SPÖ Chef Andreas Babler
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SPÖ-Parteitag

88,76 Prozent für Babler als Parteichef

Mit 88,76 Prozent der Delegiertenstimmen ist am Samstag Andreas Babler beim SPÖ-Parteitag in Graz als Parteichef bestätigt worden. Zum Vergleich: Pamela Rendi-Wagner hatte bei ihrem letzten Antritt vor zwei Jahren nur gut 75 Prozent überzeugt. Auch die übrigen zwölf Mitglieder des Präsidiums sowie die Vorstandsmitglieder erhielten durchwegs gute Ergebnisse.

Unmittelbar nach der Verkündung des Ergebnisses sprach Babler von einem „geilen Ergebnis“. „Was sind wir für eine coole Partei, in so einer kurzen Zeit so ein Ergebnis zu schaffen.“ Man habe bewiesen, worum es geht – „um mehr Gerechtigkeit“, so Babler. „Es ist etwas Stolzes, als Arbeiterkind dieser Partei vorsitzen zu dürfen“, sagte der SPÖ-Chef. Die einigen wenigen, die ihn nicht unterstützt hätten, werde man „auch noch gewinnen“. Jetzt heiße es: „Anpfiff“.

Das restliche Parteipräsidium bzw. Bablers Stellvertreter und Stellvertreterinnen wurden ebenfalls gewählt, und zwar mit hoher Zustimmung: Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner erhielt 97,3 Prozent, Vizeklubchefin Julia Herr kam auf 94,4 Prozent und Kärntens Landeschef Peter Kaiser auf 98,5 Prozent. Mit Spannung erwartet wurde das Ergebnis für die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig verzichtete ja auf eine Kandidatur. Bures wurde aber mit 92 Prozent bedacht.

SPÖ-Parteitag: 88,76 Prozent für Babler als Parteichef

Mit 88,76 Prozent der Delegiertenstimmen ist am Samstag Andreas Babler beim SPÖ-Parteitag in Graz als Parteichef bestätigt worden. Zuvor hatte Babler in einer gut einstündigen Rede seine Themen herausgestrichen.

„Haben die Themenführerschaft geschafft“

Weil im Vorfeld durchaus Potenzial für Kontroversen bestand, war man bemüht, von Beginn an Einigkeit zu demonstrieren. Im Sommer hatte sich Babler im Duell mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil durchgesetzt – was wegen einer Ergebnisverwechslung allerdings erst Tage später klar wurde. Doskozil ist am Wochenende in Graz nicht anwesend, er hatte sich mit Verpflichtungen anlässlich des Landesfeiertags entschuldigt.

Die inhaltliche Diskussion dauerte länger als geplant, die Abstimmungen wurden allesamt vor die Bekanntgabe des Ergebnisses gezogen – folglich wurde dieses erst mit einiger Verspätung verkündet. Nicht erst nach seiner Kür, sondern bereits zum Auftakt und nach seiner Rede wurde Babler mit Jubelrufen und Standing Ovations bedacht. In seiner etwa einstündigen Rede sagte Babler, dass die SPÖ jetzt thematisch „wieder klare Kante“ zeige. „Wir haben die Themenführerschaft geschafft (…). Wir sind wieder da.“

Andreas Babler
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Babler bei seiner Rede

Was die Sozialdemokratie vor Jahrzehnten in der Ära Kreisky aufgebaut und „erträumt“ habe, sei von der ÖVP niedergerissen worden. „Zwölfstundentag, die Krankenkassen, Gesundheitssystem“, so Babler. Die FPÖ sei dabei „immer dabei gewesen“ – „manchmal ist sie Schmiere gestanden, manchmal war sie Mittäter“, so Babler. „Wir werden all das wiederaufbauen, was sie planiert haben.“

„SPÖ einzige Kraft, die Kickl verhindern kann“

Der ÖVP attestierte er etwa im Bereich Migration „23 Jahre Regierungsversagen“. Unterbrochen worden sei das im Innenministerium nur von zwei Jahren mit „Zirkusdirektor“ und „Pferdedompteur“ Kickl, damals Innenminister, heute FPÖ-Chef. Er liegt mit den Freiheitlichen derzeit in allen Umfragen auf dem ersten Platz.

Darauf nahm Babler Bezug: Eine „Periode der Abrissbirne“ durch FPÖ und ÖVP sei auch für die Zukunft nur mit der SPÖ zu verhindern. In Umfragen habe man „ein paar Prozentpunkte gutgemacht, aber das reicht noch nicht“, so Babler. Die Sozialdemokratie sei „die einzige Kraft“, die Kickl verhindern könne. „Wenn wir uns (innerhalb der SPÖ, Anm.) alle einig sind, dann gewinnen wir dieses Match.“ Es werde sich um eine Richtungsentscheidung zwischen „menschenfreundlich“ und „menschenfeindlich“ handeln.

Michael Ludwig,  Doris Bures und Andreas Babler
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Babler (hier mit dem Wiener Bürgermeister Ludwig) bei seinem Einzug in die Grazer Messehalle

„Herz“ statt „Ellenbogen“

Allen voran der ÖVP attestierte er „Ellenbogenpolitik“ – im Gegensatz dazu wolle die SPÖ das „Herz“ in den Mittelpunkt stellen. Dazu wolle die SPÖ etwa der Kinderarmut den Kampf ansagen. Diese müsse besiegt werden. „Kein Kind in diesem Land darf in Armut leben.“ Auch das Gesundheitssystem müsse wieder aufgebaut werden, so Babler. „Arzttermine, ohne lange in der Warteschleife zu hängen.“ Es dürfe nicht so sein, dass „statt der E-Card die Kreditkarte das Sagen hat“. Auch eine Neuauflage der Aktion 20.000 forderte Babler.

„Seite an Seite mit den Gewerkschaften“

Für Frauen müsse es Lohngerechtigkeit geben. „Es gibt eine Verpflichtung zur Lohntransparenz, damit Frauen den Respekt bekommen als Arbeitnehmerinnen.“ Auch Pensionistinnen und Pensionisten sprach Babler in seiner Rede an – und kritisiert eine Verlängerung der Arbeitsjahre. „45 Jahre arbeiten ist genug.“ Mit den Gewerkschaften stehe man „Seite an Seite“, Einmalzahlungen seien auszuschlagen. Und beim Wohnen dürfe die Postleitzahl „nicht ausschlaggebend“ sein.

Grafik zeigt alle SPÖ-Vorsitzenden seit 1945
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Teilzeitarbeitende sollen nicht respektlos behandelt werden, so Babler unter Bezugnahme auf Aussagen von Kanzler Nehammer. „So jemand sollte in der Republik keine Rolle mehr spielen“, so Babler. Auch Investor Rene Benko und dessen angeschlagene Signa machte er zum Thema, um an die ÖVP anzuknüpfen: Benko sei „ein Symbol für die Wirtschaftskompetenz der ÖVP“. An anderer Stelle forderte Babler ein „Steuersystem, das auch wirklich steuert“, und sprach sein Programm einer Millionärssteuer an.

Versuchter Spagat bei parteiintern heikleren Themen

Bei parteiintern heikleren Themen versuchte Babler einen Spagat: In der Klimapolitik sprach er sich zwar für einen großen Systemwandel aus, andererseits forderte er, nicht auf Dieselfahrer oder jene, die einmal im Jahr auf Urlaub fliegen, mit dem Finger zu zeigen. In der Sicherheits- und Zuwanderungspolitik konzentrierte er sich darauf, der Regierung Versagen vorzuwerfen, unterstrich das Recht auf Asyl, betonte aber auch, keine Leute in Österreich haben zu wollen, die nach Scharia und Kalifat schreien.

Deutlich verurteilte Babler die Hamas-Terrorattacke auf Israel, unterstrich dessen Recht auf Selbstverteidigung und betonte, dass die Bekämpfung von Antisemitismus in der DNA der SPÖ liege. Er plädierte aber auch dafür, eine entsprechende Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung zu ermöglichen.

Mayer-Bohusch (ORF) zu SPÖ-Wahlergebnis

Mit 88,76 Prozent der Delegiertenstimmen ist am Samstag Andreas Babler beim SPÖ-Parteitag in Graz als Parteichef bestätigt worden. Andreas Mayer-Bohusch (ORF) ist in Graz und erklärt unter anderem, was dieses Ergebnis künftig zu bedeuten hat.

Direktwahl ermöglicht

Zentral ergab sich infolge der zahlreichen Abstimmungen, dass der bzw. die SPÖ-Vorsitzende künftig von den Mitgliedern direkt gewählt werden kann. Das wird dann der Fall sein, wenn sich mehr als eine Kandidatin oder ein Kandidat für die Position bewirbt.

Eine entsprechende Statutenänderung passierte den SPÖ-Parteitag in Graz mit großer Mehrheit. Babler sprach via Twitter (X) von einem „historischen Beitrag zur Demokratisierung“ der SPÖ. Nicht unterstützt wurde die Initiative vom größeren Teil der Wiener Delegierten.

Voraussetzung für eine Kandidatur wird sein, dass man 1.500 Unterstützungserklärungen vorweisen kann. Gültig ist die Wahl, wenn sich mehr als 20 Prozent der Mitglieder an der Abstimmung beteiligen. Gibt es keine absolute Mehrheit, kommt es zu einer Stichwahl.

Mitgliederbefragungen sind künftig schon dann durchzuführen, wenn zumindest fünf Prozent der Mitglieder das verlangen. Ein Mitgliederentscheid hat dann abgehalten zu werden, wenn das wenigstens zehn Prozent wollen.

Arbeitszeitverkürzung ohne Stimmen aus Burgenland

Der vielleicht prestigereichste Leitantrag hatte davor zwar eine sehr große Mehrheit erhalten, aber doch auch Gegenwind erfahren. Die burgenländische Delegation enthielt sich geschlossen, dazu gab es einzelne Gegenstimmen. Ein Vertreter des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands fand Forderungen wie jene nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und generell sechster Urlaubswoche für Kleinunternehmen „nicht zu stemmen“.

Thomas Schaden, selbst Besitzer eines Kleinunternehmens und Vertreter des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Niederösterreich, argumentierte, dass er bei Umsetzung des Leitantrags einen seiner zehn Mitarbeitenden schweren Herzens abbauen müsste: „Weil wir es nicht stemmen könnten.“

Die burgenländischen Delegierten meldeten sich nicht zu Wort. Auf Nachfrage der APA hieß es, dass man aktuell primär einen höheren Mindestlohn brauche und nicht eine reduzierte Arbeitszeit. Nur mit einer Enthaltung angenommen wurde hingegen jener – teils auch parteiintern umstrittene – Leitantrag, der zum Ziel hat, die Teuerung per Verfassungsbestimmung zu begrenzen.

Entschuldungsprozess gebremst

Dass nun schon wieder alle Delegierten zusammengetrommelt werden, ist nicht billig. Finanzreferent Christoph Matznetter musste kundtun, dass Mitgliederbefragung und zwei Parteitage den Entschuldungsprozess der Partei etwas gebremst haben, seien doch hier Mittel verwendet worden, die eigentlich für die Wahlkämpfe 2024 reserviert waren. Matznetter geht aber davon aus, dass die Entschuldung 2026 und damit ein Jahr später als geplant abgeschlossen sein wird.

Am Sonntag wird der Parteitag unter anderem mit der Abstimmung über die Kandidatenliste für die EU-Wahl abgeschlossen. Der designierte Spitzenkandidat der SPÖ für die Europawahl, Andreas Schieder, will mit einem starken Ergebnis bei diesem Urnengang auch die politische Wende in Österreich einleiten, wie er am Sonntag in seiner Grundsatzrede sagte. „Es geht um Europa, aber auch darum, den ersten Schritt zum Einläuten des Endes dieser Bundesregierung zu machen.“

Man müsse sich fragen, warum die Zustimmung zur EU in Österreich am geringsten sei. Hier sei einiges ins Rutschen gekommen. Die Menschen könnten sich ihren Alltag nicht mehr leisten: „Das ist etwas, das die Demokratie gefährdet, die Grundfesten unserer Demokratie.“