Ein Landwirt befüllt seine landwirtschaftliche Maschine mit Roundup
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Um zehn Jahre

EU verlängert Zulassung von Glyphosat

Die EU-Kommission will die Zulassung des umstrittenen Wirkstoffs Glyphosat als Unkrautvernichter um weitere zehn Jahre verlängern. Über das Herbizid und seine möglichen „Nebenwirkungen“ wird seit Jahren gestritten. Die Mitgliedsstaaten konnten sich auf keine gemeinsame Position einigen, nun entschied die Kommission auf eine Verlängerung der Zulassung, allerdings mit Auflagen.

Zu diesen Auflagen bzw. Einschränkungen gehöre unter anderem, dass der Wirkstoff nicht als Trockenmittel vor der Ernte ausgebracht werden darf, hieß es. Dabei geht es darum, Blätter bzw. Pflanzen, etwa bei Erdäpfeln, abzutöten, um sie einfacher ernten zu können. Außerdem soll beim Einsatz von Glyphosat eine Art Sicherheitsabstand zu anderen Pflanzen eingehalten werden.

Die Entscheidung der EU-Kommission fiel am Donnerstag überraschend schnell. Zuvor hatte sich im EU-Berufungsausschuss erneut keine qualifizierte Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten für die – von der Kommission vorgeschlagene – Verlängerung der Zulassung gefunden. Damit war die Kommission am Zug. Die Frist hätte erst am 15. Dezember geendet, zu diesem Datum läuft auch die aktuelle Zulassung für das Herbizid aus.

EU: Glyphosatzulassung soll verlängert werden

Stefan De Keersmaecker, Sprecher der EU-Kommission, hat verlautbart, dass die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat um weitere zehn Jahre verlängert werden soll. Da im Berufungsausschuss erneut keine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für die Zulassung erzielt wurde, liegt der Ball nun bei der Kommission.

Österreich stimmte gegen Antrag

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte eine Wiederzulassung in ihrer letzten Bewertung unkritisch gesehen, ähnlich zuvor schon die Europäische Chemikalienbehörde (ECHA). Um eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen, hätten mindestens 55 Prozent der EU-Staaten (15 von 27 Ländern), die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen, für oder gegen den Vorschlag stimmen müssen.

„Die Mitgliedsstaaten sind für die nationale Zulassung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel zuständig“, machte die Kommission deutlich. Sie könnten deren Verwendung weiterhin auf nationaler und regionaler Ebene einschränken, „wenn sie dies aufgrund der Ergebnisse von Risikobewertungen für erforderlich halten, insbesondere unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, die biologische Vielfalt zu schützen“.

Ein Landwirt versprüht Glyphosat am Feld
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Das Thema Glyphosat und mögliche gesundheitsschädliche Wirkungen sorgen seit Jahren für Kontroversen

Bei der ersten Abstimmung am 13. Oktober stimmte Österreich – wie auch Kroatien und Luxemburg – aufgrund eines Parlamentsbeschlusses gegen den Antrag. Sechs EU-Staaten, darunter Frankreich und Deutschland, enthielten sich. Laut Beobachtern war das Abstimmungsverhalten diesmal ähnlich.

Alleingänge in Richtung Verbot schwer möglich

Bei einer neuerlichen Zulassung kann Österreich im Alleingang den Einsatz von Glyphosat nicht aussetzen. Allerdings wurde im Jahr 2021 ein Teilverbot im Nationalrat beschlossen. Seitdem darf Glyphosat, unter dem Namen „Roundup“ auf dem Markt, an sensiblen Orten wie Kinderspielplätzen, Parks und Gesundheitseinrichtungen nicht mehr eingesetzt werden. In der Landwirtschaft, in der es bei Weitem am meisten zum Einsatz kommt, blieb es aber erlaubt.

„Die Kommission hat dieses Ergebnis selbst forciert, weil sie nach der ersten Abstimmung über die Zulassung ihren rechtswidrigen Vorschlag nicht verändert hat. Erneut lagen zehn weitere Jahre Glyphosat mit nur minimalen Einschränkungen auf dem Tisch“, kommentierte Sarah Wiener, grüne EU-Abgeordnete und Berichterstatterin der neuen EU-Pestizidverordnung, die kommende Woche im EU-Parlament abgestimmt wird. Zwei Drittel der EU-Bürger und -Bürgerinnen seien laut Umfragen gegen Glyphosat.

Weit verbreitetes und umstrittenes Herbizid

Glyphosat zählt zu den weltweit am meisten eingesetzten Herbiziden und wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, den der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer übernahm. Mit dem Zukauf holte sich Bayer auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat ins Haus.

Behörden weltweit, darunter die US-Umweltbehörde EPA und die Europäische Chemikalienagentur, haben das Herbizid als nicht krebserregend eingestuft – eine Ansicht, der viele Umweltschutzorganisationen widersprechen.

Bayer begrüßte in einer ersten Stellungnahme gegenüber der APA die Entscheidung der EU-Kommission. „Diese erneute Genehmigung ermöglicht es uns, Landwirten in der gesamten Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stellen zu können.“

Gewessler kritisiert Kommission

„In bereits zwei Abstimmungen hat es für die Verlängerung von Glyphosat keine qualifizierte Mehrheit geben – trotzdem will die Europäische Kommission das giftige Mittel für weitere zehn Jahre genehmigen. Damit werden die Auswirkungen auf die Biodiversität und unsere Gesundheit ignoriert“, warnte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einem Statement. „Wir werden weiterhin entschieden gegen die Verlängerung des schädlichen Unkrautbekämpfungsmittels kämpfen.“

„Schwarzer Tag für Menschen, Tiere und Umwelt“

Kritik an der Entscheidung kam unter anderem von der SPÖ. Der sozialdemokratische Europasprecher Jörg Leichtfried sprach in einer Aussendung von einem „schwarzen Tag für Menschen, Tiere und Umwelt“. Die Entscheidung sei „ein Sieg der Pharma- und Agrarlobby“. Es sei „völlig inakzeptabel, dass die EU-Kommission diesem Druck nachgegeben hat“. Die Bevölkerung wolle „gesunde Nahrungsmittel ohne krankmachende Pestizide“.

ÖVP erfreut

„Unsere eigenen europäischen Behörden (EFSA und ECHA) haben über 2.400 Studien zu Glyphosat bewertet und keine ausreichenden Gründe gefunden, die gegen eine Wiederzulassung sprechen. Ich bin erfreut, dass die EU-Kommission nun diesen Empfehlungen folgen wird“, erklärte Alexander Bernhuber, ÖVP-Agrarsprecher im EU-Parlament.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 kritisierte eine „skandalöse Wiederzulassung“ des Herbizids ohne wirkliche Rückendeckung der EU-Mitgliedsstaaten. „Mit ihrer heutigen Ankündigung, Glyphosat zu verlängern, rollt die EU-Kommission der Agrarlobby den roten Teppich aus. Glyphosat vergiftet unsere Felder und gefährdet die Gesundheit der Menschen in der EU“, hieß es in einer Aussendung von Greenpeace.