der chinesische Präsident Xi Jinping und US-Pärsident Joe Biden
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Xi trifft Biden

Versuch einer Annäherung

Das Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Mittwoch in Kalifornien wird viele Konfliktfelder betreffen. Auf der Agenda stehen der Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sowie der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Doch die erste Begegnung der beiden Präsidenten seit gut einem Jahr soll vor allem Spannungen abbauen und die zuletzt schlechten Beziehungen der beiden Wirtschafts- und Militärmächte wieder in geordnete Bahnen lenken.

Das Aufeinandertreffen am Mittwoch am Rande des Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) im kalifornischen San Francisco wird daher mit großer Spannung erwartet. Auch wenn US-Regierungsvertreter vor zu großen Erwartungen gewarnt haben, was konkrete Ergebnisse angeht.

Es wäre für ihn ein Erfolg, wenn beide Länder zu einem „normalen Kurs im Austausch miteinander“ gelangen könnten, und es sei ein Ziel, „das Telefon in die Hand nehmen und miteinander sprechen zu können“, sagte Biden am Dienstag im Weißen Haus in Washington, bevor er zu dem Treffen in Kalifornien aufbrach.

Xi trifft Biden in San Francisco

Am Mittwoch treffen in San Francisco US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping aufeinander. Durch das Treffen hofft man, für Annäherung zu sorgen, nachdem die Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt in letzter Zeit sehr angespannt waren. ORF-Korrespondentin Inka Pieh berichtet.

Zusammenarbeit gegen Klimawandel

Kurz vor dem Gipfel verpflichteten sich beide Länder zudem zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Kampf gegen die globale Erderwärmung. In einer gemeinsamen Erklärung, die die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte, hieß es am Mittwoch, die Klimakrise sei „eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“. Man wolle den Ende des Monats in Dubai beginnenden UNO-Klimagipfel COP28 in Dubai zu einem Erfolg machen.

Beide Seiten bekräftigten in dem Dokument erneut die Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015. Diese sehen vor, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu beschränken und nach Möglichkeit auf 1,5 Grad zu begrenzen. China stößt weltweit mit Abstand die meisten klimaschädlichen Treibhausgase aus, gefolgt von den USA.

Beim Pro-Kopf-Ausstoß allerdings liegen die Amerikaner deutlich vor den Chinesen. China plant, seine Emissionen erst ab 2030 schrittweise zu drosseln – was Experten als unvereinbar ansehen mit dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Besuch bis ins kleinste Detail geplant

Der Besuch selbst soll bis ins kleinste Detail geplant sein. Fast jede Minute, die Biden und Xi miteinander verbringen – von der Anzahl der Schritte, die Xi bis zu seinem Sessel braucht, bis hin zum genauen Zeitpunkt des Händedrucks –, wird „Teil eines hoch choreografierten diplomatischen Tanzes sein, der die einjährigen Spannungen entschärfen soll“, wie die „New York Times“ schrieb.

Xi in USA angekommen

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ist zum Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) angereist. Am Rande des Gipfels soll es auch ein Treffen mit US-Präsident Joe Biden geben. Die erste Begegnung der beiden Präsidenten seit gut einem Jahr soll vor allem Spannungen abbauen und die zuletzt schlechten Beziehungen der beiden Wirtschafts- und Militärmächte wieder in geordnete Bahnen lenken.

Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan kündigte an, der US-Präsident werde sich um eine Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den Streitkräften beider Länder bemühen, nachdem China die Kommunikation nach dem Besuch der ehemaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan abgebrochen hatte. Solche Kommunikationskanäle seien nötig, „um Fehler, Fehleinschätzungen oder Missverständnisse“ zu verhindern.

Josef Dollinger (ORF) zum Treffen Xi – Biden

AORF-China-Korrespondent Josef Dollinger analysiert, ob eine Annäherung zwischen den USA und China gelingen kann.

USA für „verantwortungsvollen Wettbewerb“

Biden, der Xi im Juni noch mit „Diktatoren“ gleichgesetzt hatte, und seine Regierung wiederholen zudem mantraartig, dass ein „verantwortungsvoller“ Umgang im „Wettbewerb“ zwischen beiden Ländern wichtig sei. „Wir befinden uns in einem Wettbewerb mit China, aber wir suchen keinen Konflikt, keine Konfrontation und keinen neuen Kalten Krieg“, sagte ein US-Regierungsvertreter bei der offiziellen Ankündigung des Biden-Xi-Treffens.

Eine Formulierung, der sich China nicht anschließt: „China hat keine Angst vor Wettbewerb, aber wir sind dagegen, die Beziehungen zwischen China und den USA als Wettbewerb zu beschreiben“, sagte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Mao Ning, am Montag. Sie warnte zudem, die USA sollten nicht versuchen, „China zu formen oder zu verändern“.

US-Pärsident Joe Biden  und der chinesische Präsident Xi Jinping
APA/AFP/Saul Loeb
Das letzte Treffen der beiden Präsidenten fand vor fast genau einem Jahr am Rande des G-20-Gipfels in Bali statt

Neben Handels- und Wettbewerbsfragen wird Biden mit Xi Regierungsbeamten zufolge auch den Krieg im Gazastreifen ansprechen. Peking unterhält gute Handels- und Diplomatiebeziehungen mit dem Iran, einem Land, das die Hamas und andere militante Gruppen im Nahen Osten unterstützt. Es wird erwartet, dass der US-Präsident gegenüber Xi betonen wird, dass die Vereinigten Staaten auf jede vom Iran verursachte Ausweitung des Krieges reagieren werden.

Konfliktthema Taiwan

Die weitere Liste an Konfliktthemen zwischen Washington und Peking ist lang, von Handel und Mikrochipproduktion über Menschenrechte bis zur Indopazifikregion, in der das aufstrebende China zunehmend dominant auftritt. Sorgen dürften den USA aktuell auch das Aufrüsten Chinas und die Machtdemonstrationen vor seiner Ostküste machen. Der bekannteste Aufhänger dafür ist der Taiwan-Konflikt.

Die demokratisch regierte Republik China auf der Insel Taiwan wird einerseits von der überwiegenden Mehrheit der weltweiten Staatengemeinschaft, auch von den USA, offiziell als Teil Chinas angesehen. Andererseits tritt Washington als Schutzmacht der demokratischen Führung in Taipeh auf, wobei es sich gleichzeitig nicht auf ein bestimmtes Vorgehen im Fall eines möglichen chinesischen Angriffs auf Taiwan festlegt.

chinesische Helikopter und Marineschiff in der Nähe von Taiwan
APA/AFP/Greg Baker
China macht in den Gewässern vor der Insel Taiwan immer wieder mit militärischen Machtdemonstrationen auf sich aufmerksam

Peking verlangt hingegen von Washington, zur offiziellen Ein-China-Politik zu stehen und sich nicht „in die inneren Angelegenheiten Chinas“ einzumischen. Biden, der Xi zuletzt vor einem Jahr am Rande des G-20-Gipfels in Bali getroffen hatte, will den chinesischen Präsidenten am Mittwoch auch vor einer Einmischung in Taiwans Präsidentschaftswahl in zwei Monaten warnen.

Militärische Präsenz der USA

Die USA haben außerdem auf den Inseln, die das Süd- und das Ostchinesische Meer nach Süden und Osten hin begrenzen – die „Erste Inselkette“ –, in den vergangenen Jahrzehnten eine umfassende Militärpräsenz aufgebaut. China befürchtet, dass die USA diese Präsenz im Fall des Falles benutzen könnten, um in Taiwan militärisch zu intervenieren oder den Zugang Chinas zum offenen Pazifik zu versperren.

Schiff der US-Navy „USS Milius“ in der Nähe von Taiwan
APA/AFP/US Navy/Omar-Kareem Powell
Die USA haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre militärische Präsenz in der Region stark ausgebaut

Die Rolle Taiwans als Schlüsselstelle zwischen dem Südchinesischen und dem Ostchinesischen Meer ist auch deswegen enorm heikel, da die Insel den Großteil der modernsten und leistungsfähigsten Computerchips für den Weltmarkt produziert.

Chinas Einfluss über die „Neue Seidenstraße“

Die Konflikte zwischen den USA und China entzünden sich auch am wirtschaftlichen Einfluss, den China ausbaut. Stellvertretend dafür steht vor allem das chinesische Projekt „Neue Seidenstraße“, auch One Belt, One Road genannt, mit dem China systematisch Infrastruktur und Volkswirtschaften vor allem in Asien, Europa und Afrika, aber auch in Zentral- und Südamerika unter seinen Einfluss bringt.

Der Preis großer, aber oft nur punktueller Infrastrukturprojekte Chinas für die häufig sehr armen Länder der Region ist eine starke Verschuldungsspirale und der Ausverkauf strategisch wichtiger Objekte, Strecken und Bodenschätze an die Chinesen.

Diplomatischer Austausch vor Treffen

Vor dem Treffen am Mittwoch haben die USA und China ihren diplomatischen Austausch in den vergangenen Monaten deutlich hochgefahren. Antony Blinken reiste im Juni als erster US-Außenminister seit fünf Jahren nach Peking. Seinen ursprünglich für Februar geplanten Besuch hatte er im Streit um den Überflug eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über die USA abgesagt.

Ende Oktober reiste dann der chinesische Außenminister Wang Yi nach Washington und traf dort Blinken und Biden. Er war der ranghöchste chinesische Politiker in der US-Hauptstadt seit fast fünf Jahren. Biden betont immer wieder, wie wichtig die Zusammenarbeit mit China bei großen internationalen Herausforderungen sei, ob bei Kriegen und Konflikten oder im Kampf gegen den Klimawandel.