Patienten in einem Warteraum
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Gesundheitsreform

Verhandlungen gehen in Endphase

Die Verhandlungen über die Gesundheitsreform befinden sich laut Ministerium in den finalen Zügen. Angesichts des zum Teil scharfen Wortgefechts zwischen Minister Johannes Rauch (Grüne) und Ärztekammer rückte der Inhalt zuletzt in den Hintergrund. Was am Ende vom geplanten Vorhaben übrig bleibt, entscheiden die letzten Verhandlungen. Am Mittwoch soll das Paket samt Details festgezurrt werden.

Am Wochenende haben sich sowohl Gesundheitsminister Rauch als auch die Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit, Katharina Reich, zuversichtlich gezeigt, dass man am Mittwoch das Paket präsentieren kann. Gleichzeitig vermittelten beide, dass es an der Reform nichts mehr zu rütteln gebe. „Das große Paket steht“, sagte Reich am Sonntag. Am Tag zuvor betonte Rauch, dass das Vorhaben „bis hinauf zum Kanzler“ mitgetragen werde. Der Gesundheitsminister ließ auch wissen, dass er der „Anwalt der Patienten“ sei.

Die Ärztekammer sieht das anders. Sie läuft seit Monaten gegen die geplante Reform Sturm. Die Kammer fürchtet, dass sie bei Kassenstellen und Gesamtvertrag entmachtet wird. Konfliktpotenzial lieferte außerdem die geplante Pflicht zur Wirkstoff- statt Arzneimittelverschreibung. Die Kammer sieht die Patientensicherheit gefährdet – und steht mit ihrer Kritik nicht allein da, wie die „Presse“ berichtete. Bemängelt wurde zudem, dass die Pläne lange geheim gehalten wurden und eine Begutachtung ausblieb.

Geplanter Beschluss im Dezember

Der Inhalt der Reform lebt aktuell noch von Punktationen und einigen Pressekonferenzen. Konkret werden die Pläne im Gesundheitsbereich erst mit einem Gesetzesentwurf, der am Mittwoch den Ministerrat passieren soll. Anschließend wird das Parlament über die Vorlage beraten. Im Dezember soll das Vorhaben parallel zum Finanzausgleich, der sich aktuell ebenfalls in der finalen Phase befindet, beschlossen werden.

Gesundheitsminister Johannes Rauch
APA/Georg Hochmuth
Gesundheitsminister Johannes Rauch sieht sich als „Anwalt der Patienten“, die Ärztekammer sieht die Patientensicherheit bedroht

Geplant ist jedenfalls eine Einschränkung der Macht der Ärztekammer, was den Abschluss von Gesamtverträgen mit den Kassen, den Stellenplan oder Vetos etwa gegenüber Primärversorgungszentren oder Ambulatorien betrifft. Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) sieht darin hingegen weniger eine Entmachtung der Ärztinnen und Ärzte als vielmehr die Herstellung einer Balance zwischen Kammer und Sozialversicherung. Derzeit habe die Kammer sehr stark die Oberhand, sagte er dem ORF.

Die Kammer hatte hingegen aus Protest mit einer Kündigung des Gesamtvertrags mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) gedroht, wodurch Patientinnen und Patienten ihre Behandlung zunächst bezahlen und den Ersatz eines Teils der Kosten beantragen müssten. Laut ÖGK würde eine Kündigung frühestens Ende 2024 in Kraft treten. Die Gesamtverträge müssten dazu von den regionalen Ärztekammern jeweils für ihr Bundesland gekündigt werden.

Mehr Kassenstellen versprochen

Was sich abseits der möglichen Entmachtung bei der Reform abspielen soll, lässt sich laut einer Punktation unter dem Grundsatz „digital vor ambulant vor stationär“ zusammenfassen. Bis Ende 2028 sollen 5,5 Milliarden Euro investiert werden. Der ambulante Bereich soll durch einen raschen, flächendeckenden Ausbau von Primärversorgungseinheiten (PVE) sowie durch die Entwicklung ambulanter Fachversorgungsstrukturen gestärkt werden. Dazu gibt es Planungsvorgaben bis auf die Bezirksebene hinunter.

In einer Punktation heißt es, dass zusätzlich Kassenstellen und mehr Angebote zu Randzeiten und am Wochenende geschaffen werden. Im Zuge des Budgets wurden erste Weichen gestellt, wie etwa die Bereitstellung von insgesamt 60 Millionen Euro für 100 zusätzliche Kassenstellen im niedergelassenen Bereich.

In den Spitälern sollen spezialisierte Fachambulanzen, Tageskliniken und ausgelagerte Spitalseinheiten ausgebaut werden. Ausgangspunkt für diese Maßnahmen sind laut Angaben des Ministeriums unter anderem steigende Kosten für die Länder sowie Patienten und Patientinnen, die „mit Bagatellbeschwerden in Spitalsambulanzen“ ausweichen.

IHS-Gesundheitsexperte zur Ärztekammer

Die Ärztekammer will sich von der Politik keine Kompetenzen wegnehmen lassen. IHS-Gesundheitsexperte Thomas Czypionka betont in der ZIB2, dass es mehr um die Herstellung einer Balance zwischen Kammer und Sozialversicherung gehe.

Wirkstoff statt Arzneimittel

Die Zulassung selbstständiger Ambulatorien soll erleichtert werden, etwa wenn mindestens drei Ärztestellen in einer Region zweimal erfolglos ausgeschrieben wurden. Auch bei der Zulassung von Gruppenpraxen sollen langwierige Vergabeverfahren entfallen. Ärzte und Ärztinnen sollen künftig nicht mehr bestimmte Arzneimittel verschreiben, sondern den Wirkstoff. Will ein Arzt bzw. eine Ärztin trotzdem ein bestimmtes Medikament verschreiben, muss das auf dem Rezept in maschinenlesbarer Form begründet werden.

Den Apotheken wiederum wird die Einhaltung des Ökonomieprinzips, also der wirtschaftlichen Abgabe von Heilmitteln, vorgeschrieben. Für die Bewertung des Einsatzes hochpreisiger und spezialisierter Arzneispezialitäten kommt ein bundesweit einheitlicher Bewertungsprozess („Bewertungsboard“) zum Einsatz.

Gesundheitssystem soll digitaler werden

Im Bereich der Gesundheitstelematik will man sich besser gegen Cyberangriffe wehren können. Das Portal für die elektronische Gesundheitsakte ELGA wandert aus der Verantwortung des Dachverbands der Sozialversicherungsträger direkt an das Gesundheitsministerium. Die Verpflichtung zur ELGA-Nutzung auch für Wahlärzte und Wahlärztinnen kommt per Jahresbeginn 2026. Auch die E-Card-Nutzung wird ihnen vorgeschrieben. Zudem werden die Ärzte ab 2025 zur Diagnose- und Leistungscodierung verpflichtet.

E-Health-Angebote wie zum Beispiel Videokonsultationen sollen es in die Regelversorgung schaffen. Dementsprechend wurde am Dienstag die Strategie bis 2030 präsentiert. In Zukunft soll der Erstkontakt mit dem Gesundheitssystem digital erfolgen. Österreich habe mit ELGA, dem e-Card-System und bestehenden E-Health-Anwendungen eine solide Basis für die digitale Unterstützung der Versorgungsprozesse geschaffen, hieß es von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG).

Zur Erarbeitung der E-Health-Strategie beauftragte die Bundeszielsteuerungskommission eine Arbeitsgruppe des Ständigen Koordinierungsausschusses, die unter Vorsitz des Gesundheitsministeriums und unterstützt durch die GÖG eine erste Version einer österreichischen E-Health-Strategie erarbeitete. Die aktuelle Version soll in weiterer Folge in einem partizipativen Prozess mit relevanten Stakeholdern im Gesundheitswesen überarbeitet und weiterentwickelt werden.