Ex-OpenAI-CEO Sam Altman
Reuters/Julia Nikhinson
Rauswurf bei OpenAI

Microsoft heuert Altman an

Nach seinem überraschenden Rauswurf bei OpenAI, dem Entwickler von ChatGPT, am Freitag wechselt der bisherige Chef Sam Altman nun zu Microsoft. Das gab Microsoft-Chef Satya Nadella am Montag bekannt. Noch am Wochenende hatte der US-Softwarekonzern vergeblich versucht, Altman die Rückkehr auf den Chefposten bei OpenAI zu ermöglichen. Mit dem Deal profitiert nun Microsoft vom Chaos bei OpenAI.

Denn neben Altman wechselt auch OpenAI-Mitgründer und Ex-Verwaltungsratschef Greg Brockman zu Microsoft. Zwischenzeitlich hatte es Medienberichten zufolge so ausgesehen, als ob Altman ein eigenes Unternehmen gründen wollte, zu dem auch zahlreiche OpenAI-Mitarbeiter wechseln sollten.

Nun sollen Altman und Brockman ein neues Forschungsteam zur Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) anführen. Damit baut Microsoft seine Rolle im KI-Wettlauf aus. Denn Microsoft holt sich zum einen Entwicklerkompetenz direkt ins Haus, zum anderen bleibt das Unternehmen Großinvestor bei OpenAI. Auf die Microsoft-Aktie wirkten sich die Personalneuigkeiten bereits im vorbörslichen Geschäft positiv aus – sie stieg um 2,4 Prozent auf ein Rekordhoch von 378,82 Dollar.

Altman: „Mission geht weiter“

Zudem ließ Nadella Raum für andere Kollegen, die sich Altman und Brockman anschließen könnten: „Wir freuen uns darauf, ihnen schnell die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die sie für ihren Erfolg benötigen“, schrieb der Microsoft-Chef auf X (Twitter). Altman werde mit seinem Team ein „neues Innovationstempo“ vorgeben – ein Wunsch, der dem des OpenAI-Vorstands widerspricht. Dieser hatte zu Vorsicht bei der Entwicklung von KI gemahnt.

Altman kommentierte den Wechsel am Montag nur mit den Worten: „Die Mission geht weiter.“ Einige hochrangige Entwickler bei OpenAI reichten bereits ihre Kündigung ein. Bei OpenAI erhöhten die Mitarbeiter unterdessen ihren Druck auf den Verwaltungsrat.

Mitarbeiter drohen mit Kündigung

Laut Berichten des Technologieportals Wired und des „Wall Street Journal“ werfen mehr als 500 Beschäftigte bei OpenAI dem Führungsgremium in einem Schreiben vor, dem Unternehmen mit dem Rauswurf Altmans schwer geschadet zu haben. Der „stabilisierendste Weg nach vorne“ wäre deswegen ein Rücktritt des gesamten Gremiums und die Ernennung eines „qualifizierten“ Verwaltungsrats.

Andernfalls drohten die Mitarbeiter mit Kündigung und damit, ebenfalls zu Microsoft zu wechseln. „Microsoft hat uns versichert, dass es Stellen für alle OpenAI-Mitarbeiter bei diesem neuen Tochterunternehmen gibt, sollten wir uns entscheiden, uns anzuschließen“, heißt es in dem Brief der Mitarbeiter.

Twitch-Mitgründer wechselt zu OpenAI

Bei OpenAI wurde der inzwischen zweite Interimschef seit Freitag angeheuert. Am Wochenende enthob der Verwaltungsrat auch Mira Murati, die nach der Absetzung Altmans zwischenzeitlich die Führung übernehmen sollte, ihres Amts. Murati soll sich zwischenzeitlich auf die Seite Altmans geschlagen haben.

Nun soll Emmett Shear, Mitgründer und langjähriger Chef des Streamingdienstes Twitch, OpenAI führen – interimistisch. Das bestätigte Microsoft-Chef Nadella indirekt: „Wir freuen uns darauf, Emmett Shear und das neue Führungsteam von OpenAI kennenzulernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.“ Der OpenAI-Vorstand bezeichnete in einem Memo Shear als „einzigartige Mischung aus Fähigkeiten, Fachwissen und Beziehungen“, die OpenAI vorantreiben werde, berichtete die „New York Times“ („NYT“).

Satya Nadella und Sam Altman auf einer OpenAI Entwicklerkonferenz in San Francisco
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Microsoft-Chef Nadella (r.) am OpenAI-Entwicklertag Anfang November neben Altman (l.)

Inzwischen bestätigte auch Shear seinen Einstieg bei OpenAI. „Bevor ich die Stelle antrat, habe ich mich über die Gründe für den Wechsel informiert“, teilte Shear am Montag mit. Altmans Entlassung sei nicht wegen „bestimmter Meinungsverschiedenheit über die Sicherheit“ passiert, sondern „aus ganz anderen Gründe“, die er jedoch nicht nannte.

Führungsteam überzeugte Verwaltungsrat

Der Vorstand stehe fest zu seiner Entscheidung, da das der einzige Weg sei, die Mission von OpenAI voranzutreiben und zu verteidigen, hieß es in dem Memo in Bezug auf den Rauswurf Altmans. Unterzeichnet wurde dieses Schreiben laut Bericht von allen vier Vorstandsmitgliedern von OpenAI – darunter auch Technologiechef Ilya Sutskever.

Medienberichten zufolge war Sutskever, ebenfalls ein Mitgründer von OpenAI, neben anderen Führungspersonen der Ansicht, dass Altman KI-Software zu schnell und mit einem zu kommerziellen Ansatz auf den Markt bringen wolle. Diese Seite überzeugte den gesamten Verwaltungsrat.

Spekulationen über Hintergründe

Die überraschende Trennung von Altman war ein Paukenschlag in der Tech-Industrie in San Francisco und dem Silicon Valley. Denn Altman galt als geschickt beim Auftreiben von Geldern. So hatte er fast im Alleingang Nadella davon überzeugt, zehn Milliarden Dollar in OpenAI zu investieren. Altman leitete die OpenAI-Ausschreibungsgeschäfte und steigerte dabei die Bewertung des Start-ups von zuvor 29 Milliarden auf zuletzt mehr als 80 Milliarden Dollar.

Seit seinem Rauswurf wird über die Hintergründe spekuliert. Weder von OpenAI noch von Altman gab es konkrete Aussagen dazu. Das Unternehmen sagte, dass Altmans Verhalten die Fähigkeit des Vorstands, seine Aufgaben wahrzunehmen, behindert habe. Die renommierte Technologiejournalistin Kara Swisher schrieb, Auslöser seien Differenzen zwischen zwei Lagern von OpenAI gewesen – und zwar zwischen dem gewinnorientierten und dem Non-Profit-Flügel.

OpenAI war 2015 von Altman und unter anderen auch Tesla-Chef Elon Musk ursprünglich als ein nicht auf Gewinn ausgerichtetes Start-up gegründet worden, das KI erforschen sollte. Mit der Zeit – und einer Milliardeninvestition von Microsoft – wurde OpenAI jedoch immer mehr zu einem profitorientierten Unternehmen.

Entwicklerkonferenz als möglicher Auslöser

Schon die offizielle Mitteilung enthielt zwischen den Zeilen einen Hinweis auf solche Spannungen. Darin wurde betont, dass OpenAI für eine Mission aufgebaut worden sei: „um sicherzustellen, dass allgemeine künstliche Intelligenz der gesamten Menschheit zugutekommt“. Diesem Ziel sei man weiter verpflichtet.

Swisher zufolge war ein Auslöser für Altmans Rauswurf die Entwicklerkonferenz von OpenAI, bei der die Möglichkeit vorgestellt wurde, spezialisierte Versionen von ChatGPT zu entwickeln und damit Geld zu verdienen. Der Non-Profit-Fraktion von OpenAI sei das alles zu schnell gegangen, schrieb Swisher auf X. Einige Vertraute Altmans bei dem Unternehmen sprächen von einem „Umsturz“. Swishers Quellen zufolge erfuhr Altman vom Beschluss des Verwaltungsrates nur 30 Minuten vor Veröffentlichung der Mitteilung.