Sanchez ist seit 2018 Ministerpräsident und führt seit 2020 eine Minderheitsregierung. In den nächsten Tagen wird die Regierungsbildung mit der Minister-und-Ministerinnenliste erwartet. Am Donnerstag hatte sich die sozialdemokratische PSOE von Sanchez mit der katalanischen Partei Junts, die sich für eine Abspaltung Kataloniens von Spanien starkmacht, auf eine Zusammenarbeit geeinigt und dafür im Gegenzug eine Amnestie für rund 1.400 verurteilte Separatisten angekündigt.
Nutznießer eines Straferlasses wäre auch der ehemalige Regierungschef in Katalonien, Carles Puigdemont. Der im belgischen Exil lebende Junts-Politiker erklärte, man werde mit der PSOE über eine neue Volksabstimmung zur Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien reden. Bereits Anfang November hatte sich die PSOE mit der katalanischen Separatistenpartei ERC auf eine Zusammenarbeit verständigt.
Geplante Amnestie sorgt für Aufregung
Beobachter fürchten, dass Spanien eine neue Phase politischer Instabilität bevorsteht. Sanchez hat mit der linksgerichteten Sumar eine Koalition gebildet. Allerdings braucht er für eine Bestätigung im Amt des Regierungschefs die Unterstützung weiterer kleiner Parteien.
Die geplante Amnestie ist im Land und in der Europäischen Union höchst umstritten. In einer Umfrage vom September sprachen sich in Spanien rund 70 Prozent der Befragten dagegen aus – davon 59 Prozent Anhänger der Sozialisten. Zudem hat das oberste Aufsichtsgremium der spanischen Gerichtsbarkeit, der Consejo General del Poder Judicial, große Bedenken gegenüber dem Vorhaben geäußert. Diese Linie vertritt auch EU-Justizkommissar Didier Reynders und hat das der Regierung in Madrid bereits mitgeteilt.
Die Gegner der Separatisten konzentrieren ihre Kritik auf Puigdemont. Er hatte Katalonien 2017 nach einer umstrittenen Volksabstimmung für unabhängig erklärt. Die Zentralregierung warf ihm daraufhin Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. Das Verfassungsgericht sah einen Bruch der Verfassung. Die katalanische Regionalregierung wurde von der Zentralregierung entmachtet und Puigdemont zur Fahndung ausgeschrieben. Er setzte sich daraufhin ins Ausland ab.
Erneut gewaltsame Proteste in Madrid
In Madrid ist es in der siebenten Nacht infolge erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Einsatzkräften der Polizei gekommen. Vorausgegangen war eine Einigung auf eine Regierungskoalition von Premierminister Pedro Sanchez mit den katalanischen Separatisten. Die Sicherheitskräfte feuerten Gummigeschoße ab und nahmen vor dem Hauptquartier der Sozialisten (PSOE) über ein Dutzend Personen in Gewahrsam.
Weiter Unklarheiten über Attentat
Die Regierungsbildung hat die Gegensätze beider Lager vertieft. Am Montagabend hatten rund 4.000 Menschen vor der PSOE-Parteizentrale in Madrid demonstriert, es kam zu Tumulten. Sie forderten, Sanchez ins Gefängnis zu werfen, und beanspruchten das „Recht der Spanier, Spanien zu schützen“. Sanchez schrieb dazu auf Twitter (X): „Der Angriff auf das PSOE-Büro ist ein Angriff auf die Demokratie und auf alle, die daran glauben.“
Unklarheit herrscht weiter über ein Attentat: Am Donnerstag schossen Unbekannte dem ehemaligen Chef der konservativen Volkspartei (PP) in Katalonien und Mitgründer der rechtspopulistischen Partei Vox, Alejo Vidal-Quadras, ins Gesicht. Ob das Attentat im Zusammenhang mit der Regierungsbildung stehen könnte, ist bisher nicht bekannt.
Die Sozialisten von Sanchez hatten bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 23. Juli nur den zweiten Platz hinter der PP von Spitzenkandidat Alberto Nunez Feijoo belegt. Die PP konnte keine Mehrheit schmieden und war nicht zu einer Kooperation mit separatistischen Kräften bereit. Zusammen kommen die PSOE und Sumar als Koalitionspartner lediglich auf 152 von 350 Abgeordneten im Unterhaus des Parlaments.