Handy zeigt OpenSea-Website mit „Bored Ape Yacht Club“-NFTs
ORF
Klimt, Schiele, Affenkopf

NFTs versinken in Bedeutungslosigkeit

Auch wenn letztlich praktisch niemand verstanden hat, was ein „Non-fungible Token“ – kurz: NFT – eigentlich ist, hat er 2021 als die Zukunft digitaler Kunst und Weg zu schier endlosem Reichtum gegolten. Kurzerhand wurde alles zu einem NFT: Bilder von Affenköpfen wechselten um Hunderttausende Euro den Besitzer, auch Klimts „Kuss“ wurde zerstückelt und verkauft. Heute sind die meisten NFTs praktisch nichts mehr wert und einige Sammler pleite. Ganz abschreiben wollen NFT-Fans den einstigen Hype aber nicht.

Der NFT-Hype wurde aus einem anderen Spekulationsobjekt heraus groß, das ähnlich oft für Verwirrung sorgte. Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum galten praktisch als Wegbereiter – schon damals bekamen Erklärungen, was eine Blockchain ist und wie und warum man Münzen „schürfen“ kann, oft mehr Platz in Artikeln als der eigentliche Inhalt. Mitspekulieren wollten angesichts abenteuerlicher Kursentwicklungen trotzdem viele.

Mitten in der Pandemie wurden NFTs zum nächsten Modewort der Branche, hinter dem auch jede Menge Geld steckte und das somit besonders aufmerksam beobachtet wurde. Die Idee dahinter musste erneut erklärt werden: NFTs sind wie digitale Sammlerstücke – mit vielen Abers. Man kauft nicht etwa ein digitales Bild, sondern in der Regel nur den Beleg, dass man das „Original“ dieses Bildes besitzt.

Die zugehörige Datei befindet sich irgendwo im Internet, kann jederzeit gelöscht, gespeichert oder geteilt werden. Weder erhält man durch den Kauf das Urheberrecht noch das alleinige Nutzungsrecht. In Zeiten der unendlichen Reproduzierbarkeit soll damit allerdings wieder das Konzept von Besitz in den Mittelpunkt gerückt werden.

Fungibel oder nicht?

Fungibel bedeutet „beliebig ersetzbar“: Jeder Zehn-Euro-Schein ist im Idealfall gleich viel Wert. Nicht fungibel ist hingegen der erste jemals gedruckte Zehn-Euro-Schein, der damit auch einen anderen Wert hat.

Affenporträts mit Promiunterstützung

Zum Symbol des Hypes wurden die Affenköpfe des Bored Ape Yacht Club: Die Affenporträts wurden teils um Hunderttausende Euro gehandelt, absurder, aber exemplarischer Höhepunkt war ein Auftritt von Paris Hilton beim US-Talkshow-Moderator Jimmy Fallon, bei dem beide von ihren digitalen Affen schmachteten – und damit die Spekulationen weiter anfachten.

Bald breitete sich der Hype auf praktisch alle Branchen aus: Hierzulande bietet etwa das Belvedere immer noch digitale Fuzerln von Klimts „Kuss“ als NFT um über 1.800 Euro an, das Leopold Museum hatte eine Schiele-NFT-Kollektion im Angebot. Und selbst die Post mischte beim Hype mit und verkaufte NFTs. Während viele eine Revolution des Kunstmarkts anpriesen, sahen Computerspielentwickler in den digitalen Sammelobjekten die Zukunft des Gamings.

Tablett zeigt NFT von Klimts Kuss
AP/Belvedere/Ouriel Morgensztern
„Der Kuss“ von Klimt wurde filetiert, zum NFT gemacht und vermarktet

Kaum Hoffnung nach „Floptober“

Viel übrig blieb davon jedoch nicht. Der Markt befindet sich nur zwei Jahre später an einem absoluten Tiefpunkt, den Oktober bezeichnete man unter NFT-Anlegern als „Floptober“. Und selbst eine Folge der „Simpsons“ widmete sich unlängst dem gescheiterten Hype – ein recht verlässliches Zeichen dafür, dass NFTs in nächster Zeit keine Rolle mehr spielen dürften.

Das unterstreichen auch aktuelle Zahlen: Die NFT-Fachleute von DappRadar sehen einen enorm geschrumpften Markt. Im ersten Quartal 2022 lag das Handelsvolumen bei 12,6 Milliarden Dollar (rund 11,8 Mrd. Euro), im dritten Quartal 2023 lag es nur noch bei 1,39 Milliarden Dollar (rund 1,3 Mrd. Euro).

Entlassungen und enttäuschte Sammler

Die Branche schrumpft an vielen Enden spürbar: Die Firma Yuga Labs, Macher der Bored-Ape-NFTs, kündigte laut BBC zuletzt Entlassungen an, ohne genaue Zahlen zu nennen. Auch Hilton, die Anfang 2022 fast täglich für ihre NFT-Kollektion auf Twitter (X) die Werbetrommel rührte, postete seit Oktober 2022 nichts mehr über NFTs, so die BBC.

Besucher am Hong Kong Web3 Festival
Reuters/Tyrone Siu
Der Markt schrumpfte im vergangenen Jahr enorm

Und – nunmehr oft ehemalige – Sammler bleiben auf ihren NFTs sitzen oder trennten sich weit unter dem Kaufpreis. Das „Vice“-Magazin interviewte Ende Oktober mehrere NFT-Investoren, darunter auch Sergei Sergienko, der rund 500.000 Dollar in seine Sammlung investierte. Heute seien seine NFTs nur noch rund 5.000 Dollar wert, obwohl sie zwischendurch über fünf Millionen Dollar gebracht hätten, so Sergienko. „Ich bin es gewohnt, verrückte Geldbeträge zu verlieren. Ich bin schon eine Weile im Kryptogeschäft tätig“, so der Sammler aus dem australischen Sydney.

Investoren hoffen auf Zeit nach dem „Kryptowinter“

Dennoch sieht er NFTs gerade erst „am Anfang“ und will die Hoffnung nicht aufgeben – damit ist er, vielleicht recht überraschend, nicht alleine. In der BBC wird ein NFT-Käufer interviewt, der erst zuletzt ein digitales Sammlerobjekt um mehrere hunderttausend Euro erwarb, obwohl der Markt kracht. „Der Abschwung ist genau der Grund, warum ich es gekauft habe. Die Leute sind verzweifelt. Im Winter kann man Sommerkleidung billig kaufen“, so der Sammler in der BBC. Viele reden momentan von einem „Kryptowinter“ – und spekulieren darauf, dass den Investments ein entsprechender „Sommer“ bevorsteht.

Vignesh Sundaresan, der einst für 69 Millionen Dollar den teuersten NFT-Kauf tätigte, sagte der BBC, dass es eine Zukunft in der Kunstbranche gebe, allerdings auf anderem Niveau. „Alles in der Kryptowelt geschieht sehr schnell, und ich glaube, dass es in der nächsten Phase der NFTs nicht um den Preis gehen wird“, so Sundaresan, denn das Risiko sei enorm.

Suche nach neuen Verwendungszwecken

Neue Geschäftskonzepte rund um NFTs gibt es mittlerweile einige. So berichtet die BBC über ein Unternehmen, das reale Stofftiere zu ihren digitalen NFTs verkauft – wer einen NFT besitzt, schneidet automatisch am Umsatz der Kuscheltiere mit. Greifbare NFTs, Einlass zu exklusiven Events und ein neuer Zugang zu Tantiemen seien andere Verwendungszwecke, die den NFT-Hype am Leben erhalten könnten, so die BBC.

Einst wurden selbst Tweets als NFTs zu Unsummen verkauft – die erste von Twitter-Erfinder Jack Dorsey geschriebene Nachricht erzielte über eine Million Dollar und ist jetzt nur noch wenige hundert Dollar wert. Die Idee, Netzkultur wie krude Bilder von Affenköpfen und belanglose Kurznachrichten zu kapitalisieren und „besitzbar“ zu machen, war ein kurzlebiger Hype. Sollen NFTs auch künftig im Netz eine Rolle spielen, werden sie mehr als reine Spekulationsobjekte werden müssen.