Blick auf den Gazastreifen aus dem südlichen Israel
Reuters/Alexander Ermochenko
Kampf um Gaza-Stadt

Israel: Kontrollieren Hamas-Gebäude

Mehr als fünf Wochen nach Beginn des Gaza-Krieges hat die israelische Armee nach eigenen Angaben die Kontrolle über mehrere Regierungsgebäude der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas übernommen. Die humanitäre Krise in Gazas Spitälern wird immer größer. Im belagerten Al-Schifa-Spital wurden offenbar Leichen in einem Massengrab bestattet. US-Präsident Joe Biden zeigte sich optimistisch, dass die Freilassung der Geiseln gelingt. Eine der Geiseln, eine 19-jährige Soldatin, war zuvor für tot erklärt worden.

Laut israelischer Armee wurden das Hamas-Parlament und Gebäude der Polizei in Gaza erobert. Neben Verwaltungsgebäuden übernahm die Armee laut eigenen Angaben auch die Kontrolle über eine Ingenieursfakultät. Diese habe als „Institut für die Produktion und Entwicklung von Waffen“ gedient. In Onlinemedien waren Bilder zu sehen, auf denen israelische Soldaten die israelische Flagge auf dem Podium des Parlamentschefs ausbreiteten. Zudem zeigten die Aufnahmen Soldaten vor einer Mauer, auf der „Sitz der Militärpolizei“ stand.

Die Armee entdeckte nach eigenen Angaben auch einen Tunneleingang, „der sich in einer Moschee im Gazastreifen“ befinde. Mit Kampfflugzeugen und Hubschraubern sei zudem eine „Terrorzelle“ bombardiert worden, „die Panzerabwehrraketen gegen Soldaten“ abgefeuert habe.

Nach Darstellung der israelischen Regierung bricht die Macht der islamistischen Hamas im Gazastreifen durch die Kämpfe immer weiter zusammen. „Die Terrororganisation Hamas hat die Kontrolle über Gaza verloren“, erklärte Verteidigungsminister Joav Galant. „Zivilisten plündern Hamas-Stützpunkte und sie haben kein Vertrauen in ihre Regierung“, sagte er Montagabend. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

WHO widerspricht Hamas

Auf dem Gelände des Al-Schifa-Krankenhauses sind laut Hamas-kontrolliertem Gesundheitsministerium Dutzende Leichen in einem Massengrab in einem Innenhof beerdigt worden, darunter rund 180 bereits verwesende Körper. Die Aussagen ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die Klinik ist aber entgegen den Hamas-Angaben nicht außer Betrieb, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Dienstag in Genf mitteilte.

Gaza: Dramatische Lage in Spitälern

Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge die Kontrolle über mehrere Regierungsgebäude der islamistischen Hamas in Gaza-Stadt übernommen. Dazu gehörten das Parlament und Gebäude der Polizei, erklärte das israelische Militär. Israels Armee will beweisen, wie die Terroristen zivile Gebäude und die Menschen darin als Schutzschilde missbrauchen. Die Hamas bezeichnet die Aufnahmen als „gefälscht“.

„Für uns ist es wegen des heroischen Einsatzes des verbleibenden Personals ein funktionierendes Krankenhaus“, sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris. Es seien noch rund 700 schwer kranke Patientinnen und Patienten zu versorgen. „Wir betteln um eine Feuerpause.“ Die Hamas fordert für die Evakuierung des Spitals einen Waffenstillstand. Dazu ist Israel nach eigenen Angaben nur gegen Freilassung der von der Hamas entführten fast 240 Menschen bereit.

Israel reagierte mit seinen Angriffen auf den beispiellosen Terrorangriff der islamistischen Hamas im Süden Israels mit mehr als 1.200 Toten, nach jüngsten Angaben der israelischen Polizei sind darunter mindestens 859 Zivilistinnen und Zivilisten. Zudem entführten die Terroristen rund 240 Menschen in den Gazastreifen.

Israel: Kampf um Gaza-Stadt

Mehr als fünf Wochen nach Beginn des Gaza-Krieges hat die israelische Armee nach eigenen Angaben die Kontrolle über mehrere Regierungsgebäude der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas übernommen. Die humanitäre Krise in Gazas Spitälern wird immer größer. Angesichts Tausender getöteter Zivilisten steigt der Druck auf Israel für eine Feuerpause.

Israel: Hamas-Zentralen in Spitälern

Nach israelischer Darstellung betreibt die Hamas in oder unter Krankenhäusern Kommandozentralen. Im Keller einer Kinderklinik in der Stadt Gaza hatten israelische Soldaten den Angaben zufolge zahlreiche Waffen palästinensischer Extremisten gefunden. Hamas-Führer Chalil al-Haja sagte dem Sender al-Jazeera, Israel werfe mit Falschbehauptungen um sich.

Auch die US-Regierung schloss sich der israelischen Darstellung an, wonach die islamistische Hamas ein Kommandozentrum auf dem Gelände des Al-Schifa-Krankenhauses im Gazastreifen eingerichtet hat. Die Hamas und die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad betrieben einen „Kommando- und Kontrollknoten von al-Schifa in der Stadt Gaza“ aus, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Dienstag zu Journalistinnen und Journalisten.

ORF-Korrespondenten zur Lage in Gaza

Die humanitäre Lage im Gazastreifen spitzt sich nach Angaben internationaler Organisationen weiter zu. Und Israel vermutet in den Tunnelsystemen noch zahlreiche Hamas-Terroristen und bekämpft sie. In der ZIB2 Liveberichte aus Israel und den USA.

„Sie haben dort Waffen gelagert und sie sind darauf vorbereitet, auf einen israelischen Militäreinsatz gegen die Einrichtung zu antworten“, sagte Kirby an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One weiter. Er sprach von einem „Kriegsverbrechen“. Die Einschätzung zur Nutzung des Krankenhauses als Hamas-Kommandozentrale fußt nach Angaben Kirbys auf eigenen Erkenntnissen der USA.

Hamas: 11.500 Tote in Gaza

Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn nach Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Verwaltung auf 11.500 gestiegen. 29.000 Menschen seien seither verletzt worden, teilte ein Informationsbüro der Verwaltung am Dienstag weiter mit. Auch diese Angaben lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen. Die Vereinten Nationen und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen aus dem Gazastreifen in der Vergangenheit als glaubwürdig herausgestellt hätten.

Wasserversorgung in Gefahr

Zwei Wasserversorger im Süden des Gazastreifens stellten nach UNO-Angaben mangels Treibstoff ihre Arbeit ein. Rund 200.000 Menschen bekämen deshalb kein Trinkwasser mehr, berichtete das UNO-Nothilfebüro (OCHA). Damit sei auch eine Verteilung von Hilfsgütern, die über den Rafah-Grenzübergang aus Ägypten kommen, infrage gestellt. Straßenkämpfe in der Stadt Gaza verhinderten zudem, dass Nothelfer nach israelischen Bombardements auf Hilferufe von unter Trümmern Verschütteten reagieren können.

Israels Armee räumte Zivilisten im nördlichen Gazastreifen am Dienstag erneut ein Zeitfenster für die Flucht in den Süden ein. Zudem nannte ein Armeesprecher auf Twitter (X) zwei Viertel der Stadt Gaza, in denen tagsüber eine humanitäre Kampfpause stattfand.

Insgesamt sind knapp 1,6 Millionen der rund 2,2 Millionen Einwohner des Küstengebiets auf der Flucht. Das UNO-Hilfswerk für Palästinenser (UNRWA) gibt an, in seinen Gebäuden im Süden – darunter viele Schulen – aktuell fast die Hälfte von ihnen zu beherbergen.

Als Geisel vermutete Friedensaktivistin ist tot

Eine zeitweise unter den von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Geiseln vermutete israelisch-kanadische Friedensaktivistin ist tot. Vivian Silvers Leiche sei gefunden worden, teilte das israelische Außenministerium mit. Die 74-Jährige aus dem Kibbuz Be’eri war seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober vermisst worden. Ihr Sohn Jonatan Zeigen war von einer Entführung seiner Mutter in den Gazastreifen ausgegangen.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) verhandelt mit der Hamas über Zugang zu den entführten Geiseln. „Wir bestehen darauf, die Geiseln zu sehen“, sagte Sprecherin Fatima Sator am Dienstag in Genf. „Das ist Teil unseres Dialogs mit der Hamas.“ Israels Außenminister Eli Cohen war in Genf zu Gesprächen mit der IKRK-Spitze und UNO-Organisationen und forderte ein energischeres Vorgehen des IKRK.

Medizinische Einrichtungen in Gaza laut OCHA-Datenbank und OpenStreetMap-Einträgen, zum Zoomen Touchscreen oder blaue Buttons (rechts) verwenden

Biden: „Glaube an Geiselfreilassung“

US-Präsident Biden zeigten sich am Dienstag unterdessen optimistisch, dass es zu einem Deal zur Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln kommt. Den Angehörigen, von denen er einige bei seinem Besuch in Israel getroffen hatte, rief er auf eine entsprechende Frage von Medienvertretern zu: „Haltet durch, wir kommen.“ Kurz danach teilte das Weiße Haus mit, dass der Nahost-Vermittler Brett McGurk in die Region unterwegs sei. Seit Wochen vermitteln die USA, Ägypten und Katar zwischen Israel und der Hamas über einen Deal zur Freilassung der Geiseln. Unklar ist, ob die Entsendung McGurks auf einen bevorstehenden Deal hindeutet.

Katar rief Israel und die Hamas fast zeitgleich dazu auf, einer Vereinbarung zuzustimmen. „Wir glauben, dass es für beide Seiten keine andere Gelegenheit als diese Vermittlung gibt, um eine Situation zu erreichen, in der wir in dieser schrecklichen Krise einen Hoffnungsschimmer sehen können“, so der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madsched Al-Ansari.

19-jährige Geisel tot

Die israelische Armee bestätigte unterdessen am Dienstag den Tod der 19-jährigen Hamas-Geisel Noa Marciano. Am Montag hatte die Hamas ein Video veröffentlicht, in dem Marciano sich selbst identifiziert. Dazu veröffentlichten sie ein Foto, das Marciano offenbar tot zeigt. Die Hamas warf Israel vor, Marciano bei einem Luftangriff getötet zu haben.

„Psychoterror der Hamas“

Die israelische Armee machte keine Angaben zur Todesursache. „Die Hamas übt weiter Psychoterror aus und verhält sich mit dem Veröffentlichen von Videos und Bildern Entführter unmenschlich – so wie sie das auch in der Vergangenheit gemacht hat“, so ein Sprecher der Armee.

Die Videos lösen bei den Angehörigen, die sich ohnehin in einem psychischen Ausnahmezustand befinden, zusätzlich Stress aus. Sie wissen oft nicht, von wann ein Video stammt und ob die Entführten zum jeweils aktuellen Zeitpunkt noch am Leben sind – und wenn ja, wie es ihnen geht. Im Fall von Marciano lässt sich aus ihren Aussagen erkennen, dass das Video wohl wenige Tage nach der Entführung gemacht und erst mehr als einen Monat später von der Hamas für ihre eigenen Zwecke veröffentlicht wurde. Es soll vor allem den Druck auf Israels Regierung, mit den Bombardements in Gaza aufzuhören, erhöhen.

Protestmarsch der Angehörigen nach Jerusalem

In Israel machen die Familien der Entführten, unterstützt von weiten Teilen der Bevölkerung, Druck auf die Regierung, die Verhandlungen zu beschleunigen und zu priorisieren. Auch am Dienstag demonstrierten Hunderte vor dem Regierungssitz in Tel Aviv und forderten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu einem Treffen auf. „Treffen Sie uns und erklären Sie, welche Bedingungen Israel für einen Austausch von Geiseln stellt“, stand in einer Pressemitteilung des Forums der Angehörigen der Geiseln.

Es war der Startschuss eines Protestmarschs von Tel Aviv nach Jerusalem zur Residenz von Netanjahu. Die Regierung hatte erst nach längerem Zögern die Freilassung der Entführten neben der „Zerstörung“ der Hamas offiziell zum zweiten, gleichwertigen Kriegsziel ernannt.

Die USA und Großbritannien verhängten unterdessen neue Sanktionen gegen die Hamas. Im Fokus stehen dabei die Geldtransfers aus dem Iran, etwa via Libanon, an die Hamas.