Sitzungssaal des U-Ausschuss im Parlament
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ÖVP sowie SPÖ/FPÖ

Zwei U-Ausschüsse in den Startlöchern

Im kommenden Jahr werden mit der EU-Wahl und der Nationalratswahl nicht nur zwei große Urnengänge stattfinden. Es wird auch zu zwei Untersuchungsausschüssen kommen. So lauten die Pläne von SPÖ und FPÖ sowie ÖVP. Die Oppositionsparteien wollen eine „systematische Zweiklassenverwaltung“ untersuchen, die Koalitionspartei schielt hingegen auf die „roten und blauen Ministerien“. Gemäß Gesetz wird der Nationalratspräsident den Vorsitz führen.

Am Freitagvormittag kündigten SPÖ und FPÖ eine Quasiverlängerung des Ende April beendeten ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses an. Denn konkret wollen die Oppositionsparteien die Bevorteilung bei Covid-Hilfen untersuchen: Es soll um die Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) gehen, als Beispiel werden die zwei Unternehmer Siegfried Wolf und Rene Benko in einem Papier genannt. SPÖ und FPÖ vermuten, dass Wolf und Benko bei der Vergabe von Hilfen bevorzugt behandelt wurden.

Der Untersuchungszeitraum soll laut Verlangen von 18. Dezember 2017 bis 23. November 2023 reichen. Konkret verlangen SPÖ und FPÖ einen „Untersuchungsausschuss betreffend Zweiklassenverwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“. Als Untersuchungsgegenstände wurden die COFAG selbst, politische Interventionen in Verwaltungsverfahren, Missbrauch staatsnaher Unternehmen und das Funktionieren der staatlichen Aufsicht definiert.

SPÖ und FPÖ: „Sittenbild der ÖVP“

„Es war von Anfang klar, dass man gerade in das Thema COFAG noch genauer reinschauen muss“, begründete FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker das Anliegen. Allerdings sei es im letzten U-Ausschuss schwer gewesen, Akten zu beschaffen. Der FPÖ-Politiker schloss nicht aus, dass etwa die heimlich aufgenommenen Aussagen des früheren Sektionschefs Christian Pilnacek zu angeblichen Interventionen durch Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein Thema werden könnten.

Kai Jan Krainer (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ)
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Krainer und Hafenecker stellten in einem Hintergrundgespräch ihr Verlangen vor

Eingesetzt werden könnte dieser U-Ausschuss noch vor Weihnachten, spätestens aber zu Beginn des kommenden Jahres, sollte die ÖVP das „unter Einsetzung aller juristischer Tricks verzögern“, so SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer. Im März oder April könnten dann die Befragungen der Auskunftspersonen stattfinden. „Es wird ein sehr kurzer, kompakter Ausschuss sein“, so Krainer.

SPÖ und FPÖ verneinten zwar, dass es sich um einen weiteren „ÖVP-Ausschuss“ handeln wird. Dennoch erwarten die Fraktionen ein „Sittenbild der ÖVP“, die eine „Zweiklassengesellschaft im Hinblick auf die Verwaltung errichtet“ habe. Per Gesetz muss dieser nämlich etwa drei Monate vor der Nationalratswahl zu Ende sein. „Aufgrund des Fristenlaufs endet der Ausschuss somit bei regulärem Ablauf der Gesetzgebungsperiode mit Anfang Juni 2024, ansonsten früher. Im Wahlkampf wird der Ausschuss somit nicht mehr tagen“, heißt es in den Unterlagen, die den Medien zur Verfügung gestellt wurden.

Neue U-Ausschüsse im Wahljahr 2024

SPÖ und FPÖ haben sich auf einen Untersuchungsausschuss geeinigt. Das Verlangen wird am Freitag im Nationalrat eingebracht. Konkret untersucht werden sollen dabei vor allem die Coronavirus-Finanzierungsagentur (COFAG) und reiche ÖVP-Spender. Die Volkspartei kontert mit einem Ausschuss, der sich wörtlich dem „rot-blauen Sumpf“ widmen soll.

ÖVP will „rot-blauen Sumpf“ aufzeigen

Das gilt auch für den von der ÖVP verlangten U-Ausschuss. Dieser soll sich um einen „rot-blauen Sumpf“ drehen, wie ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger in einer Pressekonferenz ankündigte. Konkret will die ÖVP die früheren SPÖ- und FPÖ-Ministerien unter die Lupe nehmen. „Die Sümpfe, die unter Regierungsmitgliedern von SPÖ und FPÖ entstanden sind, gilt es trockenzulegen. Hier tun sich Abgründe auf“, sagte Hanger. Aufklärung sei „das Gebot der Stunde“.

Andreas Hanger (ÖVP)
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Hanger will sich die Vorgänge in Ministerien unter SPÖ- und FPÖ-Führung anschauen

Nach Ansicht der ÖVP gibt es „einige hinterfragenswerte Vorgänge, die unter der politischen Verantwortung von SPÖ und FPÖ überprüfungswürdig sind“. Der Abgeordnete und Ex-Fraktionschef im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss will sich die „Inseratenschaltungen und Medienkooperationsvereinbarungen sowie Umfragen, Gutachten und Studien sowie Beauftragung von Werbeagenturen“ anschauen. Man müsse genauer hinschauen, „was frühere SPÖ-Kanzler zu verantworten haben“.

Auch die FPÖ werde dabei als ehemaliger Koalitionspartner der ÖVP nicht ausgespart. „Ja, wir machen diesen Untersuchungsausschuss, weil wir uns zur Wehr setzen“, sagte Hanger. Es sei keine „Retourkutsche“, aber: „Es kann nicht sein, dass ausschließlich gegen ÖVP-Ministerien ermittelt wird.“ Es sei nicht allein das Recht der Opposition, eine parlamentarische Untersuchung zur Klärung von politischen Verantwortlichkeiten auf den Weg zu bringen, so Hanger weiter. Die Grünen-Ministerien will die ÖVP aus Respekt wegen der aktuellen Zusammenarbeit nicht angreifen.

Nationalratspräsident qua Gesetz Vorsitzender

Gemäß U-Ausschuss-Verfahrensordnung sitzt der Nationalratspräsident bzw. die Nationalratspräsidentin einem U-Ausschuss vor. Für die geplanten U-Ausschüsse von SPÖ und FPÖ sowie der ÖVP wird das Sobotka sein. „Wie in der Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse vorgesehen, wird der Nationalratspräsident beiden Untersuchungsausschüssen vorsitzen“, hieß es aus dem Präsidentenbüro. „Er wird sich dabei wie auch bisher schon im Bedarfsfall vertreten lassen.“ Das sieht ebenfalls die Verfahrensordnung vor.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
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Sollten die U-Ausschüsse eingesetzt werden, wird Sobotka eine Rolle darin spielen

Gleichzeitig könnte Sobotka bestimmte Aufgaben aber auch an die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) oder an den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) abtreten. Dazu zählt auch die Vorsitzführung während der Befragungen. Das tat Sobotka etwa beim Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) 2018. Damals übernahm Bures die Agenden. Bei den jüngsten U-Ausschüssen („Ibiza-Affäre“ und ÖVP-Korruption) war das nicht der Fall.

NEOS übt Kritik wegen „Schlammschlacht“

NEOS bezeichnete die angekündigten U-Ausschüsse im Wahljahr als „Schlammschlacht und Dauerwahlkampf“. Die Menschen würden erwarten, dass bis zur kommenden Nationalratswahl an Lösungen gearbeitet wird, wurde der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak in einer Aussendung zitiert. Statt notwendige Reformen für die Zukunft anzugehen, werde „Vergangenheitsbewältigung“ betrieben.

Bereits aus den vorangegangenen Untersuchungsausschüssen wisse man, „was mit Blick auf Inseratenkorruption, Freunderlwirtschaft und politische Interventionen zu tun ist: absolute Transparenz bei den Inseratenvergaben von Ministerien und Parteien, eine Stärkung der unabhängigen Justiz und ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt sowie ein Informationsfreiheitsgesetz“, so Scherak. Man werde sich als NEOS aber konstruktiv in den U-Ausschüssen einbringen. „Wir fordern aber, dass die Sitzungen öffentlich übertragen werden können.“

Minderheitenrechte im U-Ausschuss

ÖVP sowie SPÖ und FPÖ bringen jeweils ein Verlangen ein, womit sie vom Minderheitenrecht Gebrauch machen. Seit 2015 kann nämlich ein Viertel der Nationalratsabgeordneten einen Untersuchungsausschuss auch dann einsetzen, wenn die Mehrheit das ablehnt. Für ein Verlangen werden entsprechend 46 Abgeordnete benötigt. Parallel dazu gibt es weiterhin die Möglichkeit, eine Untersuchung per Mehrheitsbeschluss auszulösen. Allerdings wurde bei der Reform auch dieser „Mehrheitsausschuss“ mit Minderheitenrechten ausgestattet.

Grafik zeigt eine Auflistung der U-Ausschüsse in der Zweiten Republik
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Ein Teil der Minderheitenrechte im U-Ausschuss ist unabhängig davon, ob der Ausschuss per Mehrheitsbeschluss eingesetzt wurde oder von einem Viertel der Abgeordneten. Das betrifft etwa die Ladung von Zeugen und Zeuginnen sowie die Bestellung von Beweismitteln. Egal ob es sich um einen Mehrheits- oder einen Minderheitsausschuss handelt, kann nämlich ein Viertel der Mitglieder jedes U-Ausschusses die Vorlage bestimmter Dokumente und die Befragung bestimmter Auskunftspersonen fordern.

Die Mehrheit kann das zwar ablehnen – aber dann ist eine Berufung der Minderheit beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) möglich. Größter Unterschied zwischen dem Mehrheitsausschuss und dem Minderheitsausschuss: Ersterer kann per Mehrheitsbeschluss beendet werden – auch wenn noch Zeugen und Zeuginnen auf der Ladungsliste stehen oder wenn noch nicht alle Themen abgearbeitet wurden. Bei einem Minderheitsausschuss ist ein Abdrehen durch die Mehrheit dagegen nicht möglich.