LKW mit Treibstoff am Grenzübergang Rafah
APA/AFP/Said Khatib
Zwei Tankwagen

Israel erlaubt etwas Treibstoff für Gaza

Um eine weitere Ausweitung der humanitären Katastrophe in Gaza zu vermeiden, hat Israel auf US-Druck hin nun der Lieferung begrenzter Mengen an Treibstoff zugestimmt. Bereits Freitagabend konnten so Telefon- und Internetverbindungen teils wiederhergestellt werden. Israel behauptet unterdessen, unter dem Al-Schifa-Krankenhaus eine Kommandozentrale der Hamas gefunden zu haben – und kündigt Militäroperationen auch im Süden von Gaza an.

Die Kommunikationsnetze im Gazastreifen sind nach Angaben des Anbieters am Freitagabend in einigen Teilen des Küstengebiets wiederhergestellt worden. Grund dafür sei, dass das UNO-Hilfswerk für Palästinenser (UNRWA) eine begrenzte Menge Treibstoff für den Betrieb der Hauptgeneratoren des Unternehmens bereitgestellt habe, teilte der Telekommunikationsanbieter Paltel mit. Das im Westjordanland ansässige palästinensische Unternehmen hatte am Abend zuvor den Zusammenbruch seiner Netze gemeldet.

Israelische Medien berichteten am Freitag unter Berufung auf die für Kontakte mit den Palästinensern zuständige israelische Cogat-Behörde, der in den Gazastreifen gelieferte Treibstoff dürfe dort auch für den Betrieb von Mobilfunkdiensten verwendet werden. Israel hatte zuvor mitgeteilt, zwei Tanklastern am Tag sei es künftig erlaubt, Diesel in den Küstenstreifen bringen.

Israel will Hamas aus Tunnelsystem zwingen

Das Kriegskabinett habe einer entsprechenden Empfehlung des Militärs sowie des Inlandsgeheimdiensts zugestimmt, bestätigte am Freitag ein Vertreter Israels. Israel will verhindern, dass der Treibstoff in die Hände der Hamas gerät. Diese braucht Diesel nicht zuletzt, um mit Generatoren die Belüftung des riesigen unterirdischen Tunnelsystems aufrechtzuerhalten. So soll der Druck auf Hamas-Kämpfer, die sich laut israelischer Mutmaßung vielfach in Tunneln versteckt halten, erhöht werden. Die Verwendung des Treibstoffs soll genau überprüft werden.

Gazastreifen: Leben mit dem Krieg

Die Bevölkerung im Gazastreifen sei von Hunger bedroht, warnen die Vereinten Nationen. ORF-Korrespondent Karim El Gawhary zeigt eine Familie, die im Süden des Gazastreifens in einem Zelt lebt.

Warnung von UNRWA

UNRWA hatte zuvor gewarnt, dass die humanitäre Unterstützung für die Menschen im Gazastreifen wegen des Spritmangels zusammenbrechen werde. Eine UNRWA-Sprecherin sagte, das Hilfswerk habe deswegen in seiner Fahrzeugflotte in den vergangenen Tagen keine Hilfsgüter mehr annehmen können. Zudem erschwere ein Zusammenbruch der Kommunikationsnetze im Gazastreifen die Koordination.

Entgegenkommen USA gegenüber

Israels Genehmigung für die Einfuhr kleiner Mengen Diesel in den Gazastreifen für humanitäre Zwecke sorgte für Ärger bei rechtsextremen Mitgliedern der israelischen Regierung. Die Entscheidung sei illegal, betonte der rechtsextreme Finanzminister Besalel Smotrich am Freitag auf X (Twitter).

Auch der israelische Oppositionspolitiker Avigdor Lieberman monierte die einseitige Maßnahme, während es zugleich keine humanitäre Geste der Entführer gegenüber den im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gebe. Israels Kriegskabinett kommt mit der Genehmigung den USA entgegen, die wiederum Israel im Krieg gegen die Hamas bisher weitreichend unterstützen und diplomatisch den Rücken freihalten.

Netanjahu: Hamas-Zentrale unter Spital gefunden

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach US-Medien gegenüber explizit vom Fund einer unterirdischen Hamas-Kommandozentrale im Al-Schifa-Krankenhaus. Die Armee habe im zweiten Untergeschoß eine Kommando- und Kontrollzentrale gefunden, sagte er dem Radiosender NPR am Freitag. Terroristen seien vor der Ankunft der Soldaten aus der Klinik geflüchtet. Die Armee habe dort auch Waffen und Bomben entdeckt. Die Hamas bestreitet die Existenz eines solchen Stützpunkts unter der Klinik.

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hatte Stunden zuvor eine Ausweitung der Einsätze im Gazastreifen angekündigt. „Wir sind kurz davor, das militärische System im nördlichen Gazastreifen zu zerschlagen (…). Wir werden in anderen Gebieten weitermachen“, sagte Halevi laut Mitteilung am Freitag bei einem Truppenbesuch in Gaza.

Am Abend bestätigte ein Militärsprecher, die Armee werde überall dort agieren, wo die Hamas existiere, „einschließlich des Südens des Gazastreifens“. Dorthin sind Hunderttausende Menschen, die im Norden wohnten, geflüchtet. Israel forderte zuletzt in Teilen der im Süden gelegenen Stadt Chan Junis die Menschen ebenfalls zum Verlassen auf, was auf eine bevorstehendes größeres Luftbombardement hindeuten könnte.

Deutlich mehr Ermordete bei Musikfestival

Am Freitag wurde bekannt, dass die Zahl der von der Hamas am 7. Oktober ermordeten Teilnehmer eines Musikfestivals viel höher ist als bisher angenommen. War die Zahl der Todesopfer bisher mit 260 bis 270 angegeben worden, berichteten israelische Medien unter Berufung auf polizeiliche Untersuchungen, dass die Zahl aktuell bei mindestens 350 liege.

Bahrain fordert Gefangenenaustausch

Die Führung des Golfstaats Bahrain forderte Israel und die Hamas am Freitag zu einem Gefangenenaustausch auf. Die Hamas solle sofort die aus Israel entführten Kinder und Frauen freilassen, verlangte Kronprinz und Ministerpräsident Salman bin Hamad al-Chalifa am Freitag.

Er glaube nicht, dass irgendeine arabische Führungspersönlichkeit die Hamas dazu bereits aufgefordert habe. Es sei deshalb Zeit für klare Worte. Zugleich verlangte der Kronprinz von Israel, weibliche und minderjährige palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen zu entlassen. Das sei notwendig, um den Konflikt und die „untragbare Situation“ im Gazastreifen zu beenden.

Fünf Staaten fordern IStGH-Ermittlungen

Fünf Staaten rief unterdessen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag wegen der Lage in den Palästinensergebieten an. Die IStGH-Vertragsstaaten Südafrika, Bangladesch, Bolivien, Komoren und Dschibuti hätten Ermittlungen zur „Situation im Staat Palästina“ beantragt, erklärte IStGH-Chefankläger Karim Chan am Freitag. Die 2021 eröffneten Ermittlungen zur Lage im Gazastreifen und im besetzten Westjordanland würden nun auf die „Eskalation der Auseinandersetzungen und der Gewalt“ seit den „Angriffen“ im Oktober 2023 ausgeweitet.

Anfang November hatten wiederum bereits die Angehörigen mehrerer israelischer Geiseln der Hamas eine Strafanzeige beim IStGH eingereicht. Nach Angaben ihres Anwalts Francois Zimeray fordern die Familien eine Verfolgung der Hamas wegen Völkermords sowie den Erlass von Haftbefehlen gegen Anführer der in Gaza herrschenden Palästinensergruppe.

Hamas publiziert neues Geiselvideo

Die Terrororganisation Hamas veröffentlichte am Freitag ein weiteres Video einer Geisel. Der darin zu sehende Mann soll nach Darstellung des bewaffneten Arms der Islamistenorganisation inzwischen tot sein. Die Echtheit des Videos, das im Telegram-Kanal der Kassam-Brigaden veröffentlicht wurde, konnte zunächst nicht überprüft werden. Israel spricht von Psychoterror der Hamas.

Wieder Gefechte an libanesisch-israelischer Grenze

Unterdessen gab es an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon wieder Gefechte. Das israelische Militär meldete am Freitag, mehrere „Terrorziele der Hisbollah“ angegriffen zu haben. Darunter sei auch ein Waffenlager gewesen. Darüber hinaus sei im Grenzgebiet eine „im Libanon identifizierte Terrorzelle angegriffen“ worden. Das Militär habe mehrere Abschüsse aus der Grenzregion identifiziert. Die proiranische Hisbollah erklärte, israelische Ziele mit „angemessenen Waffen“ attackiert und „direkte Treffer“ erzielt zu haben.