Andreas Babler
APA/Erwin Scheriau
SPÖ-Parteitag

Babler will ‚Periode der Abrissbirne‘ beenden

SPÖ-Chef Andreas Babler muss sich am Samstag beim Parteitag in der Grazer Messe rund 600 Parteidelegierten beweisen. Er steht als einziger Kandidat zur Wahl des Vorsitzenden. In seiner Rede vor den Delegierten gab sich Babler wie erwartet emotional und kämpferisch. Scharfe Attacken ritt er gegen die FPÖ und vor allem gegen die ÖVP: Eine „Periode der Abrissbirne“ solle enden und sei für die Zukunft nur mit der SPÖ zu verhindern.

Grundlegend besteht durchaus Potenzial für Kontroversen in der Partei – umso bemühter war man diesmal, bereits zu Beginn Einigkeit zu demonstrieren. So wurde Babler bei seinem Einzug und nach seiner Rede mit Jubelrufen und Standing Ovations bedacht. Die letzten Monate seien „nicht ohne gewesen“, doch zeige die SPÖ jetzt thematisch „wieder klare Kante“, sagte Babler in seiner etwa einstündigen Rede: „Wir haben die Themenführerschaft geschafft (…). Wir sind wieder da.“

Zentral waren harsche Angriffe auf die politischen Mitbewerber – konkret vor allem die ÖVP und wiederholt Kanzler Karl Nehammer, aber auch die FPÖ: Was die Sozialdemokratie vor Jahrzehnten in der Ära Kreisky aufgebaut und „erträumt“ habe, sei von der ÖVP niedergerissen worden. „Zwölfstundentag, die Krankenkassen, Gesundheitssystem“, so Babler. Die FPÖ sei dabei „immer dabei gewesen“ – „manchmal ist sie Schmiere gestanden, manchmal war sie Mittäter“, so Babler. „Wir werden all das wiederaufbauen, was sie planiert haben.“

„SPÖ einzige Kraft, die Kickl verhindern kann“

Der ÖVP attestierte er etwa im Bereich Migration „23 Jahre Regierungsversagen“. Unterbrochen worden sei das im Innenministerium nur von zwei Jahren mit „Zirkusdirektor“ und „Pferdedompteur“ Herbert Kickl, damals Innenminister, heute FPÖ-Chef. Er liegt mit den Freiheitlichen derzeit in allen Umfragen auf dem ersten Platz.

Darauf nahm Babler Bezug: Eine „Periode der Abrissbirne“ durch FPÖ und ÖVP sei auch für die Zukunft nur mit der SPÖ zu verhindern. In Umfragen habe man „ein paar Prozentpunkte gutgemacht, aber das reicht noch nicht“, so Babler. Die Sozialdemokratie sei „die einzige Kraft“, die Kickl verhindern könne. „Wenn wir uns (innerhalb der SPÖ, Anm.) alle einig sind, dann gewinnen wir dieses Match.“ Es werde sich um eine Richtungsentscheidung zwischen „menschenfreundlich“ und „menschenfeindlich“ handeln.

Michael Ludwig,  Doris Bures und Andreas Babler
APA/Erwin Scheriau
Babler (hier mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig) bei seinem Einzug in die Grazer Messehalle

„Herz“ statt „Ellenbogen“

Allen voran der ÖVP attestierte er „Ellenbogenpolitik“ – im Gegensatz dazu wolle die SPÖ das „Herz“ in den Mittelpunkt stellen. Dazu wolle die SPÖ etwa der Kinderarmut den Kampf ansagen. Diese müsse besiegt werden. „Kein Kind in diesem Land darf in Armut leben.“ Auch das Gesundheitssystem müsse wieder aufgebaut werden, so Babler. „Arzttermine, ohne lange in der Warteschleife zu hängen.“ Es dürfe nicht so sein, dass „statt der E-Card die Kreditkarte das Sagen hat“. Auch eine Neuauflage der Aktion 20.000 forderte Babler.

Bericht vom SPÖ-Parteitag

Helma Poschner (ORF) berichtet vom SPÖ-Parteitag in Graz.

„Seite an Seite mit den Gewerkschaften“

Für Frauen müsse es Lohngerechtigkeit geben. „Es gibt eine Verpflichtung zur Lohntransparenz, damit Frauen den Respekt bekommen als Arbeitnehmerinnen.“ Auch Pensionistinnen und Pensionisten sprach Babler in seiner Rede an – und kritisiert eine Verlängerung der Arbeitsjahre. „45 Jahre arbeiten ist genug.“ Mit den Gewerkschaften stehe man „Seite an Seite“, Einmalzahlungen seien auszuschlagen. Und beim Wohnen dürfe die Postleitzahl „nicht ausschlaggebend“ sein.

Teilzeitarbeitende sollen nicht respektlos behandelt werden, so Babler unter Bezugnahme auf Aussagen von Kanzler Nehammer. „So jemand sollte in der Republik keine Rolle mehr spielen“, so Babler. Auch Investor Rene Benko und dessen angeschlagene Signa machte er zum Thema, um an die ÖVP anzuknüpfen: Benko sei „ein Symbol für die Wirtschaftskompetenz der ÖVP“. An anderer Stelle forderte Babler ein „Steuersystem, das auch wirklich steuert“, und sprach sein Programm einer Millionärssteuer an.

Versuchter Spagat bei parteiintern heikleren Themen

Bei parteiintern heikleren Themen versuchte Babler einen Spagat: In der Klimapolitik sprach er zwar für einen großen Systemwandel, andererseits forderte er, nicht auf Dieselfahrer oder jene, die einmal im Jahr auf Urlaub fliegen, mit dem Finger zu zeigen. In der Sicherheits- und Zuwanderungspolitik konzentrierte er sich darauf, der Regierung Versagen vorzuwerfen, unterstrich das Recht auf Asyl, betonte aber auch, keine Leute in Österreich haben zu wollen, die nach Scharia und Kalifat schreien.

Grafik zeigt alle SPÖ-Vorsitzenden seit 1945
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Deutlich verurteilte Babler die Hamas-Terrorattacke auf Israel, unterstrich dessen Recht auf Selbstverteidigung und betonte, dass die Bekämpfung von Antisemitismus in der DNA der SPÖ liege. Er plädierte aber auch dafür, eine entsprechende Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung zu ermöglichen.

Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim erklärte das Parteitagsmotto „Zurück zur Gerechtigkeit“ damit, dass die ÖVP-geführten Regierungen der vergangenen Jahre dem Land „geschadet“ hätten. „Zurück zu einer Regierung, die Politik im Sinne der Menschen macht“, bekräftigte er das Ziel der SPÖ, wieder Nummer eins zu werden.

Parteitag soll ohne Turbulenzen auskommen

Bereits vor der Rede Bablers drang in ersten Statements der Delegierten beim Eintreffen durch, dass man sich Turbulenzen wie beim Parteitag im Juni ersparen will. Im Sommer hatte sich Babler im Duell mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil durchgesetzt – was wegen einer Ergebnisverwechslung allerdings erst Tage später klar wurde. Doskozil war am Samstag nicht anwesend, er hatte sich mit Verpflichtungen anlässlich des Landesfeiertags entschuldigt.

Direktwahl ermöglicht

Beim Parteitag ergab sich zentral, dass der bzw. die SPÖ-Vorsitzende künftig von den Mitgliedern direkt gewählt werden kann. Das wird dann der Fall sein, wenn sich mehr als eine Kandidatin oder ein Kandidat für die Position bewirbt.

Eine entsprechende Statutenänderung passierte den SPÖ-Parteitag in Graz mit großer Mehrheit. Babler sprach via Twitter (X) von einem „historischern Beitrag zur Demokratisierung“ der SPÖ. Nicht unterstützt wurde die Initiative vom größeren Teil der Wiener Delegierten.

Voraussetzung für eine Kandidatur wird sein, dass man 1.500 Unterstützungserklärungen vorweisen kann. Gültig ist die Wahl, wenn sich mehr als 20 Prozent der Mitglieder an der Abstimmung beteiligen. Gibt es keine absolute Mehrheit, kommt es zu einer Stichwahl.

Mitgliederbefragungen sind künftig schon dann durchzuführen, wenn zumindest fünf Prozent der Mitglieder das verlangen. Ein Mitgliederentscheid hat dann abgehalten zu werden, wenn das wenigstens zehn Prozent wollen.

Arbeitszeitverkürzung ohne Stimmen aus Burgenland

Der vielleicht prestigereichste Leitantrag hatte davor zwar eine sehr große Mehrheit erhalten, aber doch auch Gegenwind erfahren. Die burgenländische Delegation enthielt sich geschlossen, dazu gab es einzelne Gegenstimmen. Ein Vertreter des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands fand Forderungen wie jene nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und generell sechster Urlaubswoche für Kleinunternehmen „nicht zu stemmen“.

Thomas Schaden, selbst Besitzer eines Kleinunternehmens und Vertreter des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Niederösterreich, argumentierte, dass er bei Umsetzung des Leitantrags einen seiner zehn Mitarbeitenden schweren Herzens abbauen müsste: „Weil wir es nicht stemmen könnten.“

Die burgenländischen Delegierten meldeten sich nicht zu Wort. Auf Nachfrage der APA hieß es, dass man aktuell primär einen höheren Mindestlohn brauche und nicht eine reduzierte Arbeitszeit. Nur mit einer Enthaltung angenommen wurde hingegen jener – teils auch parteiintern umstrittene – Leitantrag, der zum Ziel hat, die Teuerung per Verfassungsbestimmung zu begrenzen.

Entschuldungsprozess gebremst

Finanzreferent Christoph Matznetter musste kundtun, dass Mitgliederbefragung und zwei Parteitage den Entschuldungsprozess der Partei etwas gebremst haben, seien doch hier Mittel verwendet worden, die eigentlich für die Wahlkämpfe 2024 reserviert waren. Matznetter geht aber davon aus, dass die Entschuldung 2026 und damit ein Jahr später als geplant abgeschlossen sein wird.

Am Sonntag wird der Parteitag unter anderem mit der Abstimmung über die Kandidatenliste für die EU-Wahl abgeschlossen.