Der designierte britischer Außenminister David Cameron
IMAGO/Tayfun Salci
Sunak holt Cameron

Befreiungsschlag oder letztes Aufgebot?

Der britische Premier Rishi Sunak will mit seiner am Montag erfolgten Regierungsumbildung – die umstrittene Innenministerin Suella Braverman wurde entlassen, Ex-Premier David Cameron als Außenminister geholt – einen Befreiungsschlag schaffen und sich für die Parlamentswahlen im Frühjahr rüsten. Kritiker und Kritikerinnen sehen indes ein letztes Aufgebot der Torys, die seit 2010 Großbritannien regieren. Die Opposition reagierte mit Spott und Häme.

Die britische Zeitung „Times“ kommentierte indes, Sunak sei es gelungen, mit der Personalie die Schlagzeilen zu bestimmen und damit vom Streit mit Braverman abzulenken. In Sunaks Konservativer Partei schlug das Comeback von Cameron in der Regierung allerdings hohe Wellen – nicht nur im Sinne Sunaks. Während moderate Abgeordnete seine Rückkehr begrüßten, sprachen Mitglieder des rechten Flügels von einer Kapitulation in Sachen Brexit.

Cameron wird dem moderaten Flügel der Torys zugerechnet und war von 2010 bis 2016 Regierungschef. Er galt nach seinem Rücktritt nach dem verlorenen Referendum als politisch gescheitert. Brexit-Gegner und -Gegnerinnen nehmen ihm übel, sich überhaupt erst auf das Wagnis einer Volksabstimmung über eine solch weitreichende Frage eingelassen zu haben. Bei Brexit-Befürwortern und -Befürworterinnen ist er wegen seines Werbens für einen Verbleib auch nicht gut gelitten.

Der britische Premier Rishi Sunak
Reuters/Toby Melville
Der britische Premier Rishi Sunak

Umfragen gegen Sunak

Für Sunak wird die Zeit angesichts der Parlamentswahl im kommenden Jahr knapp, in der Gunst der Wählerschaft zuzulegen. In Umfragen führte zuletzt die oppositionelle Labour Party rund 20 Prozentpunkte vor den Konservativen. Zuletzt verloren diese im Juli zwei Wahlkreise bei Nachwahlen. Die Torys kämpfen mit den Folgen einer ganzen Reihe von Skandalen unter dem früheren Premierminister Boris Johnson, der sich unter anderem über die von seiner Regierung aufgestellten CoV-Regeln hinweggesetzt hatte.

David Cameron
Reuters/Suzanne Plunkett
Der ehemalige britische Premier David Cameron ist neuer britischer Außenminister unter Sunak

Neue Brexit-Debatte wegen Cameron-Ernennung?

Die Ernennung von Cameron bringt nun die Gefahr mit sich, dass die Brexit-Debatte, die das Land in zwei ähnlich starke Lager gespalten hatte, wiederaufflammen könnte. Einige Brexit-Befürworter sahen in der Personalie Cameron einen Hinweis darauf, dass die Gegner des Austritts aus der EU in der Konservativen Partei die Oberhand gewonnen hätten. Zudem stand er vor wenigen Jahren wegen seiner Lobbytätigkeit für den mittlerweile insolventen Finanzdienstleister Greensill Capital in der Kritik.

Hinzu kommt ein Vermächtnis aus Sparpolitik und Annäherung an China, das inzwischen kritisch gesehen wird. Zuletzt hatte sich der „Politpensionär“ Cameron für ein von China unterstütztes Riesenprojekt, die „Colombo Port City“ als Ausbau der sri-lankischen Hauptstadt Colombo, starkgemacht und nach Investoren gesucht, wie „Politico“ Mitte Oktober berichtete. Das Projekt stellt einen wichtigen Teil von Xi Jinpings „Belt and Road“-Initiative – also Chinas globaler Infrastrukturstrategie – dar und gilt als von China finanzierter Rivale zu Singapur und Dubai. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass die „Colombo Port City“ von China in Zukunft auch als militärischer Außenstützpunkt verwendet werden könnte, so „Politico“.

Opposition: „Lächerlich“

Für Cameron spricht indes, dass er viel internationale Erfahrung mitbringt, die in einer Zeit großer außenpolitischer Herausforderungen nützlich sein könnte. Seine direkte Nachfolgerin in der Downing Street, Theresa May, lobte die Entscheidung: „Seine immense Erfahrung wird in dieser Zeit großer Unsicherheit in der Welt von unschätzbarem Wert sein.“

Sunak entlässt Innenministerin

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat Medienberichten zufolge Innenministerin Suella Braverman entlassen. Sunak war wegen Braverman unter Druck geraten. Sie hatte einen Artikel veröffentlicht, in dem sie die Polizei wegen einer propalästinensischen Demonstration kritisierte.

Die sich in der Opposition befindende Labour Party reagierte mit Spott auf die Regierungsumbildung von Sunak. Die Umbildung zeige, dass Sunaks Behauptung, Veränderungen anzubieten, „lächerlich“ sei, hieß es von Labour. Vor ein paar Wochen habe Sunak gesagt, Cameron sei Teil eines gescheiterten Status quo, jetzt hole er ihn als sein Rettungsboot zurück. Damit werde auch die lächerliche Behauptung des Premiers zunichtegemacht, dass er nach 13 Jahren des Scheiterns der Tory-Partei Abhilfe schaffen wolle, so Labour in einem ersten Statement.

Cameron: Habe gerne angenommen

Cameron meldete selbst sich mit einem langen Posting via Twitter (X), aus dem britische Medien zitierten, zu Wort und erklärte seine Beweggründe. „Der Premierminister hat mich gebeten, als sein Außenminister zu fungieren, und ich habe gerne angenommen“, so der Ex-Premier.

„Wir stehen vor einer gewaltigen Reihe internationaler Herausforderungen, darunter der Krieg in der Ukraine und die Krise im Nahen Osten. In dieser Zeit tiefgreifender globaler Veränderungen war es für dieses Land selten wichtiger, seinen Verbündeten zur Seite zu stehen, unsere Partnerschaften zu stärken und dafür zu sorgen, dass unsere Stimme gehört wird“, so Cameron. Er führte auch seine politische Erfahrung an.

„Obwohl ich mit einigen einzelnen Entscheidungen möglicherweise nicht einverstanden war, ist mir klar, dass Rishi Sunak ein starker und fähiger Premierminister ist, der in einer schwierigen Zeit vorbildliche Führungsqualitäten zeigt. Ich möchte ihm dabei helfen, die Sicherheit und den Wohlstand zu schaffen, die unser Land brauchen, und Teil des bestmöglichen Teams sein, das dem Vereinigten Königreich dient und das dem Land bei der Parlamentswahl präsentiert werden kann“, so Cameron weiter.

Suella Braverman und Rishi Sunak
Reuters/James Manning
Braverman und der britische Premier Sunak Mitte Oktober bei einer Kabinettssitzung

Braverman gibt sich kryptisch

Die Rechtsaußen-Politikerin Braverman hatte zuletzt immer wieder für Kontroversen gesorgt. Braverman hatte letzte Woche mit einem Gastbeitrag in der „Times“ zum Umgang der Polizei mit propalästinensischen Protesten eine Kontroverse ausgelöst. Rechtsbrüche solcher Demonstranten würden weitgehend geduldet, behauptete sie, während gegen rechtsgerichtete und nationalistische Aktivisten mit harter Hand vorgegangen werde. Viele sahen in ihren Äußerungen einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Polizei. Braverman steht auch für einen extrem harten Kurs in der Einwanderungspolitik.

Zu ihrem Abgang gab sich Braverman wortkarg. „Es war die größte Ehre meines Lebens, Innenministerin zu sein“, sagte sie laut BBC zu ihrer Entlassung. „Ich werde zu gegebener Zeit mehr zu sagen haben“, so Braverman kryptisch weiter.

Viele Torys hätten den Eindruck, dass Braverman mit Absicht auf Konfrontation gesetzt habe, so britische Medien. Einige Beobachter und Beobachterinnen glauben, dass Braverman spätestens nach der nächsten Nachwahl, die vermutlich 2024 stattfindet und nach jetzigem Stand von den Torys mit großen Verlusten verloren werden dürfte, die Parteiführung beanspruchen wird. Da sie nun von Sunak gefeuert wurde, werde ihr Name dann nicht mit einer Wahlpleite in Verbindung gebracht, hieß es in London.