Freigelassene Geiseln in einem Fahrzeug des Roten Kreuz
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Israel bestätigt

Weitere Geiseln an Rotes Kreuz übergeben

Am dritten Tag der Feuerpause zwischen Israel und der Hamas hat die palästinensische Terrororganisation weitere in den Gazastreifen verschleppte Geiseln freigelassen. 13 Israelis und mehrere Ausländer seien am Sonntag den Mitarbeitern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben worden, teilte die israelische Armee am späten Sonntagnachmittag mit. Die Hamas hatte zuvor verkündet, dass sie dem Roten Kreuz 13 Israelis, drei Thailänder und einen Russen übergeben habe.

Zwölf der Geiseln mit israelischer Staatsbürgerschaft seien in Israel an der Grenze zu Mittelgaza von einer Eliteeinheit der Streitkräfte und vom Inlandsgeheimdienst Schin Beit in Empfang genommen worden, wie der Sprecher der Israelischen Armee, Daniel Hagari, auf X (Twitter) mitteilte. Eine weitere von der Hamas freigelassene israelische Geisel sei mit einem Hubschrauber direkt in ein israelisches Spital gebracht worden.

Vier Geiseln mit ausländischer Staatsbürgerschaft seien Medienberichten zufolge mit einem Bus über den Grenzübergang Rafah aus dem Gazastreifen gebracht worden. Man habe „erfolgreich die Freilassung und Überstellung von 17 in Gaza festgehaltenen Geiseln ermöglicht“, hielt Sonntagnacht das IKRK auf X fest.

Das Weiße Haus bestätigte unterdessen Medienberichte, wonach sich diesmal ein vierjähriges Kind mit US-amerikanischer Doppelstaatsbürgerschaft unter den am Sonntag freigelassenen israelischen Geiseln befindet. „Sie ist frei und sie ist jetzt in Israel“, sagte dazu US-Präsident Joe Biden. Das Mädchen, dessen Eltern beim Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober getötet wurden, sei erst am Freitag vier Jahre alt geworden, so Biden, der hier anfügte: „Sie hat ein schreckliches Trauma erlitten.“

Weitere Geiseln übergeben

Während der mehrtägigen Feuerpause im Gaza-Krieg sind am Sonntag laut israelischen Angaben 17 Geiseln freigekommen.

Am Freitag fixierter Deal

Bereits am Freitag und Samstag waren insgesamt 26 israelische Geiseln zusammen mit 14 thailändischen Staatsbürgern und einem Philippiner freigekommen. Im Gegenzug wurden an beiden Tagen palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen freigelassen.

Israel und die Hamas hatten sich nach langwierigen Verhandlungen unter Vermittlung von Katar, den USA und Ägypten auf eine viertägige Feuerpause geeinigt. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass insgesamt 50 israelische Geiseln sowie 150 palästinensische Gefangene freigelassen werden sollen.

Medien: 39 palästinensische Häftlinge frei

Ob die Freilassung der Geisel mit russischer Staatsbürgerschaft im Zusammenhang mit der am Freitag zwischen Israel und der Hamas getroffenen Vereinbarung steht, ist Reuters-Angaben zufolge unklar. Wie die Hamas am Sonntag mitteilte, habe man die Geisel an das Internationale Rote Kreuz übergeben und damit die „Haltung Moskaus“ gewürdigt.

Die Freilassung weiterer Geiseln zeichnete sich am Sonntag im Tagesverlauf ab. Im Gegenzug liefen – wie an den vergangenen beiden Tagen – in Israel erneut über Stunden die Vorbereitungen zur Freilassung inhaftierter palästinensischer Häftlinge. Die zuständigen israelischen Behörden bestätigten am Abend Berichte, wonach am Sonntag 39 palästinensische Insassen aus mehreren Haftanstalten freigelassen worden seien.

Roupetz (ORF) zum Zustand der Geiseln

Ist ist über den Zustand der befreiten Geiseln schon Näheres bekannt? ZIB-Korrespondentin Sophie Roupetz berichtet.

Hamas verzögerte am Samstag Freilassung

Am Samstag hatte die Hamas 13 israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und vier Personen mit thailändischem Pass freigelassen. Nach Angaben des in dem Konflikt vermittelnden Golfemirats Katar sollen unter den freigelassenen Israelis acht Minderjährige und fünf Frauen sein. Vier davon hätten die deutsche Doppelstaatsbürgerschaft, wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mitteilte.

Die freigelassenen Geiseln wurden zunächst nach Ägypten und schließlich nach Israel gebracht. Dort werden sie in Krankenhäusern mit ihren Familien zusammengeführt. Die Übergabe verzögerte sich zunächst, nachdem die Hamas diese in letzter Minute überraschend gestoppt hatte. Als Grund nannte die Terrororganisation, dass Israel aus ihrer Sicht gegen einen Teil des Geiseldeals verstoßen habe.

Ein Fahrzeug des Roten Kreuz mit freigelassenen Geiseln
Reuters/Reuters Tv
Es war bereits dunkel, als Geländewagen mit den Freigelassenen Richtung Israel unterwegs waren

Tauziehen um Vereinbarungen

Der bewaffnete Arm der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, warf Israel vor, nicht genügend Hilfslieferungen auch in den nördlichen Teil des Gazastreifens ermöglicht zu haben. Ob diese Bestimmung tatsächlich Teil des von Katar vermittelten Abkommens zwischen den beiden Konfliktparteien war, blieb unklar. In Israel war zunächst immer die Rede davon, Transporte mit Hilfsgütern wie Nahrung und Treibstoff in den Süden zu ermöglichen, wohin Zehntausende aus dem Norden geflüchtet waren.

Auch gaben die Al-Kassam-Brigaden an, Israel halte sich bei der Freilassung von Häftlingen nicht „an die vereinbarten Standards“. Das Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass für jede Geisel aus Israel drei palästinensische Häftlinge freikommen sollen.

Unter ihnen waren Hamas-Angaben zufolge am Samstag sechs Frauen und 33 männliche Jugendliche unter 19 Jahren. Sie wurden in ihre Wohnorte im Westjordanland und in Ostjerusalem gebracht. Der arabische Nachrichtensender al-Jazeera veröffentlichte Bilder aus der Stadt Beitunia im Westjordanland, die zeigen sollen, wie ein Bus mit freigelassenen palästinensischen Gefangenen an einer feiernden Menschenmenge vorbeifährt.

Israel stellt Ultimatum, Biden telefoniert

Israel hatte laut Medienberichten bereits mit einer Wiederaufnahme der Offensive im Gazastreifen gedroht, hätte die Hamas die Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen. „Die Hamas ist sich bewusst, dass das israelische Militär die Bodenoffensive im Gazastreifen fortsetzen wird, wenn die Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen werden“, hatte ein israelischer Sicherheitsbeamter laut Onlineportal Ynet gesagt. Er warf der Hamas vor, bereits am Vortag „dasselbe Spiel“ gespielt zu haben.

Menschen warten auf die Freilassung der Geiseln
Reuters/Alexander Ermochenko
Zehntausende Israelis demonstrierten für die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen

US-Präsident Joe Biden hatte sich persönlich eingeschaltet, um sich für die zwischenzeitlich blockierte Freilassung einzusetzen. Er habe deswegen mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, und dem katarischen Premier- und Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani telefoniert, wie eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung auf Anfrage mitteilte. Laut dem Telefonat hätten hochrangige Regierungsbeamte engen Kontakt zu den Israelis, Katarern und Ägyptern gehalten, „um die Hürden für die Umsetzung zu überwinden“.

Zehntausende Israelis demonstrierten am Samstagabend für die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen. Sie versammelten sich im Zentrum von Tel Aviv mit israelischen Flaggen und Protestschildern. Auf einem Banner war zu lesen: „Kein Sieg bis zur letzten Geisel.“ Die Organisatoren gaben die Zahl der Teilnehmer mit geschätzt 100.000 an. Auch in Jerusalem kam es zu Protesten.

Nehammer: Alle Geiseln freilassen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zeigte sich unterdessen am Sonntag auf X erfreut darüber, dass auch die Familie von Tal Schoham – seine Frau und Kinder – wieder in Freiheit und Sicherheit ist. Nehammer hatte bei seinem Solidaritätsbesuch in Israel im Oktober den Vater des israelisch-österreichischen Doppelstaatsbürgers getroffen. „Unsere Gedanken sind weiterhin bei Tal Schoham, der immer noch von der Hamas als Geisel gehalten wird. Die Forderung bleibt aufrecht: Alle Geiseln müssen von der Hamas freigelassen werden.“