Solidaritätsbekundung mit Geiseln im Gazastreifen in Tel Aviv
AP/Leo Correa
Dritte Liste

Weitere Hamas-Geiseln vor Freilassung

Die Terrororganisation Hamas hat am Samstag nach längerer Verzögerung 17 Geiseln und am Sonntag bisher eine Geisel mit russischer Staatsbürgerschaft freigelassen. Israel erhielt zudem die mittlerweile dritte Liste mit Namen mit israelischen Geiseln, die noch am Sonntag im Gegenzug zu palästinensischen Gefangenen freigelassen werden könnten.

Ob die Freilassung der Geisel mit russischer Staatsbürgerschaft im Zusammenhang mit der am Freitag zwischen Israel und der Hamas getroffenen Vereinbarung steht, ist Reuters-Angaben zufolge unklar. Wie die Hamas am Sonntag mitteilte, habe man die Geisel an das Internationale Rote Kreuz übergeben und damit die Haltung Moskaus gewürdigt.

Ägyptischen Angaben zufolge sei am Sonntag noch die Freilassung von 13 von der Hamas festgehaltenen Israelis und 39 in Israel inhaftierten Palästinensern möglich. Es sei eine Liste übermittelt worden, teilte das Pressebüro der ägyptischen Regierung mit. Aus dem Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hieß es Sonntagfrüh, die Liste würde von den Sicherheitsbehörden geprüft. Wie viele Namen darauf stehen, teilte die israelische Regierung nicht mit.

Noch rund 200 Geiseln in Gewalt der Hamas

Der ägyptischen Regierung zufolge sollen es 13 Geiseln sein. Das Onlineportal Ynet berichtete unter Berufung auf die Hamas, dass dieses Mal Familienmitglieder nicht getrennt werden sollen, wie es bei der zweiten Gruppe der Fall gewesen sei. Die USA rechnen für Sonntag auch mit der Freilassung eines US-Bürgers. Nach den Freilassungen am Freitag (24) und Samstag (17) befinden sich jetzt noch rund 200 Geiseln in der Gewalt der Hamas. Israel lässt im Gegenzug palästinensische Häftlinge frei.

Weitere Geiseln freigelassen

Nach stundenlanger Verzögerung hat die Terrororganisation Hamas am Samstag eine Gruppe von 17 Geiseln freigelassen. Trotz der Einhaltung der Feuerpause hatte sie eine Übergabe zunächst gestoppt. Israel soll daraufhin mit einem Ende der Waffenruhe gedroht haben. Nach Einschreiten Katars lenkte die Hamas schließlich ein. Heute sollen weitere Geiseln freigelassen werden.

Hamas verzögerte Freilassung

Am Samstag hatte die Hamas 13 israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und vier Personen mit thailändischem Pass freigelassen. Nach Angaben des in dem Konflikt vermittelnden Golfemirats Katar sollen unter den freigelassenen Israelis acht Minderjährige und fünf Frauen sein. Vier davon hätten die deutsche Doppelstaatsbürgerschaft, wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mitteilte.

Die freigelassenen Geiseln wurden zunächst nach Ägypten und schließlich nach Israel gebracht. Dort werden sie in Krankenhäusern mit ihren Familien zusammengeführt. Die Übergabe verzögerte sich zunächst, nachdem die Hamas diese in letzter Minute überraschend gestoppt hatte. Als Grund nannte die Terrororganisation, dass Israel aus ihrer Sicht gegen einen Teil des Geiseldeals verstoßen habe.

Ein Fahrzeug des Roten Kreuz mit freigelassenen Geiseln
Reuters/Reuters Tv
Es war bereits dunkel, als Geländewagen mit den Freigelassenen Richtung Israel unterwegs waren

Tauziehen um Vereinbarungen

Der bewaffnete Arm der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, warf Israel vor, nicht genügend Hilfslieferungen auch in den nördlichen Teil des Gazastreifens ermöglicht zu haben. Ob diese Bestimmung tatsächlich Teil des von Katar vermittelten Abkommens zwischen den beiden Konfliktparteien war, blieb unklar. In Israel war zunächst immer die Rede davon, Transporte mit Hilfsgütern wie Nahrung und Treibstoff in den Süden zu ermöglichen, wohin Zehntausende aus dem Norden geflüchtet waren.

Auch gaben die Al-Kassam-Brigaden an, Israel halte sich bei der Freilassung von Häftlingen nicht „an die vereinbarten Standards“. Das Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass für jede Geisel aus Israel drei palästinensische Häftlinge freikommen sollen. Im Gegenzug für die Freilassung der 13 israelischen Geiseln wurden 39 palästinensische Häftlinge entlassen.

Unter ihnen sind der Hamas zufolge sechs Frauen und 33 männliche Jugendliche unter 19 Jahren. Sie wurden in ihre Wohnorte im Westjordanland und in Ostjerusalem gebracht. Der arabische Nachrichtensender al-Jazeera veröffentlichte Bilder aus der Stadt Beitunia im Westjordanland, die zeigen sollen, wie ein Bus mit freigelassenen palästinensischen Gefangenen an einer feiernden Menschenmenge vorbeifährt.

ORF-Reporterin Roupetz zur Geiselübergabe

Wie die Geiselübergabe über die Bühne gegangen ist, erklärt die ORF-Reporterin Sophie Roupetz. Man sei hoffnungsvoll, aber nicht sicher, dass es zu einer dritten Runde an Freilassungen komme, zitierte sie einen Rotes-Kreuz-Sprecher. Die Lage sei angespannt.

Israel stellt Ultimatum, Biden telefoniert

Israel hatte laut Medienberichten bereits mit einer Wiederaufnahme der Offensive im Gazastreifen gedroht, hätte die Hamas die Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen. „Die Hamas ist sich bewusst, dass das israelische Militär die Bodenoffensive im Gazastreifen fortsetzen wird, wenn die Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen werden“, hatte ein israelischer Sicherheitsbeamter laut Onlineportal Ynet gesagt. Er warf der Hamas vor, bereits am Vortag „dasselbe Spiel“ gespielt zu haben.

Menschen warten auf die Freilassung der Geiseln
Reuters/Alexander Ermochenko
Zehntausende Israelis demonstrierten für die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen

US-Präsident Joe Biden hatte sich persönlich eingeschaltet, um sich für die zwischenzeitlich blockierte Freilassung einzusetzen. Er habe deswegen mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, und dem katarischen Premier- und Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani telefoniert, wie eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung auf Anfrage mitteilte. Laut dem Telefonat hätten hochrangige Regierungsbeamte engen Kontakt zu den Israelis, Katarern und Ägyptern gehalten, „um die Hürden für die Umsetzung zu überwinden“.

Zehntausende Israelis demonstrierten am Samstagabend für die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen. Sie versammelten sich im Zentrum von Tel Aviv mit israelischen Flaggen und Protestschildern. Auf einem Banner war zu lesen: „Kein Sieg bis zur letzten Geisel.“ Die Organisatoren gaben die Zahl der Teilnehmer mit geschätzt 100.000 an. Auch in Jerusalem kam es zu Protesten.

Nehammer: Alle Geiseln freilassen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zeigte sich am Sonntag auf X (Twitter) froh darüber, dass auch die Familie Tal Schohams – seine Frau und Kinder – wieder in Freiheit und Sicherheit ist. Nehammer hatte bei seinem Solidaritätsbesuch in Israel im Oktober den Vater des israelisch-österreichischen Doppelstaatsbürgers getroffen. „Unsere Gedanken sind weiterhin bei Tal Schoham, der immer noch von der Hamas als Geisel gehalten wird. Die Forderung bleibt aufrecht: Alle Geiseln müssen von der Hamas freigelassen werden“, so der Kanzler.

Hamas bestätigt Tod von vier Anführern

Die Al-Kassam-Brigaden bestätigten unterdessen den Tod von vier ihrer Anführer vor der Feuerpause. Darunter sei auch Ahmed al-Gandur, Kommandeur der Brigade Nordgaza und Mitglied des Hamas-Militärrats, teilte der bewaffnete Arm der Hamas auf Telegram mit. Die israelische Armee hatte bereits vor zehn Tagen mitgeteilt, Gandur sowie Ajman Sidscham, verantwortlich für die Raketenangriffe, seien bei dem Bombardement unterirdischer Tunnel im Gazastreifen getötet worden. Die Hamas bestätigte ihren Tod sowie den zweier weiterer Anführer nun erstmals offiziell.

Hilfsgüter in Nordgaza angekommen

Bei Transporten von Hilfsgütern in den Gazastreifen trafen inzwischen auch 61 Lkws im bis zur Feuerpause heftig umkämpften Norden ein. Es ist die größte Lieferung dieser Art in den nördlichen Gazastreifen seit Beginn des Krieges. Der Palästinensische Rote Halbmond habe die Lkws erfolgreich dorthin gefahren, teilte die Hilfsorganisation am Samstagabend mit. An vier Verteilungspunkten im Norden sollen die Menschen damit unter anderem Wasser, Arzneimittel und medizinische Ausrüstung erhalten.

LKW mit Hilfsgütern
APA/AFP/Mahmud Hams
Ein Lkw-Konvoi mit Treibstoff und Hilfsgütern fährt in Gaza-Stadt im Norden des Küstenstreifens ein

Am Samstag seien insgesamt bis zum Abend 187 Lkws mit Hilfsgütern im Gazastreifen eingetroffen, teilte das UNO-Nothilfebüro (OCHA) in der Nacht zum Sonntag mit. Für den Samstag sei zunächst die Einfahrt von 200 Lastwagen geplant gewesen. Weil die Güter vorher aber genau kontrolliert werden, verzögert sich die Einfahrt teilweise. Am Samstag seien auch 129.000 Liter Diesel und vier Tanks mit Gas zum Kochen nach Gaza geliefert worden, teilte OCHA mit.

Je länger die Kampfpause dauere, desto mehr Hilfe werden humanitäre Organisationen schicken können, teilte das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) am Sonntag mit. Eine Sprecherin hatte zuletzt gesagt, UNRWA wolle die Feuerpause nutzen, um so viele Menschen wie möglich im Gazastreifen zu erreichen. Schätzungsweise 1,7 Millionen Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben. Vor dem Krieg fuhren rund 500 Lkws mit humanitären Gütern pro Tag in das von Israel abgeriegelte Gebiet.

Nächte werden kälter

Weil die Nächte im Gazastreifen langsam kälter werden, gibt es auch großen Bedarf an Material, mit dem die Menschen sich warm halten können. Dazu gehören Matratzen und Decken, Material, um beschädigte Häuser abzudichten, und winterfeste Zelte, damit Menschen sich gegen kalte Wetterbedingungen schützen können. Solche Sets zum Schlafen sowie zum Kochen, Waschen und auch Zelte verteilten Helfer bisher nur im Süden, weil es OCHA zufolge keinen sicheren Zugang zum schwer umkämpften Norden gibt.