Streikposten vor einer Tesla-Filiale in Segeltorp (Schweden)
Reuters/Tt News Agency
Keine Reinigung, keine Post

Schwedens Arbeiter boykottieren Tesla

In Schweden proben Arbeitervertreter gemeinsam den Aufstand gegen Tesla. Weil der Autohersteller einen Kollektivvertrag verweigert, begab sich zunächst eine Gewerkschaft in den Ausstand. Inzwischen schlossen sich alle möglichen Branchen an: Hafenarbeiter, Elektriker, Reinigungskräfte und andere. Sie weigern sich, Tesla-Produkte zu bearbeiten, abzuladen oder zu liefern. Der Konzern erhält in Schweden nicht einmal mehr seine Post.

Alle Räder stehen still, wenn … In Schweden sind es derzeit nicht alle, sondern die Reifen von Tesla-Autos. Denn der US-Autohersteller hat den geballten Zorn der schwedischen Arbeiterinnen und Arbeiter auf sich gezogen. Tesla weigert sich nämlich, einen Kollektivvertrag mit der schwedischen IF Metall abzuschließen. Das ist Teil der Firmenpolitik, Tesla stand deshalb schon wiederholt in mehreren Ländern in der Kritik. In Schweden will man sich diese Haltung jedoch nicht gefallen lassen.

Bereits Ende Oktober begannen rund 130 Mechanikerinnen und Mechaniker, die der Gewerkschaft IF Metall angehören, zu streiken. Bald schlossen sich aber immer mehr gewerkschaftlich organisierte Werke und Firmen an. Zunächst verweigerten die Hafenarbeiter, Tesla-Wagen abzuladen. Während Autos von Volvo und Mercedes in Malmö die Containerschiffe Richtung Autohäuser verlassen, bleiben die Teslas unberührt. Zunächst betraf das nur vier große Häfen, inzwischen alle.

Frachtschiffinspektor Goran Larsson sagte gegenüber dem US-Sender NPR, er informiere die Besatzung jedes ankommenden Schiffes über die Maßnahmen und prüfe, ob Teslas an Bord seien. „Wir wollen, dass es in Schweden eine gute Regulierung gibt – Recht und Ordnung rund um den Arbeitsplatz“, so Larsson. „Und das ist der erste Schritt, den wir machen werden.“

Nur Teslas werden ausgespart

Inzwischen verweigern auch manche Zulieferer die Arbeit für Tesla, etwa Hydro Extrusions, das Aluminiumprofile für die E-Autos herstellt. Jene Arbeiterinnen und Arbeiter, die im Werk in Vetlanda an Tesla-Produkten arbeiten, wollen demnächst in den Ausstand gehen, der Rest der Fabrik läuft wie gewohnt weiter.

Auch andere Branchen unterstützen den Protest, Reinigungskräfte etwa putzen keine Tesla-Büros mehr. Selbst Schwedens Postangestellte erklärten, dass sie die Zustellung von an das Unternehmen adressierter Post einstellen werden. Die Aktionen, um Tesla unter Druck zu setzen, sollen am 24. November weiter eskalieren.

Autoverteilzentrum im Hafen von Malmö
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Das Autoverteilzentrum im Hafen von Malmö: Derzeit bleiben Teslas auf den Schiffen zurück

„Rückgrat des Arbeitsmarktmodells“

Ungefähr 90 Prozent der schwedischen Arbeitskräfte gehören Gewerkschaften an und sind durch Kollektivverträge abgesichert. „Sie bilden das Rückgrat des schwedischen Arbeitsmarktmodells“, sagte Mikael Pettersson, Verhandlungsleiter der Elektrikergewerkschaft, gegenüber dem US-Magazin „Wired“. „Der Kampf für das schwedische Modell wird noch wichtiger, wenn es um ein so großes Unternehmen wie Tesla geht.“

„Wer nach Schweden kommt, muss auch die Regeln befolgen", so Torbjorn Johansson, Verhandlungssekretär beim schwedischen Gewerkschaftsverband LO gegenüber Reuters. Auch Tesla-Gründer Elon Musk müsse das akzeptieren. „Schwedische Arbeiter können es sich nicht leisten, diesen Kampf zu verlieren“, so Johansson.

Bisher erfolgreich verweigert

Doch Tesla wehrt sich seit Langem beharrlich gegen Bemühungen, seine Belegschaft weltweit gewerkschaftlich zu organisieren. In den USA konnte Tesla bisher alle Versuche der Belegschaften, sich gewerkschaftlich zu organisieren, vereiteln. Die Gewerkschaft United Auto Workers hat nun aber Tesla erneut im Visier, nachdem das Unternehmen gerade mit den drei großen Herstellern General Motors, Ford und Chrysler neue Abkommen geschlossen hatte.

Auch die deutschen Gewerkschaften setzten Tesla schon wiederholt unter Druck. In Grünheide bei Berlin arbeiten 11.000 Menschen in der Großfabrik Gigafactory. Anfang November wurden die Löhne um vier Prozent angehoben, aber die deutsche IG Metall erklärte, dass die Löhne immer noch rund 20 Prozent unter den deutschen Tarifverträgen liegen.

Daher dürfte die Solidarität mit den Streikenden in Schweden auch international groß sein. Laut der Gewerkschaft habe man von überall her Glückwünsche und Solidaritätsbekundungen erhalten. „Wir hoffen, dass Tesla-Arbeiter auf der ganzen Welt diesen Kampf aufnehmen“, so der Funktionär Anders Gustafsson. „Jemand muss der Erste sein.“

Kampf „symbolisch zu wichtig“

In Schweden entschied sich Tesla allerdings eben gegen einen Kollektivvertrag, wie ein Sprecher gegenüber der schwedischen Nachrichtenagentur TT sagte. „Wir bieten bereits gleichwertige oder bessere Vereinbarungen als die Tarifverträge an und sehen keinen Grund, eine andere Vereinbarung zu unterzeichnen.“

Schweden ist für Tesla ein kleiner Markt – heuer war er der fünftgrößte in Europa. Zudem stellt Tesla dort keine Autos her, könnte also das Land relativ einfach wieder verlassen. Der Arbeitsmarktanalyst German Bender hielt das gegenüber NPR nicht für wahrscheinlich. Zudem bezweifelte er, dass die schwedischen Gewerkschaften bald aufgeben würden. Ihr Kampf sei „symbolisch zu wichtig“, so Bender. „Und er wird wichtiger, je länger der Streik dauert.“