Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
APA/Roland Schlager
Pilnacek-Audio

Justiz prüft Anfangsverdacht gegen Sobotka

Das heimlich aufgenommene Audio, auf dem der mittlerweile verstorbene einstige Justizsektionschef Christian Pilnacek Vorwürfe gegen die ÖVP erhoben hat, lässt nun die Behörden tätig werden. Die Staatsanwaltschaft Wien prüfe derzeit einen Anfangsverdacht gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wegen versuchter Bestimmung zum Amtsmissbrauch, teilte eine Sprecherin am Donnerstag mit. Sobotka selbst wies im Parlament alle Vorwürfe zurück. Zugleich liege das Ergebnis der Obduktion von Pilnaceks Leichnam vor, wie die „Krone“ berichtete – Fremdverschulden werde ausgeschlossen.

Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob überhaupt ein Verfahren eingeleitet werden soll. Auch die mögliche Zuständigkeit soll dabei geklärt werden. Möglich ist etwa, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den Fall übernimmt. Auch zu weiteren, unbekannten Personen, die auf der Aufnahme zu hören waren, wurde ein Verfahren angelegt. Zugleich outete sich der frühere BZÖ-Politiker und Unternehmer Christian Mattura als Urheber der Aufnahme.

„Ich habe den Herrn Pilnacek damals aufgenommen“, sagte Mattura den „Salzburger Nachrichten“. Er habe Pilnacek schon länger privat gekannt. „Und als er dann an diesem Abend angefangen hat, über die ÖVP zu reden, habe ich mich dazu hinreißen lassen und habe den Knopf gedrückt. Das gebe ich zu.“ Als Grund für die spätere Weitergabe an Medien nannte Mattura die Aussagen von Sebastian Kurz (ÖVP) vor Gericht. Der Ex-Kanzler habe dort Pilnaceks Tod für sein „Bashing gegen die WKStA“ verwendet.

Pilnacek, einst mächtigster Mann im Justizministerium, ist auf der heimlichen Aufnahme bei einer abendlichen Runde mit Bekannten in einem Wiener Innenstadtlokal Ende Juli zu hören, in der er sagt, die ÖVP habe verlangt, dass er Ermittlungen einstelle und Hausdurchsuchungen verhindere, was er stets alles abgewehrt habe. Namentlich nannte er unter anderen Sobotka, dem ORF liegt ein etwa zehnminütiger Mitschnitt vor.

Sobotka: „Vorwürfe entsprechen nicht der Wahrheit“

Sobotka sagte am Donnerstag zum Auftakt der Plenarsitzung des Nationalrats, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe „in keinster Weise der Wahrheit“ entsprechen würden. Er verwies auf seine Aussagen im U-Ausschuss, dass er nie mit Pilnacek über laufende Verfahren gesprochen habe. Auch Pilnacek habe das damals im U-Ausschuss unter Wahrheitspflicht so bestätigt. Sobotka sprach von einer illegal zustande gekommenen Audioaufnahme.

Sobotka weist Forderung nach Rückzug von sich

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat in einer Erklärung im Nationalrat einen Rückzug von seinem Amt abgelehnt. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe würden „in keiner Weise der Wahrheit“ entsprechen.

Dass es in den vergangenen Tagen zu Diskussionen über das Amt des Nationalratspräsidenten gekommen sei, bedaure er zutiefst. Er werde sein Amt weiter „nach den gesetzlichen Vorschriften und nach bestem Wissen und Gewissen ausüben“. Konstruktive und wertschätzende Zusammenarbeit sei für ihn von zentraler Bedeutung, so Sobotka, dessen Amtsführung in der Vergangenheit immer wieder vor allem von der Opposition kritisiert wurde.

Christian Pilnacek
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Der Tonmitschnitt von Pilnacek sorgt seit Tagen für Turbulenzen

Kogler: Hätten an Sobotkas Stelle Weg frei gemacht

Nicht ganz verständlich ist Sobotkas Haltung weiter für den Koalitionspartner. Grünen-Chef Werner Kogler betonte gegenüber der ZIB: „Ich sehe das wie meine grünen Kolleginnen und Kollegen, und das im Übrigen schon länger. Wir an seiner Stelle hätten den Weg frei gemacht, weil es um das Ansehen und den Schutz eines ganz wichtigen Amtes dieser Republik geht.“

Die stellvertretende Klubchefin der Grünen, Meri Disoski, sagte am Donnerstag, ihre Partei habe schon mehrfach „sehr unmissverständlich“ festgehalten, dass man an Sobotkas Stelle den Hut gezogen hätte. Dass er im Amt bleibe, halte sie für einen Fehler. Die Grünen sähen es als ihre Aufgabe, für Transparenz und Aufklärung zu sorgen – an dieser Stelle verwies Disoski auf die von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) eingesetzte U-Kommission.

FPÖ mit „Sobotka muss weg“-Tafeln

Dass Sobotka bleibt, kritisierte einmal mehr die Opposition, die FPÖ drückte ihren Rücktrittswunsch an Sobotka mit Tafeln aus. Das Schild „Sobotka muss weg“ hielt neben anderen sogar der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) in der Hand. FPÖ-Chef Herbert Kickl nannte die Erklärung des Nationalratspräsidenten „völlig daneben“ und einen Missbrauch des Parlaments. Er legte Sobotka ebenso den Rücktritt nahe. Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, den Grünen und SPÖ-Chef Andreas Babler forderte er Äußerungen zu den Vorfällen.

Norbert Hofer und Herbert Kickl
APA/Roland Schlager
Auch der Dritte Nationalratspräsident Hofer – einer der Stellvertreter Sobotkas – fordert dessen Rücktritt

SPÖ warnt vor Vertrauensverlust

Sobotka könne die Vorwürfe nicht einfach mit einer kurzen Klarstellung vom Tisch wischen, sei er als Nationalratspräsident doch das Aushängeschild des Hohen Hauses, meinte auch die stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Eva Maria Holzleitner. Sie warnte, dass das Vertrauen der Menschen in die Institution verloren gehe, und legte Sobotka nahe, darüber nachzudenken, ob er nicht besser zurücktreten solle.

Als unwürdig bezeichnete der NEOS-Abgeordnete Michael Bernhard die Reaktionen vor allem von FPÖ und ÖVP. Die Menschen würden erwarten, dass gearbeitet und nicht nur gestritten werde.

Sobotka schließt Rückzug aus

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) lehnt den von der Opposition geschlossen geforderten Rückzug von seinem Amt nach Bekanntwerden des Pilnacek-Tonmitschnitts ab. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien falsch. Die Staatsanwaltschaft prüft von Amts wegen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.

„Genug ist genug“

Bereits am Vortag hagelte es von der Opposition Rücktrittsaufforderungen an Sobotka: SPÖ-Klubobmann Philip Kucher sagte: „Genug ist genug.“ FPÖ-Chef Kickl appellierte an die „verantwortungsbewussten Kräfte innerhalb der ÖVP“, Sobotka dazu zu bringen, sein Amt niederzulegen.

Nicht ganz nachvollziehen konnte NEOS-Chefin Meinl-Reisinger die Verteidigungslinie der ÖVP, wonach Pilnacek bei seiner Befragung im „Ibiza“-U-Ausschuss Interventionen in Abrede gestellt habe. Der ehemalige Sektionschef habe dabei lediglich eigene Interventionen verneint, so Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz. Bezüglich solcher Versuche ihm gegenüber habe er sich dagegen der Aussage entschlagen.

Auch Kickl und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sehen keinen Widerspruch zwischen Pilnaceks Aussagen in der Aufnahme und im „Ibiza“-U-Ausschuss.

Kommission soll untersuchen

Zugleich mit der Oppositionskritik kam die Ankündigung von Justizministerin Zadic, eine U-Kommission einzusetzen. Ähnliche Gremien wie jene vom Justizministerium nun angekündigte Untersuchungskommission wurden bereits nach dem Terroranschlag in Wien und zur Hypo Alpe Adria eingerichtet.

Zugleich nutzte die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV) die Causa am Donnerstag, um auf die noch ausstehende Umsetzung des vorliegenden Entwurfs zur Schaffung einer Generalstaatsanwaltschaft aufmerksam zu machen. Diese sei dringend notwendig, „um auch eine klare strukturelle Trennung von Politik und Justiz an der Weisungsspitze zu gewährleisten“.

Der Entwurf sieht vor, dass künftig nicht mehr der Justizminister bzw. die Justizministerin an der Spitze der Weisungskette der Staatsanwälte steht, sondern eine unabhängige Generalstaatsanwaltschaft. Bisher scheiterten die koalitionsinternen Verhandlungen vor allem an der Spitze der Generalstaatsanwaltschaft, an der sich die Grünen (wie auch die Staatsanwälte) einen Dreiersenat wünschen.

Die ÖVP hätte hingegen gerne eine Einzelperson, den „Bundesstaatsanwalt“ bzw. die „Bundesstaatsanwältin“. „Bereits der Anschein, dass auf ein Ermittlungsverfahren Einfluss genommen werden könnte, schadet dem Ansehen der Justiz massiv“, betonte StAV-Präsidentin Cornelia Koller.

Nehammer: „Sobotka hat mein Vertrauen“

Zugleich hatte sich ÖVP-Chef Nehammer am Mittwoch vor Sobotka gestellt: „Sobotka hat mein Vertrauen.“ Er ortete am Tag nach Bekanntwerden der Aussagen „einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung“. „Ich muss ganz offen sagen, dass ich es persönlich mehr als pietätlos finde, was hier gerade passiert“, sagte der ÖVP-Chef. Pilnacek könne sich nicht mehr dazu äußern, sagte Nehammer, das sei „moralisch nicht vertretbar“.

Pilnacek-Obduktion: Kein Fremdverschulden

Abseits der aktuellen Causa liegt seit Donnerstag das Obduktionsergebnis zu Pilnaceks Leichnam vor. Wie die „Kronen Zeitung“ (Onlineausgabe) berichtete, werde Fremdverschulden ausgeschlossen. Von der zuständigen Staatsanwaltschaft Krems in Niederösterreich gab es bisher keine Stellungnahme. Die Leiche des 60-Jährigen war am 20. Oktober bei Krems aufgefunden worden. Von polizeilicher Seite waren die Ermittlungen vom Landeskriminalamt Niederösterreich geführt worden.