Kind auf einem Spielplatz
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Österreich-Studie der OECD

Kinderarmut prägt weiteres Leben

Wer in Armut aufwächst, spürt die schlechteren Startbedingungen noch im Erwachsenenalter. Schlechtere Bildungschancen, geringere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und damit verbunden ein niedrigeres Einkommen sind nur ein paar Beispiele, womit in der Kindheit von Armut Betroffene später zu kämpfen haben. Kinderarmut kostet auch den Staat viel: einer am Donnerstag präsentierten OECD-Studie zufolge 17,2 Milliarden Euro jährlich.

„Diese Daten sind ein Arbeitsauftrag an die Politik, strukturelle Verbesserungen anzugehen“, sagte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) bei der Studienpräsentation. Die OECD-Studie im Auftrag des Sozialministeriums untersuchte die soziale Lage und das Wohlbefinden von Kindern in Österreich im Jahr 2021. Ihr zufolge ist die soziale Lage von Kindern in Österreich im europäischen OECD-Vergleich stabil.

Der Anteil jener Kinder, die von Einkommensarmut betroffen sind, liegt mit 13 Prozent knapp über dem Durchschnitt (12,4 Prozent). Deutlich unter dem Durchschnitt von zwölf Prozent liegt mit acht Prozent der Anteil jener Kinder, denen es an Notwendigem mangelt.

Rund acht Prozent (europäischer OECD-Durchschnitt: elf Prozent) aller Kinder haben Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss. Mit 18 Prozent sind in Österreich weniger Kinder von zumindest einem dieser drei Indikatoren für soziale Benachteiligung betroffen als in anderen OECD-Staaten.

Verbesserungen bei Treffsicherheit von Familienleistungen

Verbesserungsbedarf ortet die OECD insbesondere bei der Treffsicherheit von Familienleistungen. Vor allem bei Alleinerziehenden machen diese einen nur etwas mehr als halb so großen Teil der kinderbezogenen Ausgaben als bei Zweielternhaushalten aus. Mehr tun sollte die Politik laut der Studie auch für die frühkindliche Bildung und Betreuung.

Mit 0,5 Prozent des BIP flossen vergleichsweise deutlich weniger Geldmittel in diesen Bereich als in den führenden OECD-Staaten Schweden (1,6 Prozent), Dänemark und Frankreich (beide 1,3 Prozent). „Chancengleichheit fängt in der Kindheit an“, sagte Rauch und sah die Studie als Auftrag.

„Armut macht krank“, sagte der Minister. So lebten in Österreich 2021 etwa fünf Prozent aller Kinder in beengten und feuchten bzw. schlecht ausgestatteten Wohnräumen. Österreich biete aber einen der besten Zugänge zum Sozialsystem. So sehen laut OECD 99 Prozent aller Eltern den Bedarf ihrer Kinder mit medizinischen Kernleistungen abgedeckt.

17,2 Milliarden Euro Folgekosten

Um die Lebensperspektiven der Kinder zu verbessern, müsse man zuerst „die Erwerbstätigkeit der Eltern fördern, eine gerechtere Aufteilung der Betreuungsaufgaben zwischen den Eltern unterstützen und die Kinderarmut verringern“, sagte auch Yoshiki Takeuchi, stellvertretender Generalsekretär der OECD.

Die Folgekosten einer durch Kinderarmut verursachten Arbeitslosigkeit und von schlechterer Gesundheit berechnete die OECD für Österreich mit 17,2 Milliarden Euro (3,6 Prozent des BIP). Dem Staatshaushalt entgehen insgesamt 5,6 Milliarden Euro an Einkommenssteuern und Sozialabgaben, der erhöhte Bedarf von Sozialleistungen verursacht staatliche Mehrkosten von 700 Millionen Euro.

Neue Studie zu Folgen von Kinderarmut

Einer neuen Studie zufolge wirkt sich soziale Benachteiligung in der Kindheit unmittelbare auf die Erwerbssituation und den Gesundheitszustand im Erwachsenenalter aus. In Folge von Kinderarmut sollen weitere Kosten von 17 Milliarden Euro für die gesamte Gesellschaft entstehen.

Debatte über frühe Teilung im Bildungsbereich

„Die Schlüsselfrage ist nicht: ‚Was kostet es, Kinderarmut zu bekämpfen?‘, sondern: ‚Was kostet uns Kinderarmut?‘“, sagte Rauch. Konkret sah er treffsicherere Familienleistungen, verbesserte Erwerbschancen für Eltern und einen Ausbau der Kinderbetreuung und des gemeinnützigen Wohnbaus als Maßnahmen zur Kinderarmutsbekämpfung.

Auch die Debatte über die frühe Teilung im Bildungsbereich – die Trennung in Mittelschule und AHS ab dem fünften Schuljahr – will er wiederaufnehmen. Unumgänglich werde für die Politik auch die Frage nach einer Kindergrundsicherung sein, für die er einstehe, sagte Rauch. In dieser Legislaturperiode sei diese aber nicht mehr zu erwarten, denn „dazu ist die ÖVP nicht zu bringen“, antwortete Rauch auf entsprechende Fragen von Journalistinnen und Journalisten.

Kind in einem Klassenzimmer
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Die frühe Teilung im Bildungsbereich sorgt erneut für Debatten

Ausbau von Kinderbetreuung gefordert

Die richtigen Lösungen, um allen Kindern gerechte Chancen auf Bildung zu garantieren, habe die SPÖ längst auf den Tisch gelegt, reagierte Parteichef Andreas Babler in einer Aussendung auf die Studie. „Wir brauchen einen Ausbau ganztägiger, kostenloser Kinderbetreuungsplätze, und zwar österreichweit“, damit es für Eltern, insbesondere für Frauen, leichter werde zu arbeiten, was sich wiederum auf die Einkommenssituation der Familien auswirke. Zudem forderte er einen Ausbau der Ganztagsschulen und ein kostenloses, gesundes Mittagessen für alle Kindergarten- und Schulkinder.

Die eigene Kritik bestätigt sah in der OECD-Studie auch Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger. So unterstreiche die Studie Forderungen, die die Volkshilfe schon lange stelle, wie treffsicherere Maßnahmen und bessere Kinderbetreuung. Auch im Gesundheitsbereich, wo die Studie Österreich ein gutes Zeugnis ausstellt, brauche es mehr Investitionen, vor allem in den Ausbau von Therapiekassenplätzen, so Fenninger in einer Aussendung.

Auf die „Therapielücke“ machte auch die Armutskonferenz aufmerksam. Martin Schenk von dem Netzwerk sozialer Hilfsorganisationen forderte die Regierung einmal mehr auf, das Sozialhilfegesetz – das derzeit rund 70.000 Kinder betreffe – zu überarbeiten. „Die Abschaffung der Mindestsicherung und die Einführung der Sozialhilfe hat zu einer sozialen Verschlechterung bei allen geführt, die Hilfe benötigen. Keinem Kind, keinem Menschen mit Behinderungen, keinem Niedriglohnbezieher geht es jetzt besser. Im Gegenteil.“