Jubel von Rechtspopulist Geert Wilders (PVV)
Reuters/Yves Herman
Niederlande

Rechtspopulist Wilders sucht Koalition

Nach dem Sieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Mittwoch stehen die Niederlande vor einer schwierigen Regierungsbildung. Wilders’ PVV kam nach Auszählung fast aller Stimmen auf 37 von 150 Parlamentssitzen und konnte damit ihr Ergebnis von 2021 mehr als verdoppeln. Europas Rechtspopulisten verfielen in Jubel. Wilders will nun rasch eine arbeitsfähige Koalition bilden – ob das gelingt, ist fraglich.

Potenzielle Partner für Wilders sind die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), der erst kürzlich gegründete Neue Soziale Vertrag (NSC) des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt und die Bauer-Bürger-Bewegung (BBB), die vor allem eine weniger strenge Klimapolitik anstrebt.

Wilders versicherte in der Wahlnacht, dass er seine radikalsten Forderungen wie ein Koranverbot und die Schließung von Moscheen erst einmal nicht durchsetzen wolle. „Wir bleiben innerhalb der Grenzen des Grundgesetzes“, sagte er. „Ich werde ein Premier für alle Niederländer sein – egal wo man herkommt und welche Religion man hat.“

Grafik zeigt die vorläufige Sitzverteilung nach der Parlamentswahl in den Niederlanden
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: NOS/Ipsos

Bei der Parlamentswahl am Mittwoch hatte Wilders’ Partei für die Freiheit (PVV) 37 der 150 Parlamentssitze geholt. Auf Platz zwei und drei folgten das rot-grüne Bündnis des ehemaligen EU-Kommissars Frans Timmermans mit 25 Mandaten und die VVD mit 24.

Ablehnung von Zusammenarbeit bröckelt

Die Initiative für Sondierungsgespräche liegt in den Niederlanden traditionell bei der größten Partei und damit bei Wilders. Ruttes Nachfolgerin als VVD-Chefin, Dilan Yesilgöz, hatte vor der Wahl eine Regierungsbeteiligung unter einem Ministerpräsidenten Wilders ausgeschlossen, doch in der Wahlnacht äußerte sie sich auffallend weniger eindeutig. Erst einmal sei nun Wilders am Zug, sagte sie: „Wir werden das in der Fraktion gut abwägen. Dann schauen wir, wohin das führt.“

Zikmund (ORF) zur Wahl in den Niederlanden

Robert Zikmund (ORF) meldet sich aus Amsterdam und berichtet über den Rechtsruck in den Niederlanden. Die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders ist als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervorgegangen.

Auch NSC-Chef Omtzigt zeigte sich prinzipiell offen. Im Wahlkampf hatte er noch gesagt, Wilders’ Auffassungen seien teilweise nicht mit der Verfassung vereinbar, weshalb er als Partner nicht infrage komme. BBB-Chefin Caroline van der Plas würde gern mit Wilders regieren. Timmermans dagegen schloss eine Koalition mit Wilders erneut aus und sagte: „Jetzt ist es an der Zeit, die Demokratie zu verteidigen.“

Dilan Yesilgöz, Spitzenkandidatin der Rechtsliberalen
Reuters/Piroschka Van De Wouw
VVD-Chefin Yesilgöz will Wilders als Koalitionspartner nicht a priori ausschließen

Regierungswille trifft auf Entsetzen

Wilders stieß am Donnerstag in Den Haag mit seinen Gefolgsleuten auf den Wahltriumph an. „Es hat geklappt“, sagte er. „Wir haben 37 Sitze geholt, könnt ihr euch das vorstellen?“ Nun werde sich seine Partei für die Niederländer einsetzen, die die Politik der vergangenen Jahre satthätten. Seine Ziele seien eine strengere Asylpolitik, mehr Wohnungen und ein besseres Gesundheitssystem. Er sei dabei zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien bereit. „Der Niederländer verdient es, und dann wird es auch so kommen, dass die PVV in das nächste Kabinett eintritt“, sagte Wilders.

Flüchtlingsorganisationen und muslimische Verbände äußerten sich entsetzt über den Erfolg des Rechtspopulisten. Muhsin Köktas, Vorsitzender eines muslimischen Interessenverbands, sagte, wenn Wilders sein Wahlprogramm in die Tat umsetze, könnten Muslime in den Niederlanden ihre Religion nicht mehr frei ausüben – mehr dazu in religion.ORF.at.

Europas Rechtspopulisten jubeln

Andere Rechtspopulisten in Europa hingegen bejubelten Wilders’ Triumph. „Ich freue mich und gratuliere herzlich!“, schrieb der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, auf X (Twitter). „Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende!“, schrieb AfD-Chefin Alice Weidel. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen gratulierten Wilders. „Die Winde des Wandels sind da!“ („The winds of change are here!“, so Orban.

Doch noch ist ungewiss, ob Wilders wirklich Erfolg haben wird mit seinem Aufruf an Parteien des rechten Spektrums, mit ihm zusammenzuarbeiten. „Ich glaube, dass wir jetzt alle über unseren Schatten springen müssen“, so Wilders. Auf keinen Fall dürfe der Wählerwille ignoriert werden.

Rechtspopulist Geert Wilders (PVV) vor Journalisten
Reuters/Yves Herman
Der Erfolg des „niederländischen Trumps“ überraschte auch Wilders selbst

Seit 20 Jahren Fixpunkt in Politik

Wegen seiner antiislamischen Auffassungen steht Wilders schon seit 20 Jahren im Fadenkreuz radikaler Islamisten und wird rund um die Uhr bewacht. Im jüngsten Wahlkampf schlug er versöhnlichere Töne an, weil er erstmals seit langer Zeit eine Möglichkeit sah, wirklich an die Regierung zu kommen. Er proklamierte vor allem „Netherlands first“ („Die Niederlande zuerst“) und erinnerte damit auch an den vom ehemaligen republikanischen US-Präsidenten Donald Trump geprägten Slogan „America first“.

Zu Wilders’ Parolen gehören aber auch „Mehr Personal in der Pflege“ und „Niedrigere Mieten und Steuern“. Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders’ Partei hat nur ein einziges Mitglied – ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Szepter übernehmen könnten.

Rutte bleibt vorerst – und schweigt

2010 hatte Wilders einmal vorübergehend eine Minderheitsregierung unter Premier Mark Rutte toleriert. Doch die Zusammenarbeit war 2012 gescheitert. Ruttes derzeitige Vierparteienkoalition war im Juli im Streit über die Migrationspolitik zerbrochen. In der Folge kündigte er nach 13 Jahren als Regierungschef seinen Rückzug aus der Politik an. Er will jetzt NATO-Generalsekretär werden, bis zum Antreten einer neuen Regierung aber im Amt bleiben. Zu Wilders’ Sieg wollte er sich am Donnerstag nicht äußern: „Als Premier habe ich keine Meinung zum Wahlergebnis.“

Besorgt zeigte sich indes der niederländische Journalistenverband. Wilders schüre Feindseligkeit und Bedrohungen von Journalisten und Journalistinnen, sagte der Generalsekretär des Verbandes, Thomas Bruning, am Donnerstag. Der Rechtspopulist hatte nach Aussagen von Bruning in der Vergangenheit einige „alarmierende Aussagen“ gemacht.

So hatte er auf X (Twitter) 2021 Medienleute als „gesellschaftlichen Abschaum“ beschimpft. Zudem wolle er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht länger mit Steuergeldern finanzieren. „Unterm Strich will er damit den öffentlich-rechtlichen Journalismus abschaffen“, sagte Bruning.