Ex-NATO-Chef Rasmussen für Teilbeitritt der Ukraine

Der frühere NATO-Chef Anders Fogh Rasmussen schlägt einen Beitritt der Ukraine zum transatlantischen Militärbündnis ohne die von Russland besetzten Gebiete vor. Indem man die besetzten Gebiete im Süden und Osten des Landes außen vor ließe, würde das Risiko eines offenen Konflikts zwischen Russland und der NATO gesenkt, sagte der Däne dem britischen „Guardian“.

Ein Teilbeitritt und die damit verbundene Beistandsverpflichtung der Bündnispartner „würde Russland von Angriffen auf ukrainisches Gebiet innerhalb der NATO abschrecken“ und den ukrainischen Streitkräften so ermöglichen, sich auf Frontkämpfe abseits des Kernlands zu konzentrieren, hieß es in Auszügen des Interviews, die der „Guardian“ gestern veröffentlichte.

Anders Fogh Rasmussen
Reuters/Andreas Gebert

Dieser Schritt würde kein Einfrieren des Konflikts zwischen dem Aggressor Russland und der Ukraine symbolisieren, betonte Rasmussen, der von 2009 bis 2014 NATO-Generalsekretär war. Moskau müsse verstehen, dass die Ukraine nicht von einem Bündnisbeitritt abzuhalten sei.

Artikel fünf

Die Ukraine verteidigt sich seit Februar 2022 gegen den russischen Angriffskrieg und erhält dafür westliche Waffenhilfe in beispiellosem Umfang. Ziel der ukrainischen Streitkräfte ist es, die vier von Russland annektierten, aber nur teils kontrollierten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson von der Besatzung zu befreien sowie die bereits 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim zurückzuerobern.

Verschiedene Experten und Bündnispolitiker warnen seit Langem davor, die Ukraine in der jetzigen Phase des Konflikts in die NATO aufzunehmen, weil die Militärallianz damit direkt in den Krieg hineingezogen und die Beistandsverpflichtung nach Artikel fünf des Nordatlantikvertrages ausgelöst werden könnte.

Darin ist geregelt, dass sich die Bündnispartner verpflichten, bei einem bewaffneten Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen Beistand zu leisten. Im Falle eines Teilbeitritts ukrainischer Gebiete hieße das, alle Alliierten müssten dem Land helfen, wenn Russland zum Beispiel noch einmal die Hauptstadt Kiew angreifen sollte.