Blauwal
Getty Images/iStockphoto/Eco2drew
Seychellen

Forscher feiern Rückkehr der Blauwale

In den Gewässern um die Seychellen sind noch vor Jahrzehnten regelmäßig Blauwale gefangen worden – nun feiern Forscherinnen und Forscher deren Rückkehr in die Region. Ein Team aus Fachleuten und Filmschaffenden stellte mit Hilfe von Unterwasseraudioaufnahmen fest, dass sich die größten Tiere der Welt 2020 und 2021 monatelang rund um den Inselstaat aufhielten. Das bedeutet, dass sie dort Junge aufziehen könnten, wurden Fachleute in der BBC zitiert.

Die an der Mission beteiligten Forscher bezeichneten ihre Entdeckung im indischen Ozean als „Naturschutzerfolg“. Im vergangenen Jahrzehnt kam es in dem Gebiet immer wieder zum Fang von Blauwalen: In den 1960er Jahren hatte eine sowjetische Walfangflotte Forschern zufolge Hunderte Lebewesen getötet, über die Jahrzehnte wurden in den Gewässern 12.000 Zwergblauwale gefangen. Deren Bestände wurden dadurch drastisch dezimiert.

„Es stellt sich heraus, dass sich Tiere erholen können, wenn man aufhört, sie massenhaft zu töten, und wenn man ihnen eine Chance gibt, sich zu erholen“, wurde Kate Stafford, eine führende Forscherin der Mission, in der BBC zitiert.

Kommerzieller Walfang, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts seinen Höhepunkt hatte, hat die weltweiten Blauwalbestände auf ein Minimum reduziert. 1926 wurde die Zahl erwachsener Tiere auf 140.000 geschätzt. Nach Einschätzung der Weltnaturschutzunion International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN), die unter anderem die Rote Liste gefährdeter Arten erstellt, gab es den aktuellsten Schätzungen von 2018 zufolge zwischen 5.000 und 15.000 erwachsene Blauwale auf der Welt. IUCN stufte den Blauwal als gefährdete Art ein.

Strand in La Digue auf den Seychellen
Reuters/Sergio Canobbio
Rund um das Inselparadies Seychellen sind Forschern zufolge Blauwale unterwegs

Forscher horchten Meeresgeräusche ab

„Es ist das größte Tier, das jemals auf dem Planeten existierte“, sagte Stafford. Zu wissen, dass es auf den Seychellen eine Population gibt, sei ihr zufolge „unglaublich aufregend“. Die Entdeckung wurde im „Journal of Endangered Species Research“ veröffentlicht. Sie geht auf Aufnahmen, die mittels eines Tonapparats auf dem Meeresboden in der Nähe des winzigen Inselstaates gemacht wurden, zurück.

Der Apparat war mit Unterwassermikrofonen, Batterien und Aufnahmegeräten ausgestattet worden und zeichnete ein Jahr lang an Ort und Stelle jeden Tag 15 Minuten jeder Stunde auf. Stafford hielt während einer monatelangen Expedition auch täglich über Stunden ein Hydrofon – ein Unterwassermikrofon – in den Ozean.

Balaenoptera musculus

ist die wissenschaftliche Bezeichnung für den Blauwal. Er kommt in allen Ozeanen außer dem Nordpolarmeer vor. Er kann bis zu 30 Meter lang werden und bis zu 150 Tonnen wiegen.

Erst Enttäuschung, dann Euphorie

„Wir haben bemerkenswerte Dinge gehört: das Klopfen von Pottwalen in Tausenden von Metern Tiefe und Delfine, die Echos lokalisierten und kommunizierten – aber leider keine Blauwale“, sagte der Tontechniker Chris Watson, der Teil der Expedition war.

Nachdem die Wissenschaftler jedoch den Apparat vom Meeresboden zurückgeholt hatten und dessen Aufzeichnungen analysierten, stellten sie fest, dass Blauwale tatsächlich in der Region unterwegs waren und in Abwesenheit der Forscher miteinander kommunizierten. Der charakteristische, sehr niederfrequente Gesang der Säugetiere war vor allem im März und April zu hören.

Die Seychellen könnten für Blauwale „wirklich wichtig sein“, sagte Stafford über die Entdeckung. Der Grund: Blauwale „singen während der Brutzeit und ausgehend davon, was wir über Wale wissen, denken wir, dass es wahrscheinlich die Männchen sind, die singen.“ Es bestehe die Möglichkeit, dass „die Seychellen ein Brut- oder Aufzuchtgebiet sind“, fuhr die Forscherin fort.

WWF: Neun unterschiedliche Gesänge bekannt

Die Fachleute waren zudem in der Lage herauszufinden, welcher akustischen Population die Blauwale in der Gegend angehören. „Man kann sie an den Geräuschen unterscheiden, die sie machen“, sagte Stafford. Die Blauwale ordnet sie jener akustischen Population zu, die allgemein mit dem nördlichen Indischen Ozean in Verbindung gebracht wird.

„Weltweit sind neun unterschiedliche Gesänge bei Blauwalen bekannt, die jeweils von den Tieren einer bestimmten Region gesungen werden, davon vier im Pazifik, drei im Indischen Ozean, einer im Atlantik und einer im Südpolarmeer“, schreibt die Umweltschutzorganisation WWF. „Einige Lieder haben sich seit über dreißig Jahren nicht verändert. Die Funktionen der Walgesänge sind bisher nicht abschließend geklärt. Auf jeden Fall dienen sie zur Interaktion zwischen Individuen.“

Blauwale würden dem WWF zufolge die kraftvollsten Laute im gesamten Tierreich produzieren: „Sie können 188 Dezibel erreichen und übertreffen damit die Lautstärke eines Düsenjets (140 Dezibel). Zudem tönen Blauwale auf der niedrigsten Frequenz im Vergleich zu anderen Tieren.“ Durch die gute Schallleitfähigkeit des Wassers sind die Laute der Blauwale über Hunderte und bis zu Tausende von Kilometern zu vernehmen.

Seychellen schützen 400.000 Quadratkilometer Meere

Fachleute wollen die Rolle der Seychellen für Blauwale genauer unter die Lupe nehmen. Ein Gebiet rund um die Inseln wurde im Rahmen eines einzigartigen „Debt-for-nature Swap“ (dt.: „Tausch von Schulden gegen Naturschutz“, Anm.) offiziell geschützt, wobei dem Land fast 19,3 Millionen Euro seiner Staatsschulden abgeschrieben wurden als Gegenleistung dafür, dass es mehr für den Schutz seiner Ozeane tut. Etwa 400.000 Quadratkilometer seiner Meere sind inzwischen geschützt.

Ein großes Anliegen ist auch der Schutz vor Lärmbelästigung. „Es gibt nicht viel Schiffsverkehr auf den Seychellen, also könnten wir uns die Gegend vielleicht als einen schönen, ruhigen und sicheren Ort für Blauwale vorstellen“, sagte Stafford.