Vulkanausbruch auf Island im Juli 2023
Reuters/Civil Protection Of Iceland
Langfristige Prognose

Islands Vulkane bleiben auf Jahre unruhig

Seit fast vier Wochen brodelt es unter der isländischen Halbinsel Reykjanes. Tausende Erdbeben und tiefe Risse im Boden kündigen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einen Vulkanausbruch an, die Kleinstadt Grindavik wurde letztes Wochenende geräumt. Mittlerweile gilt eine Eruption als eine Frage von Tagen. Sie könnte der Beginn für unruhige Jahre im Südwesten Islands sein.

Laut Angaben der isländischen Meteorologie- und Geologiebehörde Iceland Meteorological Office (IMO) vom Freitag dürfte in dem vulkanischen Tunnel unter der Halbinsel das Magma bereits bis auf ein Niveau von 800 Meter unter der Erdoberfläche gestiegen sein – und steige langsam weiter.

Geophysikalische Modelle zeigten einen rund 15 Kilometer langen Magmaeinbruch nordwestlich von Grindavik. Die Wahrscheinlichkeit einer Eruption sei hoch, und der Zeitrahmen dafür bewege sich bei wenigen Tagen. Die IMO berichtete Freitagfrüh von 500 registrierten Erdbeben seit Mitternacht, am Donnerstag waren es 800. Die seismische Aktivität sei gleichbleibend, schrieb die Behörde, die aktuell hohe Warnstufe bleibe aber aufrecht.

Riesige Spalten in der Erde

Die Indizien für einen baldigen Vulkanausbruch auf der Halbinsel, nicht weit weg von der isländischen Hauptstadt Reykjavik, hatten sich gegen Ende Oktober mit erhöhter seismischer Aktivität anzukündigen begonnen, es folgten Tausende Erdbeben unterschiedlicher Stärke.

Polizist neben aufgerissener Straße in Grindavik
Reuters/Marko Djurica
Straße in Grindavik, vom Vulkan „verschluckt“

Am Freitag veröffentlichte die BBC ein Video, aufgenommen aus einem Hubschrauber über Grindavik. Darauf waren riesige Spalten in der Erde zu sehen, aus denen Dampf steigt, und in der Stadt menschenleere Straßen. Laut IMO stieg die Konzentration an Schwefeldioxid (SO2) in der Luft. Zuletzt durften Bewohner der Fischersiedlung kurz in ihre Häuser zurück, um die notwendigsten Dinge zu holen. Grindavik, das rund 40 Kilometer südwestlich von Reykjavik liegt, war wegen Gefahr im Verzug in der Nacht auf letzten Samstag geräumt worden, zuvor bereits die bei Touristen beliebte Blaue Lagune, ein natürlicher Thermalsee.

Beginn eines vulkanischen Zyklus?

Lange war es laut IMO unter der Halbinsel Reykjanes ruhig, die aktuelle vulkanische Aktivität aktuell könnte allerdings mehr als eine kurze Episode werden. Was bereits 2021 begonnen hatte, könne sich zu einem „eruptiven Zyklus“, also einer Serie von Vulkanausbrüchen, entwickeln, so Matthew Roberts, einer der Geschäftsführer des IMO – der könnte Jahrzehnte dauern.

„Wir erwarten vulkanische Eruptionen entlang der ganzen Halbinsel“, zitierte ihn die BBC am Freitag, „nicht nur wiederholt in derselben Region“. Das IMO überwacht die seismischen Aktivitäten in der Regionen 24 Stunden am Tag. Der Magmatunnel wurde Freitag vor einer Woche entdeckt. Roberts zog laut BBC einen Vergleich zu einem „unterirdischen Güterzug“.

Plötzlich eine Geisterstadt

Kurz nach der Evakuierung der Stadt begannen sich Risse in den Straßen aufzutun, die Erdbebenserien beschädigten Häuser. Der westliche Teil der rund 3.700 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Gemeinde hat sich in einer Woche um mehr als einen Meter gesetzt und tut das weiter um einige Zentimeter pro Tag.

Polizist sperrt Straße nach Grindavik
Reuters/Marko Djurica
Straßensperren wegen vulkanischer Gefahr im Verzug

Geophysikalische Karten zeigten Punkte mit „hochvolatilen“ Daten, wo eine Eruption eine Frage von Tagen oder Wochen sei, hieß es am Freitag bei der BBC nach einem Lokalaugenschein im IMO. Luftaufnahmen ließen vermuten, dass das Magma in einem jahrhundertealten Riss im Untergrund fließt.

Unruhige Insel

In Island sind vulkanische Aktivitäten und Erdbeben relativ häufig. Die Landschaft der nordischen Insel ist von Vulkanen, heißen Quellen, Geysiren und Lavafeldern geprägt. Auf dem Meeresgrund verläuft der tektonisch aktive Mittelatlantische Rücken.

Islands Vulkane bleiben unruhig

Die Menschen der von einem Vulkanausbruch bedrohten Stadt Grindavik in Island müssen sich darauf einstellen, längere Zeit nicht in ihren Häusern wohnen zu können. Behörden hatten den Ort mit etwa 3.700 Einwohnern vor einer Woche nach einer Erdbebenserie vorsichtshalber evakuiert.

Erst im Juli brach ein Spaltenvulkan nahe dem Berg Litli-Hrutur auf der Halbinsel Reykjanes aus, Lava trat aus, Erdbeben mit einer Stärke über 5,0 auf der Richterskala erschütterten die Region. 2021 hatte es ebenfalls Eruptionen in dem Vulkangebiet nahe der isländischen Hauptstadt gegeben.

Eyjafjallajökull legte 2010 Luftverkehr lahm

Allerdings: Während Reykjavik der wesentliche Ballungsraum der Insel mit ihren knapp 390.000 Einwohnern ist, leben auf der Reykjanes-Halbinsel relativ wenige Menschen. Der Flughafen Keflavik war von den jüngsten Vulkanausbrüchen nicht betroffen. Im Frühjahr 2010 hatte das noch ganz anders ausgesehen. Der Ausbruch des Vulkangletschers Eyjafjallajökull hatte den internationalen Flugverkehr damals über Tage ins Chaos gestürzt.

Aschewolke über Eyjafjallajokull, 2010
Reuters/Ingolfur Juliusson
Der Eyjafjallajökull schickte laufend dunkle Aschewolken in den Himmel

Aber auch die aktuelle Situation ist nicht ganz alltäglich: Eine Evakuierungsaktion wie in Grindavik hat es laut BBB seit 50 Jahren nicht mehr gegeben. 1973 war der Vulkan Eldfell auf der Insel Heimaey südlich von Island ausgebrochen. Die gleichnamige Stadt bzw. die gesamte Insel mit damals knapp 5.000 Einwohnern musste geräumt werden. Nach dem Ausbruch blieb der Eldfell bis heute ruhig.

Unklare Perspektive

Wann auf der Reykjanes-Halbinsel wieder Ruhe einkehrt, ist ungewiss. Die Bewohner von Grindavik würden „zumindest“ einige Wochen warten müssen, bis klar ist, ob sich der unterirdische Lavastrom wieder beruhigt und sie dann in die Stadt zurückkehren können.

Blaue Lagune nahe Grindavik
APA/AFP/Halldor Kolbeins
Der Thermalsee Blaue Lagune wurde ebenfalls gesperrt

Das IMO erwarte keine plötzliche, „explosive“ Eruption, so Geschäftsführer Roberts. Das habe aber auch seine Schattenseite. Eine langsame Eruption könne bedeuten, dass Lava immer wieder und über Wochen aus Spalten austritt. Lava könnte in diesem Fall in Richtung Grindavik, der Blauen Lagune und des Geothermiekraftwerks Svartsengi fließen. Die Lagune bleibe auf jeden Fall bis Ende November geschlossen, berichtete am Freitag die „Iceland Review“ (Onlineausgabe).

„Die Natur gewinnt immer“

Das Kraftwerk soll mit einem fünf Kilometer langen Damm vor der Lava geschützt werden. Für die Errichtung der Barriere sei extra der größte verfügbare Bulldozer Islands mit einem Gewicht von über 100 Tonnen auf die Halbinsel gebracht worden, hatte es am Donnerstag geheißen.

Laut der Zeitung „Iceland Monitor“ wurde in einem Bohrloch des Geothermiekraftwerks Svartsengi SO2 festgestellt. Das bestätige Annahmen über die Bewegung des Lavastroms. Island habe – nach langer Erfahrung – alle möglichen Techniken entwickelt, um sich möglichst vor seinen Vulkanen zu schützen, so Roberts in der BBC. „Aber die Natur gewinnt immer, wenn eine Eruption lange genug dauert.“