Riss in Straße nahe Grindavik
Reuters/RUV/Ragnar Visage
Island

Zittern vor erwartetem Vulkanausbruch

Die Erdbebenserie in Island nimmt kein Ende. In der Nacht auf Sonntag registrierten die Behörden innerhalb von sechs Stunden etwa 880 kleinere Erdbeben, wie der Sender RUV berichtete. Die hohe Anzahl der Beben unterhalb der Reykjanes-Halbinsel lässt befürchten, dass die mögliche Eruption gewaltiger wird als üblich. Der gefährdete Ort Grindavik wurde bereits evakuiert.

Derzeit deuten die Daten nicht darauf hin, dass sich die Magmaaktivität der Oberfläche nähert. Angesichts der hohen Bebenaktivität – in den vergangenen Tagen waren es Tausende – gehen die Forscherinnen und Forscher aber davon aus, dass eine große Eruption bevorsteht. Die Frage sei nur mehr, wann und wo.

Nach einem mehrtägigen Erdbebenschwarm – einer bestimmten Form einer Erdbebenserie – hatten die Behörden den Ort Grindavik mit etwa 3.700 Einwohnern evakuiert und auch die nahe Blaue Lagune geschlossen, die bekannteste Touristenattraktion der Insel im Nordatlantik. Fotos aus der Gegend zeigen tiefe Risse in den Straßen und meterbreite Erdlöcher. Es wird von erheblichen Schäden an Häusern ausgegangen. Die Regierung beriet am Sonntag über Schutzmaßnahmen.

Magmatunnel unter Halbinsel

Der erneute Erdbebenschwarm hatte vor rund zweieinhalb Wochen begonnen. Auf der Reykjanes-Halbinsel war es bereits 2021, 2022 sowie in diesem Sommer zu Vulkanausbrüchen gekommen. Sie hatten sich jeweils mit längeren Erdbebenserien angekündigt. Eine Gefahr für bevölkerte Gegenden bestand bei allen drei Eruptionen nicht.

Vulkanausbruch auf Reykjanes Halbinsel im Juli 2023
Reuters/Civil Protection Of Iceland
Der jüngste Vulkanausbruch auf der Reykjanes-Halbinsel war im heurigen Sommer

Nun aber richten sich alle Augen auf Grindavik, rund 40 Kilometer Luftlinie südwestlich der Hauptstadt Reykjavik. Unter dem Ort auf der Reykjanes-Halbinsel verläuft ein rund 15 Kilometer langer Magmatunnel von Nordosten nach Südwesten ins Meer.

Seismologe
IMAGO/Sipa USA/SOPA Images
Die Seismografen haben derzeit in Island viel zu tun – in Summe wurden Tausende Beben registriert

„Unter Berücksichtigung, wie schnell sich das Magma in diesem Kanal gesammelt hat, können wir erwarten, dass die Eruption viel gewaltiger sein wird als die vorigen drei“, sagte der Geophysiker Magnus Tumi Gudmundsson dem Sender RUV. Vulkanologen wiesen darauf hin, dass die Erdbeben der vergangenen Jahre die Erdkruste so stark gebrochen hätten, dass das Magma seinen Weg schneller hindurchfinden könnte. Der neue Zyklus erhöhter Aktivität könne mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte andauern. Gudmundsson äußerte sich am Sonntag zurückhaltender. Der Zufluss habe nachgelassen. Er hoffe, dass eine Eruption ähnlich wie die in den vergangenen Jahren verlaufen werde.

Sorge um Kraftwerk

Mit Sorge blickten die Fachleute auf das angrenzende Geothermiekraftwerk Svartsengi, das Wasser und Strom für die Einwohner der Halbinsel liefert. Der Luftverkehr war aber zunächst nicht beeinflusst.

Eingesunkener Golfplatz in Grindavik
Reuters/Ruv/Ragnar Visage
Grindavik wurde schon stark mitgenommen – hier war einmal ein Golfplatz

Präsident Gudni Th. Johannesson rief die Bevölkerung am Samstag zur Einheit auf. „Island ist ein kleines Land“, sagte er. Das könne aber durchaus nützlich sein. „Wir können unsere Kleinheit in Stärke verwandeln. Manchmal sind wir wie eine kleine Familie.“

Island ist die größte und aktivste Vulkanregion Europas. Es liegt auf dem Mittelatlantischen Rücken, der die eurasische und die nordamerikanische Erdplatte trennt.