Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt
Reuters
Evakuierung

Viele Menschen verlassen Al-Schifa-Spital

Zahlreiche Menschen verlassen das zuletzt heftig umkämpfte Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt. Das berichten Journalisten an Ort und Stelle der Nachrichtenagentur AFP und der BBC. Die AFP spricht von Hunderten Menschen, die das Spital zu Fuß Richtung Süden verlassen. Das israelische Militär kündigte an, den Einsatz zur Evakuierung des Spitals ausweiten zu wollen, dementierte aber, eine Evakuierung angeordnet zu haben.

Zuvor hatte es Samstagfrüh Berichte der Nachrichtenagentur AFP gegeben, dass die israelische Armee eine Stunde Zeit gegeben habe, das Krankenhaus zu räumen. Viel mehr hätten sie einer Bitte des Krankenhausdirektors entsprochen, dass die Menschen, die das Spitalsgelände verlassen wollten, das über einen „sicheren Weg“ tun sollten, so die Armee. Die israelische Armee habe zu keinem Zeitpunkt die Evakuierung angeordnet.

Es sei sogar vorgeschlagen worden, dass jede Bitte um eine medizinische Evakuierung von der Armee unterstützt werde, hieß es in einer Erklärung. Das medizinische Personal solle bei den Patienten bleiben, die nicht weggebracht werden können. Zudem habe die israelische Armee dem Krankenhaus zusätzliche Lebensmittel, Wasser und humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt.

Israelische Soldaten im Al-Schifa-Krankenhaus
APA/AFP/Israeli Army
In den vergangenen Tagen führte die israelische Armee Operationen im Al-Schifa-Krankenhaus durch

Flucht aus Spital mit weißen Fahnen

Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums befinden sich noch 120 Verletzte und einige frühgeborene Säuglinge im Al-Schifa-Krankenhaus. Zuvor war noch von 450 Patienten und Patientinnen die Rede gewesen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Dem Bericht des Journalisten Chader al-Saanun gegenüber der BBC zufolge haben am Samstag viele Menschen das Krankenhaus mit weißen Fahnen verlassen. UNO-Angaben zufolge befanden sich vor der jüngsten Evakuierung rund 2.300 Patienten, Verletzte und Vertriebene in dem Krankenhauskomplex.

Das Krankenhaus stand Anfang vergangener Woche im Zentrum der Kämpfe, als israelische Streitkräfte das Gelände durchsuchten und eigenen Angaben zufolge Waffen, Munition und Ausrüstung von Hamas-Terroristen fanden. Israel beschuldigt die Hamas, eine große Kommandozentrale im und unterhalb des Al-Schifa-Krankenhauses eingerichtet zu haben. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach explizit vom Fund einer unterirdischen Hamas-Kommandozentrale. Belege dafür gibt es bisher nicht.

NGO: Mitarbeiter sitzen bei Al-Schifa-Spital fest

Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen sitzen Mitarbeiter der Hilfsorganisation und ihre Angehörigen in der Nähe des Al-Schifa-Krankenhauses fest. Es handle sich dabei um 137 Menschen, darunter 65 Kinder. Ihnen sei es nicht möglich, das Gebiet sicher zu verlassen, sagte die Organisation am Samstag und forderte einen Waffenstillstand, um Tausende festsitzende Zivilistinnen und Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Sonst liefen die Menschen, denen es an Essen und Trinkwasser fehle, Gefahr, „in den nächsten Tagen, wenn nicht gar Stunden, zu sterben“, warnte Ärzte ohne Grenzen. Die Evakuierungsroute in den Süden sei nach wie vor unsicher.

Hamas melden Angriff auf Dschabalja

Bei zwei israelischen Angriffen auf die Stadt Dschabalja in Gaza sind unterdessen nach Angaben der Hamas mehr als 80 Menschen getötet worden. Die von der UNO betriebene und als Flüchtlingsunterkunft genutzte Al-Fachura-Schule in Dschabalja sei am Samstag beschossen worden, sagte ein Vertreter des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums der Nachrichtenagentur AFP. Dabei seien 50 Menschen getötet worden. Bei einem zweiten Angriff auf ein weiteres Gebäude wurden laut Ministeriumsvertreter 32 Mitglieder einer Familie getötet.

Online verbreitete Aufnahmen zeigten mit Staub und Blut befleckte Leichen in der Al-Fachura-Schule, wo Matratzen unter Schulbänken ausgebreitet waren. Die Angaben sowie die Echtheit der Aufnahmen ließen sich nicht verifizieren. Die israelische Armee teilte mit, die Berichte würden geprüft.

Aufruf zum Verlassen von Chan Junis

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hatte bereits am Freitag eine Ausweitung der Einsätze im Gazastreifen angekündigt. „Wir sind kurz davor, das militärische System im nördlichen Gazastreifen zu zerschlagen (…). Wir werden in anderen Gebieten weitermachen“, sagte Halevi. Am Abend bestätigte ein Militärsprecher, die Armee werde überall dort agieren, wo die Hamas existiere, „einschließlich des Südens des Gazastreifens“.

Bereits vor drei Tagen warf Israel Flugblätter ab, worin die Menschen aufgefordert wurden, die Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens zu verlassen. Hunderttausende Menschen sind dorthin geflüchtet, nachdem sie aufgefordert worden waren, den Norden zu verlassen.

Gazastreifen: Israel will Süden angreifen

Das israelische Militär kündigt an, dass es jetzt auch im Süden des Gazastreifens Angriffe gegen die Hamas geben soll. Die palästinensischen Binnenflüchtlinge werden nun in die Enge getrieben.

Auch Menschen in Flüchtlingslager zur Flucht aufgerufen

Nun gibt es eine erneute Evakuierungsaufforderung von Mark Regev, einem Berater des israelischen Premierministers Netanjahu, im US-Fernsehsender MSNBC Richtung Westen. „Wir fordern die Menschen auf zu gehen. Ich weiß, dass es für viele von ihnen nicht leicht ist, aber wir wollen nicht, dass Zivilisten ins Kreuzfeuer geraten“, so Regev. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie (die Menschen, Anm.) nicht noch einmal umziehen müssen, wenn sie nach Westen ziehen“, sagte er.

Zerstörung nach Luftschlag in Gaza
APA/AFP/Mahmud Hams
Bei einem Luftangriff in Chan Junis starben nach palästinensischen Angaben 26 Menschen

Zur Flucht aufgerufen waren auch Bewohner und Bewohnerinnen des Flüchtlingsviertels Dschabalja. Zivilisten, die von der Terrororganisation Hamas an der Flucht gehindert würden, könnten sich per Telefon oder über die Plattform Telegram an die israelische Armee wenden, hieß es. Die Armee kündigte zudem eine vierstündige „taktische“ Kampfpause im Flüchtlingslager Schabura in Rafah im Süden des Gazastreifens aus humanitären Gründen an. In der Gegend liegt auch der Grenzübergang nach Ägypten.

Palästinenser: Tote bei Luftangriffen in Chan Junis

Nach Angaben eines palästinensischen Krankenhausdirektors von Samstag wurden bei einem Luftangriff in Chan Junis 26 Menschen getötet. Bei dem Angriff auf drei Wohngebäude im Stadtteil Hamad seien zudem 23 Menschen schwer verletzt worden, teilte der Leiter des Nasser-Krankenhauses mit. Bei einem weiteren Luftangriff starben laut Palästinensern sechs weitere Menschen. Das israelische Militär äußerte sich nicht zu den Angaben.

Kommunikation teilweise wiederhergestellt

Um eine weitere Ausweitung der humanitären Katastrophe in Gaza zu vermeiden, hat Israel auf US-Druck hin der Lieferung begrenzter Mengen an Treibstoff zugestimmt. Bereits Freitagabend konnten so Telefon- und Internetverbindungen teils wiederhergestellt werden. Grund dafür sei, dass das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) eine begrenzte Menge Treibstoff für den Betrieb der Hauptgeneratoren des Unternehmens bereitgestellt habe, teilte der Telekommunikationsanbieter Paltel mit.

Das im Westjordanland ansässige palästinensische Unternehmen hatte am Abend zuvor den Zusammenbruch seiner Netze gemeldet. Israelische Medien berichteten am Freitag unter Berufung auf die für Kontakte mit den Palästinensern zuständige israelische COGAT-Behörde, der in den Gazastreifen gelieferte Treibstoff dürfe dort auch für den Betrieb von Mobilfunkdiensten verwendet werden. Israel hatte zuvor mitgeteilt, zwei Tanklastern am Tag sei es künftig erlaubt, Diesel in den Küstenstreifen bringen.

Am Samstag hieß es von der UNRWA zunächst, dass bisher noch keine der angekündigten täglichen Treibstofflieferungen angekommen sei. Notwendig seien täglich mindestens 120.000 Liter Treibstoff, damit die Hilfsorganisationen die Menschen im Gazastreifen versorgen können. Später hieß es vom ägyptischen Roten Halbmond, dass mit Diesel beladene Lkws den Gazastreifen erreicht hätten. Die UNRWA kritisierte diese Menge aber als zu gering.

Israel will Hamas aus Tunnelsystem zwingen

Das Kriegskabinett habe einer entsprechenden Empfehlung des Militärs sowie des Inlandsgeheimdiensts zugestimmt, bestätigte am Freitag ein Vertreter Israels. Israel will verhindern, dass der Treibstoff in die Hände der Hamas gerät. Diese braucht Diesel nicht zuletzt, um mit Generatoren die Belüftung des riesigen unterirdischen Tunnelsystems aufrechtzuerhalten.

So soll der Druck auf Hamas-Kämpfer, die sich laut israelischer Mutmaßung vielfach in Tunneln versteckt halten, erhöht werden. Die Verwendung des Treibstoffs soll genau überprüft werden.