Demonstration am 25.11.2023 gegen Gewalt an Frauen in München
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Gewalt an Frauen

Gefahren immer noch „verheerend“

Im Vorfeld des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November haben zahlreiche Organisationen und Parteien die Verstärkung der Maßnahmen gefordert. Bisher wurden in diesem Jahr 26 Femizide und 41 Mordversuche begangen. Die Bilanz sei „auch heuer wieder verheerend“, konstatierte der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) in einer Aussendung am Freitag.

„Das bedeutet, die Maßnahmen greifen nicht! Sie schützen die Gewalttäter, nicht aber die vielen betroffenen Frauen und Kinder“, hieß es. Das Gewaltschutzsystem sei „aufgeblasen und wirkungslos“, denn es könne und wolle Frauen und Kinder nicht vor Männergewalt schützen. „Die Regierung präsentiert ständig neue Maßnahmen, aber solange das Problem nicht tiefgreifend an den Wurzeln gepackt wird, werden Frauen sterben und Kinder schwer traumatisiert zurückbleiben.“

Erst am Donnerstag kam es in Salzburg wieder zu einem Femizid. Ein Mann hatte seine Mutter erschossen, er gestand die Tat – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Diese Tatsache habe für die AÖF kurzfristig bedeutet, die traurige Statistik anpassen zu müssen, so Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins AÖF, gegenüber ORF.at. Die meisten Femizide finden laut AÖF immer noch im familiären oder bekannten Umfeld statt. Der Tatort ist meistens die gemeinsame Wohnung mit dem Täter oder die Wohnung der Getöteten.

Misshandelte Frauen: Ambulanzen zur Beweissicherung

Am Donnerstag wurde die 26. Frau in diesem Jahr von einem Mann ermordet. Ab Samstag wird unter dem Titel „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ international auf das Thema aufmerksam gemacht. Erst vor Kurzem hat der Rechnungshof Österreich dafür kritisiert, keine Strategie dafür zu haben, Gewalt an Frauen zu verhindern. Oft mangelt es vor Gericht an Beweisen. Dabei helfen Gewaltambulanzen, die bisher einzige gibt es an der Meduni in Graz.

16 Tage gegen Gewalt an Frauen

Ab Samstag begehen Feministinnen und Feministen sowie Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten traditionell die 16 Protesttage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Die Frauenhäuser verlangen eine Gesamtstrategie von Regierung, Bund, Ländern und Gemeinden. Gefordert werden dafür mindestens 250 Millionen Euro jährlich, davon mindestens 83 Millionen für die Etablierung von „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ und zusätzlich mehr als 3.000 Vollzeitkräfte für die Gewaltprävention.

Auch der Österreichische Frauenring forderte einen nationalen Aktionsplan und einen ständigen Krisenstab, der sich ausschließlich mit Gewalt gegen Frauen beschäftigt. „Um Frauen und Kinder effektiv vor Gewalt zu schützen, braucht es eine langfristig angelegte Gesamtstrategie, die alle Formen der Gewalt gegen Frauen und Kinder mit einbezieht. Die Regierung muss hier endlich tätig werden und vor allem Expertinnen aus allen Bereichen mit einbeziehen“, sagte Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings. Die Erhöhung des Frauenbudgets sei zwar ein positiver Schritt, allerdings sei überhaupt nicht klar, wofür das Geld wie eingesetzt wird.

„Gewalt hat viele Gesichter“

Die Regierung veröffentlichte anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und der daran anschließenden 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ein gemeinsames Statement. In einem Video, das Samstag früh auf allen Social-Media-Kanälen der Ministerinnen und Minister bzw. der Ressorts freigeschaltet wurde, artikulieren sie ihre Unterstützung für die UNO-Kampagne „Orange the world“ gegen Gewalt an Frauen.

„Gewalt an Mädchen und Frauen ist völlig inakzeptabel und hat in Österreich keinen Platz“, heißt es in dem Statement. „Gewalt hat viele Gesichter. Ob körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt, ob im echten Leben oder online. Sie ist unabhängig vom sozialen Status, unabhängig von Einkommensverhältnissen und unabhängig vom Bildungsgrad. Aber eines ist klar: Keine Frau und kein Mädchen ist mit ihrem Verhalten oder Tun daran schuld, dass so etwas passiert. Schuld sind immer die Täter.“

NEOS kritisiert Raab

„Jede dritte Frau über 15 erlebt in Österreich körperliche und/oder sexuelle Gewalt. Mehr als jede vierte Frau war schon von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen, mehr als jede fünfte Frau von Stalking. Und 26 Frauen wurden heuer schon ermordet, weil sie Frauen waren – das ist unfassbar“, sagte auch NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter, „und die Bundesregierung macht immer noch viel zu wenig dagegen.“ Und weiter: „Wenn Frauenministerin (Susanne, ÖVP, Anm.) Raab die gestiegenen Budgetmittel nicht endlich auch für mehr Prävention einsetzt, betreiben wir weiterhin nur Symptombehandlung statt Ursachenbekämpfung.“

Auch die FPÖ fordert, „dass wir in unserem Land den Gewaltschutz neu denken müssen“, so FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker via Aussendung. Österreich sei „schon lange keine Insel der Seligen mehr“. Die Grünen wollen einen klaren Handlungsauftrag für alle politischen Ebenen. „In Österreich haben Gewaltschutz und Gewaltprävention eine lange finanzielle Durststrecke hinter sich. Ein Jahrzehnt hindurch sind die Mittel dafür bundesseitig de facto nicht erhöht worden“, so die Grünen-Frauensprecherin Meri Disoski.

ÖVP sieht schon vieles getan

Die ÖVP sagte am Freitag, dass mit dem Beitritt der Europäischen Union zur Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, dieses Jahr bereits ein wichtiger Schritt unternommen worden sei. „Ein weiterer Schritt, nämlich das ergänzende EU-Gesetz gegen Gewalt an Frauen wird folgen. Es verankert Mindeststandards für die Kriminalisierung bestimmter Formen geschlechtsspezifischer Gewalt im EU-Recht, verbessert den Zugang zur Justiz sowie den Schutz und die Unterstützung der Opfer. Außerdem wird der Behördenaustausch intensiviert, um Straftaten verhindern zu können“, so Angelika Winzig, ÖVP-Frauensprecherin im EU-Parlament, in einem Statement.

Die ÖVP-Frauen der Teilorganisationen zeigten sich im Schulterschluss gegen Gewalt. Man wolle und müsse leider noch immer auf das Recht auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben von Mädchen und Frauen aufmerksam machen. „Ein starkes Signal setzt auch die signifikante Erhöhung des Frauenbudgets. Insgesamt werden 33,6 Millionen Euro zur Förderung und dem Schutz von Frauen bereitgestellt, und dieses Geld fließt zu großen Teilen in den Gewaltschutz“, so ÖVP-Frauenchefin Juliane Bogner-Strauß in einer Aussendung.

Beratung für Männer

SPÖ fordert nationalen Aktionsplan

Die SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner forderte einen nationalen Aktionsplan, um Gewalttaten zu verhindern. Die SPÖ-Frauen pochten außerdem in einer Aussendung auf eine flächendeckende Umsetzung der Gewaltschutzambulanzen, um eine Dokumentation von Verletzungen zur Beweissicherung zu gewährleisten. Gewaltschutzambulanzen müssten für Frauen in ganz Österreich gut zugänglich und erreichbar sein.

Das heißt, es fehlen 135 Plätze. In insgesamt 76 Prozent der Bezirke ist kein Frauenhaus angesiedelt. Die Frauenhäuser liegen meist in den Landeshauptstädten. Das erschwert die Erreichbarkeit für Frauen und Mädchen im ländlichen Raum, denn Frauen und Mädchen sind stärker auf den öffentlichen Verkehr angewiesen als Männer.

Orange als weltweite Signalfarbe gegen Gewalt an Frauen

Die UNO-Kampagne „Orange The World“ macht seit 1991 auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam. „Man(n) kann Gewalt gegen Frauen beenden“, lautet 2023 das Motto der Aktion der Vereinten Nationen. Weltweit erstrahlen in diesen 16 Tagen Gebäude in Orange, um ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen.

Aktuelle Zahlen zu dem Thema zeichnen ein ernüchterndes Bild: So wurden den Vereinten Nationen zufolge etwa 250 Millionen der heute lebenden Frauen vor ihrem 15. Lebensjahr verheiratet. Mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen zählen weltweit zu den Opfern von Genitalverstümmelung. Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie hätten diese untragbaren Zustände noch verschärft, warnte die Austrian Development Agency (ADA) in einer Aussendung am Freitag. Aktuell fördert die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 44 Projekte mit insgesamt 71 Millionen Euro, die zum Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt beitragen, darunter etwa Gratisrechtsberatung für Frauen in Albanien.

Insbesondere warnte die UNO-Flüchtlingshilfe vor den Gefahren für Frauen auf der Flucht. Sie würden häufig Opfer von Missbrauch, physischer und psychischer Gewalt, sagte Peter Ruhenstroth-Bauer, Nationaler Direktor der Flüchtlingshilfe, am Freitag in Bonn. Es müsse daher dringend für Schutzräume für Frauen und ihre Familien gesorgt werden.