Großbritanniens Ex-Premier David Cameron
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Regierungsumbildung

Cameron neuer britischer Außenminister

Knalleffekt in Großbritannien: Der frühere Premierminister David Cameron wird neuer britischer Außenminister. Das gab die Regierung in London am Montag im Zuge einer Kabinettsumbildung bekannt. Regierungschef Rishi Sunak hatte zuvor die umstrittene Innenministerin Suella Braverman gefeuert und den bisherigen Außenminister James Cleverly zu ihrem Nachfolger ernannt. Weitere Regierungsmitglieder legten unterdessen ihr Amt nieder. Die Opposition sieht Chaos in Sunaks Regierung.

Der 57-jährige Cameron war von 2010 bis 2016 britischer Regierungschef gewesen. Er war zurückgetreten, nachdem sich beim Brexit-Referendum 52 Prozent seiner Landsleute für einen Austritt Großbritanniens aus der EU ausgesprochen hatten. Cameron hatte das Referendum eingeleitet, aber für einen Verbleib in der EU geworben.

Zuletzt hatte sich der „Politpensionär“ Cameron für ein von China unterstütztes Riesenprojekt, die „Colombo Port City“ zum Ausbau der sri-lankischen Hauptstadt Colombo starkgemacht und nach Investoren gesucht, wie „Politico“ Mitte Oktober berichtete. Das Projekt stellt einen wichtigen Teil von Chinas Präsident Xi Jinpings „Belt and Road“-Initiative – Chinas globaler Infrastrukturstrategie – dar und gilt als von China finanzierter Rivale zu Singapur und Dubai. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass die „Colombo Port City“ in Zukunft auch als militärischer Stützpunkt Chinas verwendet werden könnte, so „Politico“.

David Cameron
Reuters/Suzanne Plunkett
Der ehemalige britische Premier David Cameron wird neuer britischer Außenminister unter Sunak

Cameron: Habe gerne angenommen

Cameron meldete sich mit einem langen Posting via Twitter (X), aus dem britische Medien zitieren, zu Wort und erklärte seine Beweggründe. „Der Premierminister hat mich gebeten, als sein Außenminister zu fungieren, und ich habe gerne angenommen“, so der Ex-Premier.

„Wir stehen vor einer gewaltigen Reihe internationaler Herausforderungen, darunter dem Krieg in der Ukraine und der Krise im Nahen Osten. In dieser Zeit tiefgreifender globaler Veränderungen war es für dieses Land selten wichtiger, seinen Verbündeten zur Seite zu stehen, unsere Partnerschaften zu stärken und dafür zu sorgen, dass unsere Stimme gehört wird“, so Cameron. Er führte auch seine politische Erfahrung an und lobte seinen Vorgänger im Außenministerium, Cleverly, der nun Bravermans Nachfolger im Innenministerium ist.

„Obwohl ich mit einigen einzelnen Entscheidungen möglicherweise nicht einverstanden war, ist mir klar, dass Rishi Sunak ein starker und fähiger Premierminister ist, der in einer schwierigen Zeit vorbildliche Führungsqualitäten zeigt. Ich möchte ihm dabei helfen, die Sicherheit und den Wohlstand zu schaffen, die unser Land brauchen, und Teil des bestmöglichen Teams sein, das dem Vereinigten Königreich dient und das dem Land bei der Parlamentswahl präsentiert werden kann“, so Cameron weiter.

Weitere Rücktritte

Weitere Regierungsmitglieder traten zurück. So legte Verkehrsminister Jesse Norman Montagmittag sein Amt nieder, und auch Umweltministerin Therese Coffey trat zurück, wie sie in einem Brief an Sunak schrieb. Sie halte das für den richtigen Zeitpunkt, sich aus der Regierung zurückzuziehen, schrieb Coffey. Coffey hatte bereits mehrere Kabinettsposten inne und war etwa Gesundheits- und Arbeitsministerin sowie stellvertretende Premierministerin unter Sunaks Vorgängerin Liz Truss.

Britische Medien gehen davon aus, dass Sunak – wie es auch Cameron formulierte – mit seiner Kabinettsumbildung bereits die Parlamentswahl im kommenden Jahr im Blick hat. Nach Angaben der Torys soll mit den Entscheidungen Sunaks das Regierungsteam „gestärkt“ werden. „Heute hat Rishi Sunak sein Regierungsteam gestärkt, um langfristige Entscheidungen für eine bessere Zukunft umzusetzen“, erklärte die Konservative Partei auf Twitter (X). Braverman selbst gab sich wortkarg. „Es war die größte Ehre meines Lebens, Innenministerin zu sein“, sagte sie laut BBC zu ihrer Entlassung. „Ich werde zu gegebener Zeit mehr zu sagen haben“, so Braverman weiter.

Suella Braverman und Rishi Sunak
Reuters/James Manning
Suella Braverman und der britische Premier Rishi Sunak Mitte Oktober bei einer Kabinettssitzung

Die Rechtsaußenpolitikerin Braverman hatte zuletzt immer wieder für Kontroversen gesorgt. Braverman hatte letzte Woche mit einem Gastbeitrag in der „Times“ zum Umgang der Polizei mit propalästinensischen Protesten eine Kontroverse ausgelöst. Rechtsbrüche solcher Demonstranten würden weitgehend geduldet, behauptete sie, während gegen rechtsgerichtete und nationalistische Aktivisten mit harter Hand vorgegangen werde. Viele sahen in ihren Äußerungen einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Polizei.

Ausschreitungen verschärften Kritik

Der frühere Chefjustiziar der britischen Regierung, der konservative Politiker Dominic Grieve, hatte bereits am Freitag Bravermans Äußerungen als inakzeptabel bezeichnet. Die Innenministerin habe die Regierung ins Chaos gestürzt, sagte er der BBC. Der konservative Abgeordnete und Vorsitzende des Justizausschusses, Bob Neil, sagte, Bravermans Position in der Regierung sei unhaltbar.

Sunak entlässt Innenministerin

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat Medienberichten zufolge Innenministerin Suella Braverman entlassen. Sunak war wegen Braverman unter Druck geraten. Sie hatte einen Artikel veröffentlicht, in dem sie die Polizei wegen einer propalästinensischen Demonstration kritisierte.

Ein Sprecher Sunaks hatte am Donnerstag bestätigt, dass Bravermans Text nicht mit dem Regierungssitz 10 Downing Street abgestimmt war. Trotzdem habe der Regierungschef „volles Vertrauen“ in die konservative Parteifreundin, so der Sprecher noch am Freitag.

Nach Ausschreitungen von Rechtsradikalen am Wochenende am Rande einer propalästinensischen Großdemonstration in London hatte sich die Lage für Braverman verschärft. Die Oppositionspartei Labour machte Innenministerin Braverman für die rechtsextremen Krawalle verantwortlich. Die Hardlinerin habe die Schläger ermutigt, indem sie die legale Großdemonstration zuvor als „Hassmarsch“ verurteilt hatte, so Labour-Parteichef Keir Starmer und der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan am Wochenende. Sie forderten Braverman zum Rücktritt auf.

Mehrmals für Skandale gesorgt

Braverman hatte bereits für mehrere Skandale gesorgt. So war sie einen Tag vor dem Rücktritt von Sunaks Vorgängerin Liz Truss aus deren Kabinett ausgeschieden, nachdem sie entgegen den ministeriellen Regeln ein offizielles Dokument mit ihrer privaten E-Mail-Adresse weitergeleitet hatte.

Braverman steht für einen extrem harten Kurs in der Einwanderungspolitik. So bezeichnete sie es einmal als ihren Traum, ein Flugzeug mit Asylsuchenden in Richtung Ruanda abheben zu sehen. Die britische Regierung will Schutzsuchende jeglicher Herkunft in Zukunft direkt dorthin abschieben, ohne eine Prüfung ihres Asylantrags – die Menschen sollen stattdessen in dem ostafrikanischen Land Asyl beantragen und dort bleiben. Bisher scheiterte das jedoch am Widerstand von Gerichten. Für Mittwoch wird ein Urteil des britischen Höchstgerichts, des Supreme Court, erwartet.

Im September hatte Braverman in einer Rede die heutige Relevanz der Genfer Flüchtlingskonvention infrage gestellt. Wiederholt spaltete Braverman mit Aussagen gegen „irreguläre Migration“, sprach von einer „Invasion“ und zuletzt von einem „Hurrikan“. Sie schimpfte über Homosexuelle und über „Ökoeiferer“. Braverman wollte Wohltätigkeitsorganisationen die Weitergabe von Zelten an Obdachlose verbieten, die das Leben auf der Straße als „Lifestyle“ gewählt hätten.

Auf Entlassung hingearbeitet?

Viele Torys haben den Eindruck, dass Braverman mit Absicht auf Konfrontation gesetzt hatte, so britische Medien. „Sie ist auf einer Mission, dass sie entlassen werden will“, zitierte der Sender Sky News im Vorfeld der Entlassung einen Abgeordneten. Einige Beobachter und Beobachterinnen glauben, dass Braverman spätestens nach der nächsten Nachwahl, die vermutlich 2024 stattfindet und nach jetzigem Stand von den Torys mit großen Verlusten verloren werden dürfte, die Parteiführung beanspruchen wird.

Da sie nun von Sunak gefeuert wurde, werde ihr Name dann nicht mit einer Wahlpleite in Verbindung gebracht, hieß es in London. Dass Sunak die Politikerin in sein Kabinett geholt hatte, galt als Zugeständnis an den rechten Rand der Partei. Es gab zu ihrer Ernennung auch Spekulationen, dass Braverman der Ministerinnenposten für die Unterstützung von Sunak als Parteichef versprochen worden war.

Für Sunak wird die Zeit angesichts der Parlamentswahl im kommenden Jahr knapp, in der Gunst der Wählerschaft zuzulegen. In Umfragen führte zuletzt die oppositionelle Labour Party rund 20 Prozentpunkte vor den Konservativen. Zuletzt verloren diese im Juli zwei Wahlkreise bei Nachwahlen. Die Torys kämpfen mit den Folgen einer ganzen Reihe von Skandalen unter dem früheren Premierminister Boris Johnson, der sich unter anderem über die von seiner Regierung aufgestellten CoV-Regeln hinweggesetzt hatte.