Demonstration in Jerusalem
IMAGO/UPI Photo/Jim Hollander
Marsch für Geiseln

Zehntausende Protestierende in Jerusalem

Zehntausende Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Protestmarsches für die Geiseln in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas haben am Samstag Jerusalem erreicht. Sie demonstrierten dort vor dem Amtssitz des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Unterdessen verließen zahlreiche Menschen das zuletzt heftig umkämpfte Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt.

Der Marsch hatte am Dienstag in der rund 70 Kilometer entfernten Küstenmetropole Tel Aviv begonnen. Die Demonstrierenden trugen blau-weiße israelische Flaggen und gelbe Luftballons bei sich. Viele hielten Schilder mit Bildern der Entführten in die Höhe.

Sie forderten von der Regierung einen sofortigen Deal zur Freilassung der Geiseln, die seit sechs Wochen im Gazastreifen festgehalten werden. „Jetzt, jetzt, jetzt“, skandierten sie immer wieder. „Humanitäre Hilfe nur im Gegenzug für die Freilassung aller Geiseln“, stand auf einem Banner.

Demonstration am Weg nach Jerusalem
Reuters/Ronen Zvulun
Einige Teilnehmende trugen Gelb als Zeichen der Solidarität

Sofortiger Deal gefordert

Die Farbe Gelb symbolisiert die Solidarität mit den verschleppten Kindern, Frauen, Männern und alten Menschen. Zahlreiche Israelis tragen seit Wochen gelbe Bänder an ihren Handgelenken und binden sie an gut sichtbaren Orten fest.

Zu dem Protestmarsch hatte das Forum der Familien von Geiseln und Verschwundenen aufgerufen, das nach dem Großangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel gegründet worden war, um die öffentliche Aufmerksamkeit für die damals rund 240 in den Gazastreifen Verschleppten wach zu halten. Auf mehreren Spruchbändern stand „Ein Deal für die Geiseln, sofort“.

Marsch für Geiseln erreicht Jerusalem

Zehntausende Teilnehmer eines Protestmarsches für die Geiseln in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas haben Jerusalem erreicht. Der Marsch begann am Dienstag in der rund 70 Kilometer entfernten Küstenmetropole Tel Aviv.

Netanjahu hatte vergangene Woche im US-Sender NBC von einer möglichen Vereinbarung zur Freilassung von Geiseln gesprochen. „Wir werden nur einer zeitweiligen Waffenruhe in Gaza zustimmen und nur im Gegenzug für die Rückführung unserer Geiseln“, sagte er am Samstag zu Verhandlungen über eine Freilassung der Entführten.

Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich am Freitag nach Gesprächen mit dem Herrscher des Golfemirats Katar vorsichtig optimistisch, dass es zu einer derartigen Vereinbarung kommen werde. Bisher wurden vier Geiseln nach einer Vermittlung durch Katar und Ägypten freigelassen, darunter zwei US-Bürgerinnen und zwei Israelinnen.

Demonstration in Jerusalem
Reuters/Ilan Rosenberg
Zehntausende zogen für die etwa 240 verschleppten Geiseln nach Jerusalem

Demonstration in Tel Aviv gegen Gaza-Krieg

In Tel Aviv demonstrierten am Samstagabend mehrere hundert Menschen gegen den Gaza-Krieg. Die Demonstration auf der Strandpromenade fand auf Initiative der linksorientierten Chadasch-Partei statt, wie israelische Medien berichteten. Jüdische und arabische Israelis protestierten dabei gemeinsam gegen eine Fortsetzung des Militäreinsatzes im Gazastreifen.

„Auge um Auge, und wir sind alle blind“, stand auf einem der Schilder. Der TV-Sender Kan berichtete, die Menschen hätten dazu aufgerufen, „die schlechteste Regierung in der Geschichte Israels“ abzulösen.

Die Nachrichtenseite Ynet berichtete, es habe eine Gegendemonstration mit mehreren Dutzend Teilnehmern gegeben. Es sei zu verbalen und physischen Konfrontationen beider Seiten gekommen. Die Demonstrierenden gegen den Krieg seien dabei mit Wasserflaschen beworfen worden. „Geht nach Gaza“ und „Tod den Arabern“ hätten Teilnehmer der Gegendemonstration ihnen außerdem zugerufen, berichtete Ynet.

Hamas melden Angriff auf Dschabalja

Als Reaktion auf den Angriff der Hamas hatte Israel mit Angriffen auf Ziele im Gazastreifen begonnen, inzwischen sind auch Bodentruppen in das Gebiet eingerückt. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit Beginn der Angriffe rund 12.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet.

Wildner (ORF) über Proteste in Israel

ORF-Korrespondent Nikolaus Wildner berichtet über die Proteste der Angehörigen der von der Hamas verschleppten Geiseln.

Bei zwei israelischen Angriffen auf die Stadt Dschabalja in Gaza wurden am Samstag nach Angaben der Hamas mehr als 80 Menschen getötet. Die von der UNO betriebene und als Flüchtlingsunterkunft genutzte Al-Fachura-Schule in Dschabalja sei am Samstag beschossen worden, sagte ein Vertreter des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums der Nachrichtenagentur AFP. Dabei seien 50 Menschen getötet worden. Bei einem zweiten Angriff auf ein weiteres Gebäude wurden laut Ministeriumsvertreter 32 Mitglieder einer Familie getötet.

Online verbreitete Aufnahmen zeigten mit Staub und Blut befleckte Leichen in der Al-Fachura-Schule, wo Matratzen unter Schulbänken ausgebreitet waren. Die Angaben sowie die Echtheit der Aufnahmen ließen sich nicht verifizieren. Die israelische Armee teilte mit, die Berichte würden geprüft.

Widersprüchliche Angaben zu Evakuierungsaufforderung

Unterdessen soll das Al-Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza größtenteils geräumt worden sein. Laut dem Gesundheitsministerium seien nur noch etwa 120 Verletzte und eine nicht näher genannte Zahl von Frühgeborenen in der größten Klinik des Gazastreifens.

Zu einer Evakuierung des Al-Schifa-Krankenhauses hatte es zuvor widersprüchliche Angaben gegeben. So hatte das israelische Militär zuvor erklärt, die Evakuierung geschehe auf Wunsch von deren Direktor, dementierte aber, eine Evakuierung angeordnet zu haben.

Samstagfrüh hatte es Berichte der Nachrichtenagentur AFP gegeben, dass die israelische Armee eine Stunde Zeit gegeben habe, das Krankenhaus zu räumen. Viel mehr hätten sie einer Bitte des Krankenhausdirektors entsprochen, dass die Menschen, die das Spitalsgelände verlassen wollten, das über einen „sicheren Weg“ tun sollten, so die Armee. Die israelische Armee habe zu keinem Zeitpunkt die Evakuierung angeordnet.

Es sei sogar vorgeschlagen worden, dass jede Bitte um eine medizinische Evakuierung von der Armee unterstützt werde, hieß es in einer Erklärung. Das medizinische Personal solle bei den Patienten bleiben, die nicht weggebracht werden können. Zudem habe die israelische Armee dem Krankenhaus zusätzliche Lebensmittel, Wasser und humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt.

Israelische Soldaten im Al-Schifa-Krankenhaus
APA/AFP/Israeli Army
In den vergangenen Tagen führte die israelische Armee Operationen im Al-Schifa-Krankenhaus durch

Al-Schifa-Spital im Zentrum der Aufmerksamkeit

Das Krankenhaus stand Anfang vergangener Woche im Zentrum der Kämpfe, als israelische Streitkräfte das Gelände durchsuchten und eigenen Angaben zufolge Waffen, Munition und Ausrüstung von Hamas-Terroristen fanden.

Israel beschuldigt die Hamas, eine große Kommandozentrale im und unterhalb des Al-Schifa-Krankenhauses eingerichtet zu haben. Israels Ministerpräsident Netanjahu sprach explizit von der Entdeckung einer unterirdischen Hamas-Kommandozentrale. Belege dafür gibt es bisher nicht.

Bericht: Hamas-Führer in Süden geflohen

Der israelische TV-Sender Kan berichtete am Samstag zudem, Israel gehe davon aus, dass die Hamas-Führer Jahja Sinwar und Mohammed Deif während des Krieges in den Süden entkommen seien. Sie würden dort im Bereich der Stadt Chan Junis vermutet, wo Sinwar geboren ist. Der Sender nannte allerdings keine Quelle für diese Information.

Sinwar ist der Chef der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, Deif Kommandeur des bewaffneten Hamas-Arms, der Al-Kassam-Brigaden. Beide stehen seit dem Massaker am 7. Oktober im israelischen Grenzgebiet im Visier Israels.