Freigelassene Geiseln in einem Fahrzeug
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Feuerpause

Erste freigelassene Geiseln wieder in Israel

Eine erste Gruppe von 24 Geiseln ist aus der Gewalt der Terrororganisation Hamas freigekommen. Es handelt sich um 13 Frauen und Kinder, die sieben Wochen nach ihrer Entführung nun wieder in Israel sind. Auch zehn thailändische Geiseln und eine philippinische Geisel wurden von den Terroristen entlassen. Im Gegenzug wurden 39 palästinensische Häftlinge freigelassen.

Namen und Bilder der 13 freigelassenen Geiseln wurden veröffentlicht. Zu ihnen zählten eine 34-jährige Mutter und ihre zwei Töchter im Alter von zwei und vier Jahren, eine 85-Jährige sowie Mitglieder von drei Generationen einer Familie: eine Großmutter sowie deren Tochter und Enkelsohn. Männer waren nicht unter den freigelassenen Geiseln.

Unter den Freigekommenen sind laut katarischem Außenministerium auch mehrere Doppelstaatsbürger – darunter vier Deutsche, so die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die sich „erleichtert“ und „dankbar“ zeigte. Die Identitäten der thailändischen und philippinischen Geiseln wurden nicht bekanntgegeben. Sie waren zum Teil als Gastarbeiter tätig.

Gaza: Feuerpause, erste Geiseln frei

49 Tage nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel sind Freitagnachmittag die ersten der etwa 240 aus Israel Entführten wieder frei. Wie in dem international vermittelten Deal zwischen Hamas und Israel vereinbart, wurden gleichzeitig 39 Palästinenser, die wegen Terrorvergehen verurteilt wurden, freigelassen.

Armee: Freigelassene in „gutem Zustand“

Die 24 Geiseln wurden vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zum Grenzübergang Rafah zwischen dem südlichen Gazastreifen und Ägypten gebracht. Israelische Sicherheitskräfte nahmen sie in Empfang. Mittlerweile befinden sie sich in Israel. Dort seien sie ersten medizinische Tests unterzogen worden, teilte Militärsprecher Daniel Hagari israelischen Medien zufolge mit. Sie seien in „gutem Zustand“, ihr Leben sei nicht in Gefahr. Sie würden nun mit Hubschraubern in Krankenhäuser gebracht.

Dort werden sie den Angaben nach auch mit ihren Angehörigen wiedervereint. Die Frauen werden – soweit es der physische und psychische Zustand erlaubt – vom Geheimdienst befragt. Rund zwei Tage sollen sich die Frauen und Kinder, die nach den Erfahrungen der letzten Wochen wohl schwer traumatisiert sind, in den Spitälern aufhalten.

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Medizinisches Personal bei einem Checkpoint an dem freigelassene Geiseln ankommen sollen
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Medizinisches Personal an einem Checkpoint wartet auf die von der Hamas freigelassenen Geiseln
Militärfahrzeige nahe einem Israelischen Gefängnis, aus dem palästinensische Geiseln entlassen werden sollen
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Im Gegenzug für die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas lässt Israel palästinensische Gefangene frei
Ein Konvoi mit Lkws mit Hilfsgütern
APA/AFP/Mahmud Hams
Als Teil des Abkommens zur Feuerpause ist auch eine deutliche Ausweitung der humanitären Hilfe vereinbart
Die freigelassenen Geiseln werden von medizinischem Personal betreut
Reuters/Reuters Tv
Die Geiseln wurden von Traumaexperten und Medizinern erwartet, außerdem von Soldaten, die für ihre Sicherheit sorgen sollen
Ein Wagen des Roten Kreuz transportiert freigelassene Geiseln
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Es ist bereits dunkel, als mehrere Geländewagen des Roten Kreuzes mit Freigelassenen den Grenzübergang Rafah passieren
Freigelassene Geiseln in einem Fahrzeug
Reuters/Reuters Tv
Für einige Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation Hamas endet die Gefangenschaft nach 49 Tagen
Medienvertreter warten auf das Freilassen der Geiseln
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Journalistinnen und Journalisten und Schaulustige am Grenzübergang Rafah
Lärmabweisende Kopfhörer in einem Militärhubschrauer für die bevorstehende Geiselübergabe
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Die Armee hat alles vorbereitet: Helikopter mit speziellen Lärmschutzkopfhörern für die Geiseln
Stofftiere und bunte Polster für die bevorstehende Geiselübergabe
Reuters/Israel Defense Forces
Teddys und Polster: Turnsaal der Militärbasis Chazerim, in der die Kinder und Frauen erstversorgt werden
Außenansicht des israelischen Militärgefängnisses Ofer bei Ramallah
Reuters/Ammar Awad
Das Gefängnis Ofer, von dem aus die palästinensischen Häftlinge, die wegen Beteiligung an Attentaten verurteilt wurden, entlassen werden
Das israelische Militärgefängnis Ofer nahe Ramallah
APA/AFP/Ahmad Gharabli
Ein Bus des Roten Kreuzes, mit dem die palästinensischen Häftlinge transportiert werden, parkt vor dem israelischen Gefängnis
Israelischer Militärhubschrauber
Reuters/Alexander Ermochenko
Israelischer Helikopter kontrolliert die Grenze zum Gazastreifen
Israelisches Militär vor dem Gefängnis Ofer nahe Ramallah
APA/AFP/Jaafar Ashtiyeh
Israelische Militärfahrzeuge vor dem Gefängnis Ofer
Konvoi von Rettungsfahrzeugen auf dem Weg nach Gaza City
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Ein Konvoi des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz während der Feuerpause
Zwei israelische Soldaten blicken auf einen Militärkonvoi, der Gaza verlassen hat
Reuters/Amir Cohen
Israelische Soldaten schauen auf einen Militärkonvoi, der Gaza verlassen hat

39 palästinensische Häftlinge entlassen

Für jede israelische Geisel wurden im Gegenzug drei palästinensische Häftlinge entlassen – 24 weibliche und 15 minderjährige männliche Gefängnisinsassen. Sie wurden zu ihren Familien in Ostjerusalem bzw. im Westjordanland gebracht.

Korrespondentenberichte aus Tel Aviv und Kairo

Was ist bisher über die freigelassenen Geiseln bekannt? Und was bedeutet die jetzt vereinbarte Feuerpause für die Zivilisten im Gazastreifen? Es berichten die ORF-Korrespondenten Nikolaus Wildner (Tel Aviv) und Karim El-Gawhary (Kairo).

Die von Israel und der Hamas ausgehandelte Waffenruhe soll mindestens vier Tage dauern. Gemäß der Vereinbarung sollen in dieser Zeit insgesamt 50 Geiseln freikommen. Eine Verlängerung der Feuerpause auf bis zu zehn Tage sei möglich, wie das in dem Konflikt vermittelnde Golf-Emirat Katar mitgeteilt hatte. Bei der Freilassung thailändischer Geiseln hatte der Iran zwischen der Hamas und Thailand vermittelt.

Biden: „Das ist erst der Anfang“

Israel erhält nun die Liste der Geiseln, die am Samstag freikommen sollen. Die Angehörigen sollen dann im Lauf des Nachmittags schnellstmöglich informiert werden. Für die Angehörigen aller Geiseln ist der Beginn der Vereinbarung ein Ereignis, dem viele mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Denn die meisten müssen weiter um ihre Lieben bangen.

Insgesamt sieht die zwischen beiden Konfliktparteien getroffene Vereinbarung einen Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Häftlinge vor. In seiner Rolle als „neutraler Vermittler“ werde das IKRK „über mehrere Tage hinweg in Gaza festgehaltene Geiseln an die israelischen Behörden und letztendlich an ihre Familien übergeben und palästinensische Häftlinge an die Behörden im Westjordanland überstellen“, hieß es in einer IKRK-Erklärung.

Das israelische Militärgefängnis Ofer nahe Ramallah
Reuters/Ammar Awad
Das Ofer-Gefängnis in der Nähe von Ramallah im Westjordanland

US-Präsident Joe Biden zeigte sich über die Freilassung erleichtert und sagte, dass das „erst der Anfang“ sei. „Die heutige Freilassung ist der Beginn eines Prozesses“, so der US-Präsident bei einer Ansprache in Nantucket im US-Bundesstaat Massachusetts. Er erwarte am Samstag, Sonntag und Montag die Freilassung weiterer Geiseln. „Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Tagen Dutzende von Geiseln zu ihren Familien zurückkehren werden.“ Zudem sprach sich Biden dafür aus, die Bemühungen um eine Zweistaatenlösung im Nahost-Konflikt zu „erneuern“. „Zwei Staaten für zwei Völker. Das ist jetzt wichtiger denn je.“

Ganz bei den Angehörigen

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant verfolgten die Geiselfreilassung von einem Kontrollraum im Tel Aviver Regierungsviertel. Der Oppositionspolitiker Benni Ganz, der nach dem 7. Oktober dem Kriegskabinett beitrat, dagegen kam zum Zentrum, das die Angehörigen der Entführten eingerichtet haben, um dort mit den Familien zu sprechen.

Das Militär rief die Öffentlichkeit und die Medien zu Geduld und Sensibilität auf. „Wir bitten alle darum, die Privatsphäre der freigelassenen Geiseln und ihrer Familien zu respektieren.“ Die Übergabe der Geiseln war intensiv vorbereitet worden. Sie wurden von israelischen Traumaexperten und Medizinern erwartet, außerdem von speziell ausgebildeten Soldaten, die für ihre Sicherheit sorgen sollen.

Das Außenministerium in Wien begrüßte Freitagabend auf X (Twitter) die Freilassung von „13 unschuldigen Frauen und Kindern“. „Nach wochenlangem Leiden werden sie endlich wieder mit ihren Familien vereint sein.“ Nun sei die vollständige Umsetzung des Abkommens entscheidend. „Diesem wichtigen ersten Schritt muss die Freilassung aller Geiseln folgen“, hieß in dem Post.

Mehr Hilfslieferungen für Gaza

Ebenfalls Teil der Vereinbarung ist die Ausweitung der Hilfslieferungen, die bereits Freitagfrüh begann. Ägypten kündigte an, täglich 130.000 Liter Diesel und vier Lkw-Ladungen mit Gasflaschen in den Gazastreifen zu liefern, sollte die Waffenruhe halten. Täglich könnten rund 200 Lkws humanitäre Hilfe über Rafah in das Palästinensergebiet bringen, hieß es. Das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) will die Kampfpause nutzen, um dringend benötigte Hilfsgüter zu verteilen.

Die Kämpfe dauerten bis zuletzt an. Im israelischen Grenzgebiet gab es noch kurz vor und auch nach Beginn der Waffenruhe Raketenalarm. Die Armee hatte zuvor die Angriffe im Gazastreifen noch intensiviert.

Israel zog sich aus Al-Schifa-Krankenhaus zurück

Unterdessen zog sich Israel laut Hamas aus dem Al-Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza zurück. Das teilte Ministeriumssprecher Aschraf al-Kudra am Freitag mit. Die israelische Armee reagierte zunächst nicht auf eine entsprechende AFP-Anfrage. Die israelische Armee hatte sich rund eine Woche auf dem Gelände Krankenhauses aufgehalten, unter dem sie eine Einsatzzentrale der Hamas vermutete.

Am Sonntag erklärte die Armee, einen 55 Meter langen Tunnel in zehn Meter Tiefe unter der Klinik sowie ein Waffenlager gefunden zu haben. Am Donnerstag nahmen israelische Streitkräfte den Leiter des Al-Schifa-Krankenhauses, Mohammed Abu Salmija, fest. Ein Großteil der geschätzten 2.300 Patientinnen und Patienten sowie die Belegschaft und vertriebene Zivilisten wurden aus dem Krankenhaus in Sicherheit gebracht.