Plakate in Tel Aviv fordern zur Freilassung israelischer Geiseln auf
Reuters/Ahmad Gharabli
Israel – Hamas

Weitere Details zu Geiseldeal und Feuerpause

Rund um den Geiseldeal und eine mehrtägige Feuerpause zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sind am Mittwoch weitere Details bekanntgeworden. Erwartet wird, dass die Feuerpause und damit der Austausch von Geiseln und Gefangenen am Donnerstag starten. Auch eine Ausweitung des Deals stehe Medienberichten zufolge im Raum. Grünes Licht für den Geiseldeal kam am Abend unterdessen von Israels Höchstgericht.

Dieses lehnte Medienberichten zufolge einen Einspruch gegen die Vereinbarung zum Austausch von Geiseln aus Israel gegen palästinensische Häftlinge ab. Die Richter sahen keinen Grund für ein Eingreifen des Gerichts gegen den Beschluss der Regierung, im Zuge eines Abkommens mit der islamistischen Hamas palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen gegen in den Gazastreifen verschleppte Geiseln aus Israel auszutauschen, wie die israelische Zeitung „Haaretz“ und der TV-Sender N12 berichteten. Die Regierung sei den Angaben zufolge somit befugt, solche Abkommen zu schließen.

Mit dieser Entscheidung wurde eine wichtige Hürde für die Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas genommen. Nach israelischem Recht können Angehörige von Terroropfern gegen die Freilassung bestimmter palästinensischer Häftlinge Einspruch einlegen. Für eine solche Petition beim obersten Gericht haben sie 24 Stunden nach einem derartigen Regierungsbeschluss Zeit.

Israel: Erste Geiseln „nicht vor Freitag“ frei

In Israel wurde zunächst erwartet, dass die Freilassung einer ersten Gruppe von Geiseln gemeinsam mit der vereinbarten Feuerpause am Donnerstag ab 10.00 Uhr (Ortszeit) beginnen könnte. Aus dem Büro von Premier Benjamin Netanjahu verlautete in der Nacht auf Donnerstag allerdings, dass die Freilassung der Geiseln „nicht vor Freitag“ beginnen werde.

In Berichten war im Zuge des von Katar, den USA und Ägypten vermittelten Abkommens von zwei Phasen die Rede: In einer ersten Phase sollen 50 der etwa 240 im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln schrittweise von der Hamas freigelassen werden, wie israelische Medien berichteten. Im Gegenzug wolle Israel 150 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen entlassen.

ORF-Korrespondenten zur Feuerpause

Die ORF-Korrespondenten Sophie Roupetz und Karim El-Gawhari sprechen über die aktuellen Details zu Geiseldeal und Feuerpause.

Alle Betroffenen würden innerhalb von vier Tagen schrittweise freigelassen, pro Tag mindestens zehn Geiseln. Die Übergabe soll verteilt über vier Tage jeweils zwischen 10.00 Uhr vormittags und vier Uhr am Nachmittag (Ortszeit) erfolgen, berichtete dazu am Mittwochabend der TV-Sender Channel 12.

Bericht: Maximal zehn Tage für Austausch geplant

Für den gesamten Austausch von bis zu 300 palästinensischen Häftlingen gegen bis zu 100 Geiseln aus Israel sind maximal zehn Tage vorgesehen, berichtete die Times of Israel unter Berufung auf einen von der israelischen Regierung veröffentlichten Kabinettsbeschluss. Für jeden zusätzlichen Tag, um den die Feuerpause verlängert werde, müsste die Hamas der israelischen Regierung zufolge zehn weitere Geiseln freilassen.

Die israelische Nachrichtenwebsite Ynet meldete zudem, Israel dürfe der Vereinbarung zufolge die Namen der 100 Geiseln, die freikommen sollen, an die Hamas übermitteln. Teil des Deals soll auch sein, dass entführte Mütter und Kinder bei der Freilassung nicht voneinander getrennt werden.

Sorge vor Neuaufstellung der Hamas

In einer zweiten Phase sollen laut Times of Israel bis zu 150 weitere palästinensische Inhaftierte aus israelischen Gefängnissen freikommen – wenn im Gegenzug wieder bis zu 50 Geiseln nach Israel gebracht würden. Es müssten dabei auch jeweils wieder mindestens zehn Entführte pro Schritt freigelassen werden. Für zehn freigelassene Entführte gibt es laut Bericht dann jeweils wieder eine zusätzliche Feuerpause von 24 Stunden.

Gaza-Krieg: Geiseldeal steht

Israelische Geiseln gegen palästinensische Gefangene und eine viertägige Feuerpause: Darauf haben sich Israel und die radikalislamische Hamas in der Nacht auf Mittwoch geeinigt. Zum von Katar, Ägypten und den USA vermittelten Abkommen sind allerdings noch einige Fragen offen. Unklar ist, wer freigelassen wird, wann die Feuerpause beginnt und ob eine Verlängerung samt weiteren Freilassungen wahrscheinlich ist.

Alle Geiseln sollen die israelische Staatsbürgerschaft haben oder Einwohnerinnen bzw. Einwohner des Landes sein. In Israel gibt es Befürchtungen, dass die Hamas die Feuerpause nutzen könnte, um sich neu aufzustellen. Israels rechtsextremer Sicherheitsminister schlug ähnliche Töne an: „Die Hamas wollte diese Auszeit mehr als alles andere“, twitterte Itamar Ben-Gvir.

„NYT“: „Entscheidende Details“ weiter offen

„Wir sind sehr froh, dass eine teilweise Freilassung bevorsteht“, erklärte die Betroffenenorganisation Forum der Familien der Geiseln und Vermissten am Mittwoch. „Bisher wissen wir nicht, wer genau freigelassen wird“, hieß es weiter. Der Druck auf die israelische Regierung war angesichts der Lage der Geiseln zuletzt enorm hoch.

Auch Stunden nach der Einigung auf einen vorübergehenden Waffenstillstand und die Freilassung von Geiseln und Gefangenen gibt es weiterhin offene Fragen, hieß es indes bei der „New York Times“ mit Verweis auf mit der Sache vertraute Kreise. Unterhändler seien weiterhin dabei, „entscheidende Details der Vereinbarung auszuarbeiten“.

Medienberichten zufolge sei am Mittwoch auch der Chef vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad, David Barnea, nach Doha geflogen, um letzte Details des Geiselabkommens zu besprechen. „Die Reise deutet darauf hin, dass es noch offene Fragen gibt, die Israel klären möchte, auch wenn beide Seiten dem Abkommen offiziell zugestimmt haben“, berichtete dazu Times of Israel. „Das ist ein komplizierter Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist und einige Zeit in Anspruch nehmen könnte“, sagte am Abend der Sprecher der israelischen Streitkräfte, Daniel Hagari.

Israel veröffentlicht Liste mit 300 Palästinensern

Israels Justizministerium veröffentlichte zuvor eine Liste mit Namen von insgesamt 300 Palästinensern, die für eine Freilassung infrage kommen. 287 der 300 inhaftierten Palästinenser seien männliche Jugendliche bis 18 Jahre, meldete Times of Israel.

Die meisten sollen wegen Aufruhrs und Steinwürfen im Westjordanland oder Ostjerusalem inhaftiert worden sein. Bei 13 weiteren Häftlingen handelt es sich dem Bericht zufolge um Frauen, die überwiegend wegen Messerattacken verurteilt wurden. Israelische Medien hatten zuvor berichtet, dass keine Häftlinge freigelassen würden, die wegen Mordes im Gefängnis sitzen.

Für einen Gefangenenaustausch ist seit einer Gesetzesänderung von 2014 die Zustimmung des gesamten israelischen Kabinetts notwendig. Dadurch ist eine vorzeitige Entlassung von Gefangenen nur unter strengen Bedingungen möglich, etwa wenn sie der nationalen Sicherheit dient oder Teil einer außenpolitischen Vereinbarung ist.

Den Angaben aus Katar zufolge sieht die Vereinbarung über eine „humanitäre Pause“ außerdem vor, dass eine „größere Zahl“ an Hilfskonvois sowie weiterer Treibstoff in den Gazastreifen geliefert werden. Überwacht wird die Freilassung der Geiseln laut Katar vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).

Internationale Erleichterung

International sorgte der Deal für Aufatmen: Die Außenminister aus Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien begrüßten die Vereinbarung über einen vorübergehenden Waffenstillstand, forderten aber eine Verlängerung. Zudem solle die Vereinbarung zu einer Wiederaufnahme der Gespräche über eine Zweistaatenlösung führen.

US-Präsident Joe Biden begrüßte die Vereinbarung und bedankte sich bei Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi und dem katarischen Emir Tamim bin Hamad Al Thani für „ihre entscheidende Führungsrolle und ihre Partnerschaft beim Zustandekommen dieser Vereinbarung“. Ägypten will sich nach Worten Sisis weiterhin für „dauerhafte Lösungen“ im Nahost-Konflikt einsetzen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas von der mit der Hamas rivalisierenden Fatah, der im Westjordanland regiert, forderte eine längere Waffenruhe und „die Umsetzung einer politischen Lösung, die auf internationaler Legitimität beruht“, hieß es in einer Erklärung.

Rufe nach Freilassung aller Geiseln

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte mit, dass sie all jenen „zutiefst dankbar“ sei, die „in den vergangenen Wochen auf diplomatischem Wege unermüdlich daran gearbeitet haben, diese Einigung zu erzielen“. Sie rief die „Terrorvereinigung Hamas“ zudem auf, sämtliche Geiseln freizulassen.

Auch das Außenministerium in Wien begrüßte die angekündigte Befreiung eines Teils der Geiseln, wie es in einer Stellungnahme gegenüber der APA heißt. „Erleichterung ist aber erst angezeigt, wenn die Geiseln ihre Familien auch tatsächlich in die Arme schließen können. An diesem Zeitpunkt sind wir so nah dran wie nie zuvor.“

Israel und Hamas wollen Kämpfe später fortsetzen

Sowohl Israel als auch die radikalislamische Palästinenserorganisation versicherten indes, nach der viertägigen Waffenruhe die Kämpfe fortzusetzen. Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen hatten vor rund sechs Wochen im Süden von Israel beispiellose Massaker verübt, rund 1.200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln nach Gaza verschleppt.

Israels Militär flog als Reaktion darauf Luftangriffe auf den Gazastreifen und rückte mit Bodentruppen in die abgeriegelte Region ein. Seitdem sind nach Angaben der palästinensischen Behörden mindestens 13.300 Bewohner des Gazastreifens getötet worden.

Nach UNO-Angaben sind zwei Drittel der 2,3 Millionen Menschen in dem dicht besiedelten Küstenstreifen inzwischen obdachlos. Die als katastrophal eingeschätzte humanitäre Lage dort hat international Rufe nach einer Feuerpause lauter werden lassen. Von den 240 Verschleppten wurden bislang vier weibliche Geiseln von der Hamas freigelassen. Eine junge Soldatin konnte vom Militär befreit werden. Die Armee fand zudem die Leichen zweier Frauen. Wie viele insgesamt noch am Leben sind, ist unklar.