimmigkeit unter den EU-Staaten. Der nächste Schritt wäre dann die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen.

Noch weiter Weg

Kiew und Brüssel wollen den mehr als 40 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern nach eigenen Angaben zeigen, dass sie eine Perspektive haben, EU-Bürgerinnen und -Bürger zu werden. „Sie kämpfen nicht nur für Ihre eigene Freiheit, Demokratie und Zukunft, sondern auch für unsere“, sagte von der Leyen jüngst an die Adresse der ukrainischen Bevölkerung gerichtet.

Robert Zikmund und Christian Wehrschütz über die Beitrittsverhandlungen

Robert Zikmund und Christian Wehrschütz sprechen über die geplanten Beitrittsverhandlungen der EU mit der Ukraine.

Es gilt aber als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor Kriegsende EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand von anderen EU-Staaten einfordern – die EU wäre offiziell Kriegspartei.

In der Warteschleife

Wie lange der Beitrittsprozess dauert, kann niemand sagen. Die Türkei etwa wurde 1999 EU-Kandidat, auch die Länder auf dem Westbalkan warten schon seit rund zehn Jahren. Serbien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien erhielten zwar den Kandidatenstatus, stecken aber seitdem in schleppenden Beitrittsverhandlungen fest.