Start einer Space-X-Rakete
Reuters/Joe Skipper
Zwischen X und SpaceX

USA in der Abhängigkeit von Musk

Regierungen sind abhängig von technischen Errungenschaften. Besonders deutlich wird das in den USA, die die Zusammenarbeit mit Tech-Milliardär Elon Musk zu brauchen scheinen wie die Luft zum Atmen, obwohl dieser gleichzeitig kritisiert wird. Doch insbesondere für die US-Verteidigungspolitik wäre es ohne Musk schwierig.

Erst letzte Woche prangerte das Weiße Haus Musk wegen „abscheulicher Förderung von antisemitischem und rassistischem Hass“ an, da er eine „abscheuliche Lüge“ über Jüdinnen und Juden unterstützt habe, wie ein Sprecher der Regierung sagte. Kurzerhand entschied sich US-Präsident Joe Biden dann am Montag dazu, ein Konto auf Threads, dem X-Konkurrenten in den USA, zu eröffnen, doch bleibt sein X-Konto bestehen.

Generell geriet X (Twitter), das Musk vor über einem Jahr übernommen hatte, in letzter Zeit wegen diskriminierender Postings, „Fake News“ und fragwürdiger Aussagen von Spam-Accounts in Verruf. Sogar den meisten hochkarätigeren Werbepartnern wurde es zu viel – zuletzt kündigten IBM, Apple und Disney ihre Verträge mit X wegen eines kritischen Berichts der Organisation Media Matters for America. X reichte Klage gegen die Organisation ein.

SpaceX befördert Pentagon-Anlagen

All das könnte den Eindruck erwecken, dass die Regierung von Joe Biden versuchen würde, sich von Geschäften mit Musk zurückzuziehen. Doch wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen: In den letzten Wochen begab sich die US-Regierung mehr denn je in die Abhängigkeit von Musk. Dem Raumfahrtunternehmen SpaceX wurden bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar (rund 1,1 Mrd. Euro) für das nächste Jahr zugesagt, um wichtige Pentagon-Anlagen – darunter Spionage- und Kontrollsatelliten – ins All zu befördern.

NASA-Satellit SWOT
Reuters/USSF/Chris Okula
In den USA läuft so gut wie keine Reise in das All ohne den Einfluss von SpaceX

Im September stimmte das US-Verteidigungsministerium zu, zig Millionen für Starshield zu zahlen, ein neues, sicheres Kommunikationssystem, das Musk für die Verteidigungs- und Nachrichtendienstsysteme der USA eingerichtet hat. Starshield ist Teil der Starlink-Satelliten. Wie die „New York Times“ („NYT“) vermutet, sollen die Starlink-Satelliten für die Abschreckung Chinas von entscheidender Bedeutung sein. Der Grund, so die Zeitung: Sie seien weitaus widerstandsfähiger gegen chinesische Deaktivierungsversuche als die eigenen Kommunikationssatelliten des Pentagons.

Keine Alternativen?

Sich von Musk zu trennen scheint aus diesen jüngsten Gründen für die USA undenkbar – zumindest, solange die Weltraumforschung fortgesetzt und Rivalen abgeschreckt werden sollen. Kritisch ist das deshalb, weil es sich bei der Abhängigkeit um ein und dieselbe Person handelt, die noch dazu der reichste Mensch der Welt ist. Außerdem befindet sich SpaceX in Privatbesitz und wird vollständig von Musk kontrolliert.

An brauchbaren Alternativen mangelt es darüber hinaus. Walter Isaacson, der Biograf von Musk, sagte kürzlich in einem Interview, dass es kein Unternehmen trotz Bemühungen der US-Regierung geschafft habe, wiederverwendbare Raketen zu bauen oder schwere Satelliten in eine hohe Erdumlaufbahn zu bringen.

Unangefochtener Platz eins im Weltraum

Auch die NASA arbeitet mit Musk zusammen, um zwei Astronautengruppen mit der neuen SpaceX-Rakete „Starship“ auf den Mond zu schicken und damit zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren wieder Menschen auf den Mond zu bringen. Und das ist noch nicht alles: SpaceX ist der Hauptlieferant der Vereinigten Staaten für die Internationale Raumstation (ISS) und neue Besatzungen.

Im zweiten Quartal dieses Jahres hat SpaceX allein fast 80 Prozent der weltweiten Nutzlast nach Masse in das All befördert, wie eine Analyse des Branchenberaters Bryce Tech zeigt. Die rund 214 Tonnen Fracht, die SpaceX in dieser Zeit beförderte, sind mehr als fünfmal so viel, wie Russland und China zusammen in die Erdumlaufbahn gebracht haben.

„Scharenweise in den Weltraum geschleudert“

Freilich ist die Dominanz von SpaceX nicht ohne Nutzen für die USA geblieben. „Es (SpaceX, Anm.) hat unsere Kosten für den Weg in den Orbit drastisch gesenkt“, sagte Air-Force-Secretary Frank Kendall letzten Monat in einem Interview mit der „Times“. Wohl auch deshalb beschloss das Pentagon, in den kommenden Jahren Tausende kleine, vergleichsweise billige Satelliten in die erdnahe Umlaufbahn zu bringen. Ziel sei es, so die „NYT“, sich damit besser gegen Bedrohungen durch China zu rüsten.

„Stellen Sie sich vor“, sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Kathleen Hicks in einer Rede Anfang des Jahres, „Systeme in der Umlaufbahn, die scharenweise in den Weltraum geschleudert werden, und zwar so viele, dass es unmöglich wird, sie alle zu eliminieren oder abzuschwächen“. Wenn das Pentagon wirklich derart auf Masse setzen will, geht das nach derzeitigem Stand realistischerweise nicht ohne Musks Hilfe.

Elon Musk
Reuters/Leon Neal
Elon Musk ist der reichste Mann der Welt – und SpaceX in seinem Privatbesitz

Auch die kommerzielle Raumfahrtindustrie der USA ist weitgehend von SpaceX abhängig. Konkurrierende Unternehmen, darunter Jeff Bezos’ Blue Origin, Europas Arianespace und andere Neueinsteiger in der Raumfahrtindustrie wie Rocket Lab, Relativity Space und Firefly Aerospace, haben noch keine vergleichbaren Erfolge aufzuweisen. Selbst die großen Rüstungsunternehmen Boeing und Lockheed liegen mit ihrer neuen Schwerlastrakete „Vulcan“ Jahre hinter dem Zeitplan zurück, obwohl der erste Test noch vor Ende dieses Jahres stattfinden soll.

„Elon Musk kann nicht das letzte Wort haben“

Musk habe zwar kein Monopol, schlussfolgerte Chris Daehnick, ein ehemaliger leitender Beamter des Air Force Space Command, gegenüber der „NYT“. „Aber kurzfristig gibt es nur einen Weg, in den Weltraum zu kommen (…) und dieser heißt SpaceX.“

Musks Vorherrschaft im All hat bereits zu Bedenken einiger Kongressmitglieder geführt. „Es wurden ernsthafte Haftungsprobleme für die nationale Sicherheit aufgedeckt“, sagte Senator Jack Reed, Demokrat aus Rhode Island, in einer Erklärung im September, nachdem bekanntwurde, dass SpaceX die Möglichkeiten der Ukraine, sein Starlink-System zu nutzen, zu einem bestimmten Zeitpunkt während des Krieges eingeschränkt hatte. „Weder Elon Musk noch irgendein Privatmann“, so Reed, „kann das letzte Wort haben, wenn es um die nationale Sicherheit der USA geht“.