Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl
ORF
KV-Verhandlungen

AK-Chefin bestärkt Arbeitnehmer

Die Verhandlungen über die Kollektivverträge (KV) sind zuletzt festgefahren: In der Metallindustrie wird gestreikt, im Handel bleibt eine Annäherung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ebenso aus. Die Präsidentin der Arbeiterkammer (AK), Renate Anderl, verteidigt die Forderungen der Arbeitnehmer. Diese hätten die letzten Jahre „durchgetaucht“, sagte sie in der ORF-„Pressestunde“. Sie warnte vor „Reallohnverlusten“ und forderte Respekt.

Die Forderung der Arbeitnehmerseite der Metallindustrie von plus 11,6 Prozent hält sie angesichts der hohen Inflation der vergangenen ein bis zwei Jahre und vor den am Montag weitergehenden Kollektivvertragsverhandlungen rückwirkend für berechtigt. In den Verhandlungen wird von einer rollierenden Inflation von 9,6 Prozent ausgegangen – das ist die durchschnittliche Inflation von September 2022 bis zum selben Monat heuer. Die Arbeitgeberseite erhöhte ihr Angebot auf sechs Prozent plus Einmalzahlungen von 1.200 Euro netto.

Die rollierende Inflation sei „weit über neun Prozent“ rückwirkend, sagte sie. Die Arbeitnehmer hätten die vergangenen Jahre, in denen sie trotz hoher Inflation keinen erhöhten Lohn erhalten haben, „durchgetaucht“ und dennoch ihre Arbeit geleistet. „Wenn man rückwirkend schaut, ist es jetzt an der Zeit zu sagen, die Arbeitnehmerinnen wollen ihren gerechten Lohn haben“, betonte Anderl. Auch die aktuelle Inflation von 5,4 Prozent sei weiterhin „viel zu hoch“.

AK-Chefin verteidigt Arbeitnehmerforderungen

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl hat sich am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ ganz auf SPÖ- und Arbeitnehmerlinie gezeigt. Bei den Metallerverhandlungen forderte sie Wertschätzung und einen fairen Abschluss, bei der Arbeitszeit eine Verkürzung, bei den Steuern eine auf Vermögen und beim gesetzlichen Pensionsalter keine Erhöhung.

Warnung vor „Reallohnverlust“

„Unter der Inflation abzuschließen ist ein Reallohnverlust für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, so Anderl. Kritisch äußerte sie sich in dem Kontext über den leisen Aufschrei im Zusammenhang mit der Auszahlung von Boni und Dividenden in unterschiedlichsten Betrieben. „Kaum geht’s um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, werden alle plötzlich laut.“

Einmalzahlungen könnten nur „Schnittlauch am Brot“ sein, hielt sie fest. „Was man da lebenslänglich verliert, das sind Tausende von Euro“, sagte sie. Mehrmals forderte sie von Arbeitgeberseite „Respekt und Wertschätzung“ für Arbeitnehmer ein.

Anderl: „Haben eine Preis-Lohn-Spirale“

Hohe Abschlüsse für die hohe Teuerung verantwortlich zu machen lehnte Anderl ab: „Wir haben keine Lohn-Preis-Spirale, wir haben eine Preis-Lohn-Spirale“, sagte sie auch. „Wenn alle Preise hochgehen, brauchen die Menschen auch ein Einkommen, von dem sie leben können. Ich kann berichten, dass wir seitens AK ganz viele Menschen haben, die wirklich nicht mehr wissen, wie es weitergeht.“

Dass von den Arbeitnehmern verlangt würde, auch die Hilfszahlungen der öffentlichen Hand zu berücksichtigen, nannte sie „verwunderlich“. Es seien gerade die Betriebe gewesen, die in der Pandemie unterstützt und auch überfördert worden seien.

OENB-Chef hofft auf Abschluss unter zehn Prozent

Der Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, hoffte zuletzt auf einen Abschluss unter zehn Prozent. Je höher der Lohnabschluss, umso mehr steige auch die Gefahr, dass dadurch die Inflation weiter angeheizt wird, sagte er. Wenn dadurch die Kerninflation für längere Zeit erhöht bleibt, könnte das auch dazu führen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen erneut anheben muss, um die Inflation weiter zu bekämpfen, so Holzmann. Das könnte jedoch negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben und Arbeitsplätze vernichten.

Aber auch zu geringe Lohnabschlüsse seien nicht förderlich, denn diese könnten sich negativ auf die Realeinkommen und damit auf das Wirtschaftswachstum niederschlagen. Dann müssten die Zinsen theoretisch gesenkt werden, um das Wachstum wieder anzukurbeln. „Wo der ‚sweet point‘ ist, wissen wir alle nicht“, so Holzmann. Um das zu beurteilen, gebe es nicht genügend Informationen.

AK-Präsidentin will Arbeitszeitreduktion

Anderl stellte sich in der „Pressestunde“ auch hinter den Leitantrag des SPÖ-Bundesparteitags, inklusive Arbeitszeitreduktion. In der Geschichte habe es immer wieder eine solche gegeben, „also so ein Luftballon ist es nicht“. Den Fokus auf Kinderarmut und andere Lücken im Sozialstaat bekräftigte sie, denn „es gibt viele Baustellen im Land“. Auch die Vermögenssteuerforderung sah sie als berechtigt an: „Ich würde mir wünschen, dass die SPÖ das ganz oben auf der Agenda hat.“

Anderl unterstützt SPÖ-Leitantrag

AK-Chefin Renate Anderl stellte sich in der „Pressestunde“ auch hinter den Leitantrag des SPÖ-Bundesparteitags, inklusive Arbeitszeitreduktion.

Beim Thema Pensionen wandte sie sich gegen eine Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters. Wichtiger sei es, den Menschen einen Verbleib im Arbeitsleben zu ermöglichen. „Was nützt mit 67, wenn die Leute trotzdem mit 63 in Pension gehen?“, fragte sie. Wer länger erwerbstätig bleibe, zahle auch Pensionsbeiträge, betonte sie zur Frage der Finanzierbarkeit der Pensionen.

Ebenso auf Linie zeigte sich die AK-Chefin in Bildungsfragen. Dass sich die Wiener SPÖ am Samstag für Projektarbeit statt Matura und gegen Noten ausgesprochen hatte, werde nun auch sicher in der Bundespartei diskutiert werden. Die Matura als Schlüssel zu weiterer Bildung habe an Bedeutung verloren. Die Schülerinnen und Schüler bekämen ohnehin ein Zeugnis ihrer Abschlussklasse. „Also warum noch einmal?“, so Anderl – mehr dazu in wien.ORF.at.

SPÖ drängt auf Millionärssteuer, Kritik von FPÖ und NEOS

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder sagte den Forderungen nach einer Millionärssteuer durch Anderl in einer Aussendung vollste Unterstützung zu: „Die arbeitenden Menschen im Land müssen bereits beim Wohnen, Essen und Heizen jeden Cent umdrehen, für alles andere bleibt schon lange nicht mehr viel übrig“, so die SPÖ-Politikerin. „Wer jetzt gegen Millionärssteuern ist, macht Politik für die Superreichen im Land.“

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch wertete Anderls Auftritt in einer Aussendung als „Lehrbeispiel für rotes Bonzentum“ und „Sonntagsredenpolitik“. NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker kritisierte, dass die AK-Präsidentin die steigenden Kosten des Pensionssystems ignoriere.

Seitens der Wirtschaftskammer übte Generalsekretär Karlheinz Kopf Kritik. „In einer Phase, in der die heimischen Betriebe mit einem flächendeckenden Arbeitskräftemangel konfrontiert sind, ist es beunruhigend zu hören, dass einige Kräfte pauschal die Arbeit reduzieren wollen“, meinte er: „Das Verständnis für die zahlreichen Betriebe, die mit einem Arbeitskräftemangel kämpfen müssen, scheint gänzlich zu fehlen.“