Die EU-Kommission steht in der Kritik, weil sie über X (Twitter) für eine umstrittene Verordnung gegen Kindesmissbrauch geworben und dabei bestimmte Zielgruppen anvisiert haben soll. Die Werbung sollte unter anderem die Sorge vor einer „Chatkontrolle“ beschwichtigen.
Die Datenschutzorganisation noyb, mitgegründet vom Österreicher Max Schrems, hat Beschwerde gegen die Kommission beim EU-Datenschutzbeauftragen (EDPS) eingelegt, wie noyb heute mitteilte.
Die Behörde habe die Kommission bereits um Informationen ersucht und analysiere aktuell deren Antwort, heißt es in einer Stellungnahme des EDPS gegenüber der APA. Die Behörde bestätigte den Eingang der noyb-Beschwerde. Inhaltlich könne man aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Kommentar abgeben.
Von Datenexperten aufgedeckt
Aufgedeckt hatte das Ganze ein niederländischer Datenexperte. Die Kommissionskampagne sei gezielt Nutzerinnen und Nutzern in Ländern angezeigt worden, deren Regierungen dem Vorschlag der Brüsseler Behörde kritisch gegenüberstehen.
Darüber hinaus sei „Microtargeting“ angewandt worden: Nutzern, die sich beispielsweise für „Julian Assange“, „Brexit“, den Korruptionsskandal im EU-Parlament oder europaskeptische Parteien interessierten, sollte die Werbung nicht angezeigt werden. Die EU-Kommission selbst kritisierte die Verwendung personenbezogener Daten für „Microtargeting“ einst als „ernsthafte Bedrohung für einen fairen, demokratischen Wahlprozess“.
Darüber hinaus sind die von der EU präsentierten Daten in der Werbung umstritten: So heißt es darin etwa, dass es 95 Prozent der Niederländer wichtiger fänden, Kindesmissbrauch online aufzudecken, als ihr Recht auf Privatsphäre im Netz. „In der Fragestellung wurden die negativen Auswirkungen allerdings nicht erwähnt und sehr allgemein gefragt“, heißt es in einem Bericht des Nachrichtenportals Netzpolitik. Das Posting mit der niederländischen Werbung ist immer noch online – allerdings mit einem Hinweis versehen, dass es sich um irreführende Informationen handle.