Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders
AP/Peter Dejong
„Wir wollen regieren“

Rechtspopulist Wilders klar voran

In den Niederlanden ist die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Wilders’ Partei für die Freiheit (PVV) kommt Hochrechnungen zufolge auf 37 der 150 Sitze im Parlament, womit die PVV ihre Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments im Vergleich zur Wahl 2021 mehr als verdoppelt hätte.

Wenn sich die Prognose bestätigt, wäre es das erste Mal, dass eine rechtspopulistische Partei eine niederländische Parlamentswahl gewinnt. Im niederländischen Fernsehen NOS sprachen Kommentatoren aber bereits von einem „historischen Ergebnis“, das es so noch nie in den Niederlanden gegeben habe.

„Wir wollen regieren. Und wir werden auch regieren“, teilte Wilders in einer ersten Stellungsnahme nach Veröffentlichung der Exit-Polls mit. Das bedeute auch, dass alle Parteien, und damit auch die von ihm angeführte PVV „über ihren Schatten springen müssen“, wie Wilders bereits mit Blick auf etwaige Koalitionsverhandlungen ausführte. Einmal im Amt wolle er dann „dafür sorgen, dass der Niederländer wieder an erster Stelle kommt“. Der „Asyl-Tsunami“ müsse beschränkt werden.

ORF-Analyse zur Niederlande-Wahl

In den Niederlanden ist die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders einer Prognose zufolge als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Das berichtete am Mittwochabend nach Schließung der Wahllokale das niederländische Fernsehen. Robert Zikmund (ORF) ist im Hauptquartier der Sozialdemokraten in Amsterdam und berichtet von dem prognostizierten Ergebnis.

Rutte lehnte Kooperation strikt ab

Die Spitzenkandidatin der Rechtsliberalen, Dilan Yesilgöz, hatte zu Beginn des Wahlkampfes gesagt, dass sie Wilders als Koalitionspartner nicht von vornherein ausschließe. Der scheidende Ministerpräsident Mark Rutte, ebenfalls ein Rechtsliberaler, hatte eine Zusammenarbeit mit Wilders dagegen immer abgelehnt. Wilders hatte 2010 eine Minderheitsregierung unter Rutte zeitweise toleriert – 2012 wurde neu gewählt.

Timmermans: „Wir verteidigen Demokratie“

Die Partei von Yesilgöz und Rutte, die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), kommt laut den von Ipsos veröffentlichten Exit-Polls auf 24 Sitze, ein Minus von acht Mandaten. Das von Ex-EU-Kommissar Frans Timmermans angeführte Bündnis aus Grünen und Sozialdemokraten schaffe 25 Sitze, ein Plus von zehn.

Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC), kann nach der Prognose mit 20 Sitzen rechnen.

Angesichts des sich abzeichnenden Wahlsieges von Wilders rief Timmermans zur Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat auf. „Jetzt bricht die Stunde an, dass wir die Demokratie verteidigen“, sagte der Sozialdemokrat am Mittwochabend in Amsterdam bei einer Wahlparty der Sozialdemokraten und Grünen.

Timmermans rief seine Anhänger auf, sich auch für die Rechte von Migranten, Muslimen und Flüchtlingen einzusetzen. „In den Niederlanden ist jeder gleich, und es macht nicht aus, wo deine Wiege stand oder die deiner Eltern oder Großeltern.“ Niederländische Muslime befürchten nach dem Wahlsieg von Wilders eine Periode der Unsicherheit: Seine Partei hatte angekündigt, Moscheen schließen und den Koran verbieten zu lassen – mehr dazu in religion.ORF.at.

Schwierige Verhandlungen erwartet

Welche Regierung nach den Wahlen gebildet wird, ist noch völlig offen. Omtzigt hat eine Zusammenarbeit mit Wilders ausgeschlossen, da dieser verfassungsfeindliche Positionen vertrete. Yesilgöz schließt eine Zusammenarbeit ausdrücklich nicht aus, will aber nicht unter Wilders als Ministerpräsident in eine Regierung eintreten.

Bereits im Vorfeld erwarteten Beobachter – unabhängig vom Wahlergebnis – schwierige Koalitionsverhandlungen. Nach der vorigen Wahl, im März 2021, hatte es fast zehn Monate gedauert, bis Rutte sein viertes Kabinett präsentieren konnte.

Die vorgezogene Parlamentswahl war notwendig geworden, nachdem im Sommer Ruttes Mitte-rechts-Koalition nach nur 18 Monaten im Amt geplatzt war. Anlass dafür war ein Streit über Migrationspolitik. Rutte, der am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte, hatte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik angekündigt, er will jetzt NATO-Generalsekretär werden. Bis zum Antreten einer neuen Regierung bleibt er allerdings noch im Amt. Zu der Wahl am Mittwoch waren gut 13 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen.

Seit 20 Jahren Fixpunkt in niederländischer Politik

In den Niederlanden hat sich der Rechtspopulismus schon vor mehr als 20 Jahren als fester Bestandteil der politischen Landschaft etabliert. Der erste erfolgreiche Rechtspopulist Pim Fortuyn war 2002 wenige Tage vor der Parlamentswahl von einem militanten Tierschutzaktivisten ermordet worden. Sein Erbe trat Wilders an, der noch viel radikalere Forderungen als die nach einem Verbot des Korans und der Schließung aller Moscheen im Lande erhob.

Unermüdlich wütet er neben dem Islam auch gegen Migration und Klimaschutz sowie die Europäische Union. So strebte Wilders immer wieder ganz nach dem Vorbild Brexit etwa auch ein Referendum über einen „Nexit“, also den Ausstieg der Niederlande aus der EU, an.

Im Wahlkampf hatte er allerdings moderatere Töne angeschlagen und etwa gesagt, der Kampf gegen den Islam habe derzeit keine Priorität. Stattdessen will er etwa die niederländischen Grenzen für Asylsuchende schließen. Im Wahlkampf proklamierte er zudem „Netherlands first“ (dt.: „Die Niederlande zuerst“) und erinnerte damit auch an den vom ehemaligen republikanischen US-Präsidenten Donald Trump geprägten Slogan „America first“.

Zu Wilders Parolen gehört aber auch „Mehr Personal in der Pflege“ und „Niedrigere Mieten und Steuern“. Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders’ Partei hat nur ein einziges Mitglied – ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Zepter übernehmen könnten.