Ein israelischer Soldat
Reuters/Israeli Army
„Gezielte Operation“

Israels Armee dringt in Al-Schifa-Spital ein

Die israelischen Streitkräfte sind eigenen Angaben zufolge in das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt eingedrungen. Man führe auf Grundlage nachrichtendienstlicher Informationen „eine präzise und gezielte Operation gegen die Hamas in einem bestimmten Bereich des Al-Schifa-Spitals“ durch, wie das israelische Militär Mittwochfrüh mitteilte. Das größte Krankenhaus steht seit Tagen im Fokus der israelischen Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen. Israel wirft der Hamas schon länger vor, ihr militärisches Hauptquartier in Tunneln unter dem Krankenhaus errichtet zu haben.

Der Sprecher der israelischen Armee, Peter Lerner, sagte dem Sender CNN, das Krankenhaus und der Komplex seien für die Hamas „ein zentraler Knotenpunkt ihrer Operationen, vielleicht sogar das schlagende Herz und vielleicht sogar ihre Schaltzentrale“. Den israelischen Armeeangaben zufolge seien zu Beginn der Operation mehrere Kämpfer der radikalislamischen Hamas getötet worden.

„Bevor unsere Soldaten in das Krankenhaus vorgedrungen sind, waren sie mit Sprengsätzen und Gruppen von Terroristen konfrontiert. Es folgten Kämpfe, bei denen Terroristen getötet wurden“, teilte das Militär mit. Im israelischen Armeeradio war von fünf Toten die Rede, zudem seien Waffen gefunden worden.

Israel: Hilfsgüter in Spital gebracht

„Es kam zu Schusswechseln auf dem Hof, und in einem der Gebäude waren einige Fensterscheiben zerstört“, zitierte CNN zuvor einen offenbar im Spital befindlichen Journalisten. Laut einem Sprecher der von der Hamas kontrollierten Gaza-Gesundheitsbehörde hätten israelische Soldaten zentrale Teile des Spitals gestürmt und dann damit begonnen, den Keller zu durchsuchen.

Israelischen Angaben zufolge seien im Rahmen des Einsatzes auch medizinische Hilfsgüter ins Spital gebracht worden, darunter Brutkästen und Babynahrung.

Israelische Armee rückt in Spital vor

Die israelischen Streitkräfte führen nach eigenen Angaben in Teilen des größten Krankenhauses in Gaza, in denen sie die Hamas vermuten, eine gezielte Militäroperation durch. Die USA haben sich von der Militäraktion distanziert.

Berichte: Einsatz nach Vorwarnung

Den Berichten zufolge habe das israelische Militär im Vorfeld über den bevorstehenden Einsatz gewarnt. Wie lange im Voraus die Warnung erfolgte, sei unklar, so CNN. Ein im Spital arbeitender Arzt sagte dem US-Sender zufolge, dass die Warnung rund 30 Minuten vor der Razzia erfolgt sei. Die israelischen Streitkräfte hätten den Angaben zufolge alle im Spital befindlichen Hamas-Terroristen aufgefordert, sich zu ergeben.

Israel betonte bei der Bekanntgabe der Militäraktion, Zivilisten im Krankenhaus schützen zu wollen. Den vorrückenden Kräften gehörten auch Mediziner und Arabischsprachige an. Sie seien besonders geschult, damit den als menschliche Schutzschilde missbrauchten Zivilisten kein Schaden entstehe.

Man habe die Hamas mehrmals öffentlich gewarnt, dass die fortgesetzte Nutzung des Spitals dessen geschützten völkerrechtlichen Status untergrabe. Am Dienstag habe man den zuständigen Behörden in Gaza neuerlich kommuniziert, dass innerhalb von zwölf Stunden alle militärischen Aktivitäten innerhalb des Spitals enden müssten. „Leider ist das nicht passiert.“

UNO: Noch 2.300 Menschen auf Gelände

Um das größte Krankenhaus im Gazastreifen gibt es seit Tagen heftige Gefechte. Nach UNO-Angaben sitzen mindestens 2.300 Menschen – Patienten, Angestellte und Flüchtlinge – auf dem Gelände des Krankenhauses fest. US-Präsident Joe Biden hatte Israel am Montag aufgefordert, bei den Gefechten im Gazastreifen Rücksicht auf das Krankenhaus zu nehmen: „Das Krankenhaus muss geschützt werden.“

Das Weiße Haus distanzierte sich auch von der Militäraktion. „Wir unterstützen keine Luftangriffe auf ein Spital und wollen auch keine Feuergefechte in einem Spital sehen“, sagte ein Vertreter des Nationalen Sicherheitsrats der USA am Dienstagabend (Ortszeit).

WHO: „Kontakt zu medizinischem Personal verloren“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigte sich besorgt um die Sicherheit von Krankenhauspersonal und Patientinnen und Patienten. Wie WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf Twitter (X) weiter mitteilte, habe man den Kontakt zum medizinischen Personal des Krankenhauses wieder verloren.

Kritik am israelischen Vorstoß in das Krankenhaus kam am Mittwoch vom Leiter der humanitären UNO-Operationen, Martin Griffiths. Dieser zeigte sich in einer ersten Reaktion „entsetzt“ und betonte: „Krankenhäuser sind keine Kriegsschauplätze.“ Das jordanische Außenministerium bezeichnete die Aktion als „Verletzung des humanitären Völkerrechts“.

WHO widerspricht Hamas

Die WHO dementierte erst am Dienstag Angaben der Hamas, wonach das Al-Schifa-Spital außer Betrieb sei. „Für uns ist es wegen des heroischen Einsatzes des verbleibenden Personals ein funktionierendes Krankenhaus“, sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris. Es seien noch rund 700 schwer kranke Patientinnen und Patienten zu versorgen. „Wir betteln um eine Feuerpause.“

Nach israelischer Darstellung betreibt die Hamas in oder unter Krankenhäusern Kommandozentralen. Im Keller einer Kinderklinik in Gaza-Stadt hatten israelische Soldaten den Angaben zufolge zahlreiche Waffen palästinensischer Extremisten gefunden. Hamas-Führer Chalil al-Haja sagte dem Sender al-Jazeera, Israel werfe mit Falschbehauptungen um sich.

„Sie haben dort Waffen gelagert“

Auch die US-Regierung schloss sich der israelischen Darstellung an, wonach die Hamas ein Kommandozentrum auf dem Krankenhausgelände eingerichtet hat. Die Hamas und die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad betrieben einen „Kommando- und Kontrollknoten von al-Schifa in der Stadt Gaza“ aus, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Dienstag.

Medizinische Einrichtungen in Gaza laut OCHA-Datenbank und OpenStreetMap-Einträgen, zum Zoomen Touchscreen oder blaue Buttons (rechts) verwenden

„Sie haben dort Waffen gelagert und sie sind darauf vorbereitet, auf einen israelischen Militäreinsatz gegen die Einrichtung zu antworten“, so Kirby. Die Einschätzung zur Nutzung des Krankenhauses als Hamas-Kommandozentrale fußt nach Angaben Kirbys auf eigenen Erkenntnissen der USA.

Israel: Kontrollieren Hamas-Verwaltungsgebäude

Mehr als fünf Wochen nach Beginn des Gaza-Krieges hat die israelische Armee zuletzt offenbar auch die Kontrolle über mehrere Regierungsgebäude der Hamas übernommen. Wie die israelische Armee am Dienstag mitteilte, wurden das Hamas-Parlament und Gebäude der Polizei in Gaza erobert.

Neben Verwaltungsgebäuden übernahm die Armee laut eigenen Angaben auch die Kontrolle über eine Ingenieursfakultät. Diese habe als „Institut für die Produktion und Entwicklung von Waffen“ gedient. Die Armee entdeckte nach eigenen Angaben auch einen Tunneleingang, „der sich in einer Moschee im Gazastreifen“ befinde. Mit Kampfflugzeugen und Hubschraubern sei zudem eine „Terrorzelle“ bombardiert worden, „die Panzerabwehrraketen gegen Soldaten“ abgefeuert habe.

Hamas: 11.500 Tote in Gaza

Israel reagierte mit seiner Offensive auf den beispiellosen Terrorangriff der Hamas im Süden Israels mit mehr als 1.200 Toten, nach jüngsten Angaben der israelischen Polizei waren darunter mindestens 859 Zivilistinnen und Zivilisten. Zudem entführten die Terroristen rund 240 Menschen in den Gazastreifen. Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn nach Angaben der Hamas-Verwaltung auf über 11.500 gestiegen.

OCHA: Al-Ahli-Spital noch im „Minimalbetrieb“

Im nördlichen Gazastreifen nimmt nach UNO-Angaben angesichts der Kämpfe und wegen Treibstoffmangels nur noch ein Krankenhaus Patienten auf. Das Al-Ahli-Spital in Gaza-Stadt sei als einziges noch im „Minimalbetrieb“, teilte das UNO-Nothilfebüro (OCHA) in der Nacht auf Mittwoch mit.

„Alle anderen haben den Betrieb wegen eines Mangels an Strom, medizinischem Material, Sauerstoff, Essen und Wasser eingestellt.“ Im Al-Ahli-Krankenhaus seien derzeit etwa 500 Patienten untergebracht. Die Lage der ohnehin am Anschlag arbeitenden Kliniken im gesamten Gazastreifen hat sich in den vergangenen Tagen dramatisch verschlechtert. 22 der insgesamt 36 Krankenhäuser und Ambulanzen haben laut WHO den Betrieb komplett eingestellt.

UNRWA: Benzin als Waffe eingesetzt

Wegen Treibstoffmangels könnte die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen nach Einschätzung des UNO-Hilfswerkes für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) bald zusammenbrechen. Das Treibstoffdepot sei leer.

Seit Beginn des Krieges werde Benzin als Waffe eingesetzt, so das UNRWA. UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini rief alle Parteien dazu auf, Treibstoff zur Verfügung zu stellen und humanitäre Hilfe nicht für politische oder militärische Zwecke zu missbrauchen.

Israel kam eigenen Angaben zufolge indes einer Anfrage der US-Regierung nach und kündigte am Mittwoch die Betankung der von der UNO eingesetzten Lkws an. Kurz darauf passierte am Mittwoch erstmals seit Beginn der israelischen Gaza-Offensive ein Treibstoff-Lkw die Grenze von Ägypten in den Gazastreifen.

Ausfall von Kommunikation angekündigt

Man habe zwar rund 23.000 Liter Treibstoff und damit eine halbe Lkw-Ladung erhalten, bestätigte Thomas White vom UNRWA. So wie von Israel angekündigt dürfe der Treibstoff aber nur für den Transport von Hilfsgütern verwendet werden – es gebe somit auch weiterhin keinen Treibstoff für Wasserförderung und Spitäler, so White, dem zufolge etwa in der Grenzstadt Rafah mittlerweile alle Wasserpumpen außer Betrieb seien.

Wegen fehlenden Treibstoffs für die Stromerzeugung droht nach palästinensischen Angaben zudem der Totalausfall der Kommunikationsnetze im Gazastreifen. Die Hauptrechenzentren müssten nach und nach außer Betrieb gehen, schrieb das im Westjordanland ansässige palästinensische Unternehmen Paltel auf Facebook. Derzeit funktionierten die zentralen Netzwerkelemente ausschließlich mit Batterien.

Regen verschärft humanitäre Lage

Unterdessen schürten auch heftige Regenfälle im Gazastreifen die Sorgen vor einer weiteren Verschärfung der humanitären Lage. „Unsere Unterkunft ist nicht geeignet, um darin im Winter zu leben“, sagte die Palästinenserin Hiba Sajid, die mit ihrer Familie in ein UNRWA-Flüchtlingslager im Süden geflohen war.

Am Dienstag war es zu den ersten größeren Regenfällen seit Beginn des Krieges am 7. Oktober im Gazastreifen gekommen. Auf Videos in sozialen Netzwerken waren überschwemmte Straßen zu sehen und Menschen, die versuchten, zusammengebrochene Zelte wieder aufzubauen. In den Wintermonaten wird mit einer deutlichen Zunahme des Niederschlags gerechnet, der in Gaza bereits vor dem Krieg häufig zu Überschwemmungen führte.